Obwohl sie bereits vor über 50 Jahren starb, hat das Wirken von Maria Müller-Bigler (1894–1969) nichts an Aktualität verloren. Heute wäre sie vielleicht ein Teil der Klimabewegung, Aktivistin gegen Food Waste, hätte ein Projekt rund um die Solidarische Landwirtschaft am Laufen, wäre wahrscheinlich der veganen Kost nicht abgeneigt, hätte sicher an vorderster Front am Frauenstreik mitgemacht und würde sich für die soziale Absicherung der Bäuerinnen einsetzen.

 

Internationaler Tag der Landfrau

Am 15. Oktober ist der internationale Tag der Landfrau. Die Lancierung des Buchs von Maria Müller-Bigler hätte vom Timing her nicht besser sein können. Am 15. Oktober hätte ebenfalls der Tag der Bäuerin an der OLMA stattfinden sollen, leider musste er Corona-beding abgesagt werden

Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) und Swissaid nahmen den internationalen Tag der Landfrau zum Anlass, in der Woche vom 12. bis 16. Oktober, Bäuerinnen aus der Schweiz und dem globalen Süden zu Wort kommen zu lassen und unter dem Titel: «Ich trete aus dem Schatten», ihre soziale Absicherung  zu thematisieren. Gestartet wurde die Aktionswoche mit einer gratis Hotline, bei der man sich von Anwaltspersonen über die soziale Absicherung und Entlöhnung beraten lassen konnte.

Mehr Informationen zum Projekt «Ich trete aus dem Schatten» findet man auf der Facebookseite des SBLV.

Auch der Gastkommentar von Markus Ming bringt die ungenügende soziale Absicherung der Bäuerin auf den Punkt. 

Durch die Mutter geprägt

Maria Müller-Bigler war in vieler Hinsicht ihrer Zeit voraus, leider stand sie zeitlebens im Schatten ihres Mannes, Dr. Hans Müller. Das lag an der sehr patriarchal geprägten Zeit, in der sie lebte. Mittels eines Buches wird ihr Wirken nun gewürdigt (siehe Kasten).

Maria Müller-Bigler hatte eine sehr mütterliche und sorgende Art, und sie war gläubig. Als Älteste von sieben Kindern und mit einer ständig überarbeiteten Bäuerin als Mutter, übernahm sie schon bald die Rolle derjenigen, welche die Familie zusammenhielt und den Haushalt erledigte. Das Erlebte bewegte sie «häuslicher Vergiftung und Überlastung eine grosse Seele gegenüberzustellen».

Mit der Gründung der Hausmutterschule auf dem Möschberg BE legte sie 1932 den Grundstein, dass Frauen eine fundierte Ausbildung bekamen und sich eine eigene Meinung bilden konnten. In einem von ihr verfassten Artikel schrieb sie dazu: «Wer (...) einen gesunden Bauernstand erhalten will, der muss alles tun, was das Los seiner Frau erleichtern und ihren kulturellen Aufstieg ermöglichen kann.»

 

Ein Buch zur Erinnerung

Das Bioforum Schweiz nahm letztes Jahr, auf Initiative von Autorin Diana Bach, Maria Müller-Biglers 50. Todestag zum Anlass, ein Buch über sie zu herauszugeben. Letzten Samstag wurde das Buch im Beisein von Zeitzeuginnen und -zeugen sowie des Autorenteams an einer Vernissage auf dem Möschberg gefreiert.

Das Buch soll an die starke Frau erinnern, der es um ein ganzheitliches Verständnis der Gesundheit ging. Dieses bestand nicht nur aus  einer gesundenn neuzeitlichen Ernährung, die Vollkornprodukte und Rohkost im Speiseplan integrierte. Vielmehr interessierte sie, wie Pflanzen, Tiere und Menschen miteinander und untereinander vernetzt waren. Sie war der Meinung, dass nur ein gesunder Boden und Menschen, denen es körperlich und geistig gut geht, gesunde Nahrung hervorbringen können.

Mehr Informationen

Diana Bach, Werner Scheidegger, «Die weiblichen Wurzeln des Bio-Landbaus», ergänzt mit Beiträgen von Christine Bühler und Veronika Bennholdt Thomsen, Herausgeberin Bioforum Schweiz, 136 Seiten, Fr. 26.–, bestellbar: www.bioforumschweiz.ch

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Buchcover (Bild et)

Erheblicher Einfluss

In den 30er-Jahren brauchten Frauen für vieles das Einverständnis ihrer Ehemänner, so kam es, dass offiziell Hans Müller der Hausmutterschule vorstand. Maria Müller-Bigler wurde mit Frau Doktor angesprochen. Der Titel des Mannes übertrug sich damals auch auf die Ehefrau. Sie soll jedoch einmal erklärt haben, sie würde sich nicht so ansprechen lassen, wenn sie nicht die Hälfte zur Dissertation ihres Mannes beigetragen hätte.

Dies zeigt auf, wie gross ihr Einfluss auf ihren Mann war und wer bei Müllers die Hosen anhatte, was aber gegen aussen nicht gezeigt wurde. Auch bei anderen Projekten ihres Mannes war sie massgebend mitbeteiligt. So bestimmte sie aus dem Hintergrund heraus die Politik, als Hans Müller im Nationalrat sass. Oder sie riet ihm zur Gründung der AVG, der heutigen Terraviva, die den ersten Gemüseversand per Post und erst noch in Bioqualität lancierte.

Forschungslabor Garten

Als gelernte Gärtnerin und Bauerntochter setzte sie, zuerst im eigenen, später im Schulgarten, alles was sie über Biolandbau finden und lesen konnte, in die Praxis um und entwickelte es zur organisch-biologischen Methode weiter. Sie stellte sicher, dass nur erprobtes Wissen an Bäuerinnen und Bauern weiterging. In einfache, verständliche Worte übersetzte sie die Texte aus der Forschung. Diese wurden unter anderem als Vorträge oder Artikel im Namen ihres Mannes in die Welt hinausgetragen.

Erst nach ihrem Tod wurde sich vor allem die jüngere Generation von Biobauern bewusst, dass der Nachschub an Fachwissen ausblieb. Immer deutlicher wurde es, dass Maria Müller-Bigler die treibende Kraft und die Seele der organisch-biologischen Bewegung gewesen war.

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(Video zVg/Thomas Alföldi, FiBL)