Es duftet nach Kaffee, der in den Tassen dampft. Eine Schale mit selbst gemachten Brätzeli steht auf dem Tisch. Im Gespräch mit der BauernZeitung unterhalten sich Brigitte Blaser und ihre Mutter Erika Gilgen übers Mutter- und Bäuerinnensein. Da kommt die kleine Leona mit einem Puzzle daher. Das will sie natürlich am Stubentisch machen. Die beiden Frauen lassen sich dadurch nicht beirren. Kinder gehören zu einem Bäuerinnenalltag einfach dazu.
BauernZeitung: Was bedeutet es, Mutter zu sein?
Erika Gilgen (EG): Muttersein ist etwas Schönes. Es kommt etwas ganz Neues auf einen zu, und jeder Tag ist anders.
Brigitte Blaser (BB): Mutter zu sein kann man sich im Vorfeld nicht vorstellen. Es passiert einfach. Du wächst in die Rolle hinein. Man kann es nicht lernen.
Die neun Monate Schwangerschaft helfen wahrscheinlich, sich auf die Rolle vorzubereiten, oder?
EG: Ach, das ist schon so lange her (lacht herzhaft). – Man bereitet alles vor, macht sich Gedanken, wie es laufen könnte ... Konkret heisst das, man richtet das Zimmer ein, kauft Kleider, Kinderwagen und -sitz. Mehr kann man, glaube ich, nicht vorbereiten. Dann kommt das Kind. Und dann fängt es an.
Hat man während der Schwangerschaft nie den Gedanken, dass etwas nicht gut gehen könnte?
BB: Der Mutterinstinkt hilft in dieser Zeit und er sagt «es kommt gut» – oder eben auch nicht. Beim ersten Kind hätte ich am liebsten gleich nach dem positiven Testergebnis allen erzählt, dass ich schwanger bin. Bei der zweiten Schwangerschaft hingegen wollte ich es lange nicht erzählen. Ich habe das Kind dann auch verloren. Bei einer weiteren Schwangerschaft schwingt nachher natürlich Angst mit, aber das Urvertrauen holt dich zurück und du spürst, dass es gut kommt. Ich wollte wieder schwanger werden.
EG: Ja, man darf keine Angst haben, sonst wird man nicht schwanger. Und auch für nachher, für die Aufgabe als Mutter, darf man keine Angst haben.
Aufs Stichwort «Angst» kommt Nino von draussen rein und fordert von seiner Mutter ein Sackmesser. Er will einen Baum schneiden. Mit ruhiger und sehr bestimmter Stimme erwidert Brigitte Blaser: «Nein, ich will nicht, dass du alleine mit dem Messer hantierst. Es ist sehr scharf.» Natürlich lässt das der Sohnemann nicht auf sich beruhen und quengelt rum. «Du kannst mir nachher zeigen, wie du das machst und kannst mich davon überzeugen, dass ich dir vertrauen kann. Aber jetzt bin ich in einem Gespräch», so seine Mutter weiter. Ende. Keine Diskussion mehr. Das weiss Nino und geht wieder nach draussen.
Erika Gilgen (61)
Erika Gilgen ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern und Grossmutter von vier Enkeln. Ursprünglich ist sie gelernte Gärtnerin. Sie brachte den elterlichen Hof in die Ehe mit Samuel Gilgen mit. Sie hilft ihrer Tochter und dem Schwiegersohn täglich im Stall, auf den Feldern und im Garten.
Hat man mehr Angst, sobald Kinder da sind, und macht deshalb alles kindersicher?
BB: Bei uns war schon von meinen Eltern her alles sehr gut und sicher eingerichtet.
EG: Wir haben keine Gruben, in die man fallen könnte und haben so gebaut, dass es nicht gefährlich ist. Beim Arbeiten sind die Kinder dabei und ich schaue auf sie. Man denkt halt immer auch für andere mit.
BB: Gefährlich ist bei uns einzig die Strasse. Der Verkehr hat über die Jahre zugenommen und die Autos fahren schnell. An der Hausecke ist Stopp. Da hält sich sogar der Hund daran. Dort ist wie ein «energetisches Tor», da geht man nicht weiter.
Sie scheinen recht streng und klar zu sein.
BB: Ja, bei den Kindern braucht es eine klare Linie. Man kann nicht immer über alles Diskutieren oder sich erklären. Es ist einfach so. Punkt. Meine Mutter war ebenfalls sehr streng. Diese Art wurde mir vorgelebt und es kam eigentlich gut. Natürlich waren Auseinandersetzungen vorprogrammiert.
«Es braucht eine klare Linie. Man kann nicht über alles diskutieren.»
Brigitte Blaser
EG: Ja, ich hatte klare Regelungen. Aber Drama hatten wir deswegen nicht. Wir nahmen es an, wie es kam. Manchmal war ich aber auch streng aus Sorge. Ich bin überhaupt kein Wassermensch. Wasser ist eine Bedrohung für mich. Wenn die Mädchen in die Badi wollten, mussten sie häufig zu Hause bleiben und helfen. Einfach, weil ich Angst hatte, dass etwas passiert.
"Manchmal war ich aber auch streng aus Sorge."
Erika Gilgen
BB: Heuen statt Badi war der Klassiker.
EG: Ihr durftet aber auch ab und zu in die Ferien. Mit meiner ältesten Schwester mit dem Wohnwagen zum Beispiel.
BB: Einmal gingen wir als Familie nach Appenzell in die Ferien. Weil ihr Ferien gewonnen hattet.
Welche Rolle spielen Ihre Partner in der Erziehung?
EG: Wenn Samuel da war, hat er sich auch um die Kinder gekümmert. Aber er arbeitete häufig auswärts. Am Abend hat er bei den Hausaufgaben geholfen; Rechnen und so. Das war nicht so meine Stärke.
BB: Wenn Alexander auf dem Hof arbeitet, hat er die Kinder dabei, zum Beispiel im Stall.
Wie ist es als Mutter, wenn die Tochter übernehmen will?
EG: Das ist gut so. Ich hatte immer das Gefühl, dass jemand mit dem Hof weitermacht.
BB: Das war sicher schwierig für meine Eltern. Vor allem, weil es ja noch zu früh war für die Übergabe und wir ganz klar sagten, dass wir weggehen würden, falls wir hier nicht weitermachen können. Es war aber mehr für unsere Existenzsicherung und nie eine Drohung.
EG: Es war auch kein Entscheid von heute auf morgen. Der Prozess dauerte sicher drei Jahre und ich wusste, dass ich weiterhin mithelfen darf.
Sie haben keine Mühe,dass es die Jungen anders machen?
EG: Klar gibt es manchmal Dinge, die ich anders machen würde. Aber sie machen es so und ich akzeptiere das. Meiner Tochter gebe ich Ratschläge und ab und zu fragt sie mich etwas. Das ist schön. Der Hofladen ist ganz ihre Sache. Ich liefere ihr Eier von meinen Hühnern und unterstütze sie, wenn sie Hilfe braucht.
BB: Mein Mann und ich haben mit der Direktvermarktung begonnen, weil wir den Hof ausbauen wollen. Ziel ist es, dass er seine auswärtige Tätigkeit kontinuierlich reduzieren kann. Ausserdem sind wir auf dem Weg, ein Demeterbetrieb zu werden. Wir finden es das konsequenteste Biolabel und wir können so die Milch besser vermarkten.
EG: Ich bin stolz, was die beiden hier auf die Beine stellen. Hinter dem Entscheid auf Bio umzustellen, kann ich stehen. Wir waren ebenfalls fast biologisch, und hatten teilweise auch Kühe mit Hörnern. Wir liessen uns einfach nicht zertifizieren.
Was machen Sie anders als Grossmutter?
EG: Ich bin auch als Grossmutter streng. Aber ein Vorteil ist sicher, dass man die Kinder nach einer Weile wieder abgeben kann. Ausserdem nehme ich mir bewusst Zeit für meine Enkel, spiele mit ihnen und verwöhne sie z. B. mit Milchschnitten oder selbst gemachten Spätzli.
Brigitte Blaser (35)
Brigitte Blaser ist die älteste Tochter von Erika Gilgen und Mutter von Kevin (7), Nino (5) und Leona (3). Bevor sie Bäuerin auf dem elterlichen Hof wurde, lernte sie Coiffeuse und arbeitete später als Lokomotivführerin. Gemeinsam mit Ihrem Mann Alexander Blaser führt sie den Betrieb.
Was fällt Ihnen zum Stichwort Muttertag ein?
BB: Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Aber ich bekomme sicher etwas von meinen Kindern geschenkt. Seit Tagen erzählen sie, dass sie basteln. Ich selber wollte einmal Geld von meiner Mutter, damit ich ihr Blumen zum Muttertag kaufen konnte (schmunzelt).
EG: Es ist ein geheimnisvoller Tag für eine Mutter. Im Vorfeld werden von den Kindern Dinge ver-steckt und man darf nicht in gewisse Taschen schauen. Das macht es spannend. Ich habe viele Male von jedem meiner Mädchen einen lieben Brief erhalten.