Dass Krisen immer wieder mal kommen, haben wohl alle schon erlebt. Die einen mehr, andere weniger. Am Seeländer Forum vom 27. Oktober 2021 wird deutlich, dass Krisen auch stärken können. Und dies unabhängig davon, ob das nun persönliche Notlagen oder solche sind, welche die ganze Bevölkerung betreffen. Letztere ziehen meist immer Folgen nach sich, welche die Nahrungsversorgung betreffen, erklärt Michael Gysi. Der Vorsteher des Amts für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (Lanat) ist als Referent geladen. Nebst der persönlichen Teilnahme am Anlass vor Ort am Inforama Seeland, Ins, haben die Verantwortlichen heuer die Möglichkeit geschaffen, dem Seeländer Forum virtuell beizuwohnen. Gysi macht deutlich: «Alle wollen und müssen essen. Darum stärkt jede solche Krise, wie jetzt die Pandemie, die hiesige Landwirtschaft.»

An der Resilienz arbeiten

In seinem Referat über das Thema Krisen kommen – Krisen stärken, erklärt der Lanat-Vorsteher, dass Resilienz, Krisen und Lösungen eng zusammenhängen. «Krisen verlangen nach Lösungen», das sei klar. Andere Bezeichnungen für Resilienz seien:

  • Widerstandsfähigkeit
  • die Fähigkeit, in den Ausgangszustand zurückzukehren
  • Stabilität
  • Standhaftigkeit

Der Aufbau einer resilienten Berner Landwirtschaft beziehe sich auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. So müssten ökonomische, ökologische und soziale Resilienz angestrebt werden, damit die längerfristig erfolgreiche Entwicklung der Landwirtschaft gesichert sei. Und er macht deutlich: «Wir alle sind gefordert, persönlich und auf dem Betrieb ständig an der Resilienz zu arbeiten.» Lösungen aus Krisen heraus brauchen Zeit, können aber auch zu besseren Situationen als vorher führen. Gysi führt Ausnahmesituationen, wie etwa die grossflächigen Überschwemmungen im Seeland, ins Feld, die schliesslich die Juragewässerkorrektionen nach sich zogen. Aber auch die Pflanzenschutz-Initiativen hätten eine Krise für die Landwirtschaft bedeutet, die sich dadurch bedroht sah.

Das Lanat will die jetzige Direktzahlungssumme halten oder gar steigern

Die Landwirtschaft habe gute Lösungen bezüglich der Problematik mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) parat. So etwa die Parlamentarische Initiative zur Senkung von PSM. Diese Lösungen müssten aber von allen Seiten aktiv kommuniziert werden. Stolz zeigt sich Michael Gysi über das Berner Pflanzenschutzprojekt, dessen Massnahmen als Vorreiter für das ganze Land dienen. Er macht betreffend der Stossrichtung des Lanat deutlich: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Direktzahlungssumme im Kanton Bern soll gleich hoch bleiben oder gar ansteigen.»

Im Anschluss an das Referat findet ein Podium statt. Unter der Leitung von Matthias Rediger, Leiter Ressort Beratung Rütti-Seeland des Inforama, diskutieren nebst Michael Gysi auch Barbara Kunz, Bäuerin und Präsidentin des Verbands Bernischer Landfrauenvereine, Stefan Wyss, Leiter Fachstelle Gemüse am Inforama Seeland sowie Peter Herren, unter anderem Geschäftsführer der Gemüseproduzentenvereinigung der Kantone Bern und Freiburg.

Der Umgang mit Krisen erfolgt unterschiedlich

Sie alle haben persönliche Erfahrungen mit Krisen gemacht. So unterschiedlich die Personen, so sind es auch die jeweiligen Bewältigungsstrategien. Peter Herren etwa macht gute Erfahrungen damit, möglichst frühzeitig einen Plan B vorbereitet zu haben, noch bevor die Krise überhaupt auftritt. Dies zeigt er eindrücklich anhand seines Gemüsetriebes auf. Dass die Abhängigkeit von nur einem Abnehmer zum Problem werden könnte, sah er frühzeitig und liess sich zum Fahrlehrer ausbilden. Als die Abhängigkeit tatsächlich zur Krise führte, der Abnehmer seine Ware wegen Umstrukturierungen nicht mehr wollte, konnte er kurzerhand den Betrieb umstellen und geht nun dem Nebenerwerb als Fahrlehrer nach. Einen Plan B zu haben, sei der Idealfall in einer Problemsituation, weiss Barbara Kunz.

Das Wichtigste in einer schwierigen Phase sei es, Hilfe anzunehmen. Sei die Notlage vorbei, könne ein Schritt zurückgemacht und die Situation reflektiert werden. Wenn dann gesagt werden kann: «Es ist jetzt gut so, wie es ist», sei das positiv. Kunz weiss aber auch, dass das nicht allen gelingt. Jede und jeder solle bereit sein, Hilfe anzunehmen, aber auch anderen Hilfe anzubieten. Wichtig sei auch, zu akzeptieren, wenn jemand die Hilfe nicht annehmen will. Dies dürfe dann nicht zur eigenen Baustelle gemacht werden, da schliesslich alle für sich selbst verantwortlich seien. Die Bäuerin selbst hat immer Stift und Block neben dem Bett parat. Kann sie nicht schlafen, schreibt sie ihre Gedanken auf und versorgt diese im Nachttisch. Am nächsten Tag können die Notizen mit etwas Abstand betrachtet werden und erscheinen oft bereits in einem ganz anderen Licht.

Das Umfeld miteinbeziehen

Für Stefan Wyss ist klar, dass das Umfeld mit Familie und Freunden eine zentrale Rolle spielt und Kraft gebe. Er geht so weit, dass dieses eventuell sogar einen Profi ersetzen könne. «Es lohnt sich auf jeden Fall, Zeit zu investieren und sich und sein engstes Umfeld zu stabilisieren», betont er. Wie das gelingt, sei individuell. Ein Kochrezept dazu habe er leider nicht. Wie krisenresistent die Landwirtschaft gegenüber anderen Branchen sei, will Moderator Rediger von Lanat-Chef Gysi zum Schluss wissen. «Alle wollen und müssen essen. Jede Krise hat in irgendeiner Form meist mit Lebensmitteln zu tun und stärkt daher die Landwirtschaft», betont dieser ein weiteres Mal.