Vier Kinder schauen mit verdutztem Blick zum Spielzeugstand, der mitten im Dorf an der Strasse vor dem Gemeindehaus steht. «Isch Chilbi?», fragt sich da mancher, der mit dem Auto vorbeifährt. Othmar Rüttimann kommt aus Arbon TG, ist 64 Jahre alt und seit 24 Jahren Marktfahrer. Er steht mit seinem «Wundertrüggli», wie er seinen Verkaufsstand nennt, seit Ende November an den Wochenenden an der Dorfstrasse in Bütschwil SG.

Finanzielles Loch schmerzt 

Wegen der Corona-Pandemie hatte er dieses Jahr nur zwölf Markttage. Sechs davon stand er mutterseelenallein an der Strasse im Toggenburg. «Ich vermisse die Märkte und den Kontakt mit Freunden und Kunden», sagt Rüttimann. In normalen Jahren steht Rüttimann über 160 Tage an Märkten. Das finanzielle Loch schmerzt. Deshalb stellt er seinen Verkaufswagen an den Dezemberwochenenden auf eigene Faust auf: «So mache ich wenigstens ein bisschen Umsatz».

Spielzeug mit Sinn

Othmar Rüttimann hat nur Spielzeuge im Sortiment: Spielwürfel, Plüschtiere, Hama-Bügelperlen und Geschicklichkeitsspiele. Sein Herz schlägt aber für Modellspielzeuge. Sattelschlepper, Bagger und Feuerwehrautos stehen da. Traktoren jeder Marke, mit allen möglichen Gerätschaften. Kreisel, Zetter, Mischer, Ladewagen oder Güllefass: Alles findet man auf Rüttimanns Verkaufsfläche. «Die jungen Landmaschinenfans wissen genau, was neu auf den Markt gekommen ist», erzählt Rüttimann.

Onlinehandel kein Thema

Nur Plastik-Autos sucht man hier vergeblich. Auch «Kügelipistolen» verkauft er keine. «Spielwaren müssen einen Sinn machen und am Abend muss ich meinen Seelenfrieden haben», sagt Othmar Rüttimann. Viele Detailhändler haben ihre Ware in der Krise über das Internet verkauft. Für den Marktfahrer keine Option. Da sei der Preisdruck viel zu hoch und der Aufwand zu gross.

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Er nimmt ein Modell eines Fendt 828 Vario aus der Verpackung. «Das ist ein Premium-Modell. 115 Franken. Wer ein solches Traktor-Modell kauft, der will auch beraten sein.»

«Eine Nullrechnung»

Das Weihnachtsgeschäft läuft nicht besonders. In den sechs Tagen an der Strasse hat Othmar Rüttimann rund 1000 Franken Umsatz gemacht. «Eine Nullrechnung», sagt er. Dafür gibt es schöne Erinnerungen. «Eine Frau und ihr Sohn erkannten mich vom Jahrmarkt im Nachbardorf und kauften gerade für 100 Franken ein.» Eine andere Frau suchte nach einem ganz bestimmten Modell für ein Geschenk zu Weihnachten. «Ich habe ihr das Modell bei meinem Freund besorgen können und es beim Dorfbeck deponiert. Da konnte sie es abholen», erzählt Rüttimann.

Plötzlich steht die Polizei auf Platz

Für den Marktfahrer begann der Verkauf an der Strasse mit einem Schrecken. Just am ersten Tag kam die Polizei und verwarnte ihn. Der Marktfahrer ­hatte keine Bescheinigung, reisender Gewerbler zu sein. «Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt», sagt er.

Er musste erst ein entsprechendes Papier für 250 Franken erwerben. Ein Spezialfall, weil Rüttimann nicht an einem Markt, sondern auf öffentlichem Grund seine Spielwaren verkauft. «Eigentlich ein Hausiererpatent», witzelt Rüttimann.

Keine Pension für Fahrer

Damit er über die Runden kommt, arbeitet Othmar Rüttimann wochentags als Kurier für Bäckereien. In vierzehn Tagen wird er 65 Jahre alt und pensioniert. «Ein Marktfahrer geht nicht einfach in Pension», sagt Rüttimann. Sobald die Pandemie vorbei ist, geht er wieder auf die Märkte. «Und wenn dies die Situation nicht zulässt, stehe ich weiter an die Strasse.»