Der Wegerich wächst unscheinbar, meist unbeachtet in Wiesen oder an Wegrändern. Er darf auch den würdigen Titel «König der Wegränder» tragen, standen doch früher die Worte «wega» für Weg und «rih» für König. Sein botanischer Name Plantago lanceolata kommt von planta (latein = Fusssohle), weil er als Trittpflanze dort gedeiht, wo der Boden durch Fussspuren oder Wagenräder verdichtet wurde.
Der Spitz- und Breitwegerich hat eine schlaue Taktik, um sich zu verbreiten: Der Samen haftet sich im feuchten Zustand an die Sohlen von Menschen und Tieren und auch an Wagenräder. So wurde die Pflanze von Europa und Asien in die Welt hinaus verschleppt. Die Indianer Nordamerikas interpretierten das Vorkommen des Wegerichs daher zu recht als Hinweis dafür, dass der «weisse Mann» schon da war und gaben dem Gewächs den Namen «Fussstapfen des weissen Mannes».
Magische Kräfte
Einst galt der Spitzwegerich gar als Wundheilmittel. In der Antike wurden ihm magische Kräfte nachgesagt und der griechische Arzt Dioskurides empfahl ihn bei Fieber, wobei die Wurzeln des Spitzwegerichs in Wasser und Wein gekocht wurden.
Auch in der heutigen Zeit wird er von Kräuterkennern gelobt. «Wie mit Goldfäden näht der Spitzwegerich den klaffenden Riss zu», schreibt etwa Sebastian Kneipp.
[IMG 2]
Ein natürliches Antibiotikum
Die frische Pflanze hemmt das Bakterienwachstum in einer Intensität, die sogar mit Penicillin verglichen werden kann. Im Zweiten Weltkrieg therapierten Ärzte infizierte Wunden mangels Antibiotika mit Zubereitungen aus Spitzwegerich. Auch Pfarrer Künzle schwärmte vom Verband mit Spitzwegerich und meinte: «Der erste und manchmal beste Notverband».
Die Kieselsäuren in der Pflanze festigen das Bindegewebe, und steigern die Abwehr. Zink unterstützt die Wundheilung und die Gerbstoffe der Pflanze dämmen mit ihren zusammenziehenden Eigenschaften Entzündungen ein. Die frische Pflanze enthält zudem die Substanz Aucubin und schützt sich damit selbst vor Befall mit Krankheitserregern. Aucubin wirkt auch auf uns wie ein natürliches Antibiotikum.
Der Spitzwegerich wirkt mit seinen Inhaltsstoffen vor allem auch bei Lungen- und Bronchialleiden. Er ist ein ideales Mittel bei Reizhusten – gerade auch für Kinder – denn es sind bei der Anwendung weder Nebenwirkungen noch Wechselwirkungen beobachtet worden. Hierfür eignet sich auch der Erdkammersirup. Lässt man den Sirup langsam im Mund zergehen, bringt er zudem Linderung bei Heiserkeit und Halskratzen.
Tee mit Kaltwasseraufguss
Zum Konservieren können die Blätter auch getrocknet werden. Aber Achtung, die frisch geernteten Blätter nicht zu langsam trocknen lassen oder die getrockneten Blätter nicht feucht lagern. Sonst verfärben sie sich dunkelbraun und ihre Wirkung ist abgeschwächt. Der Wirkstoff Aucubin reagiert sehr empfindlich, es kommt zu einem Verlust der antibakteriellen Wirkung. Bei Entzündungen und Reizungen im Mund-, Hals und Rachenraum sorgt ein Tee für gute Heilung. Da die Schleimstoffe wirken sollen, muss dieser als Kaltauszug stets Tasse für Tasse frisch zubereitet werden: Zwei Teelöffel getrockneter Spitzwegerich mit 150 ml kaltem Wasser übergiessen. Zwei Stunden ziehen lassen, dann in kleinen Schlucken trinken.[IMG 3]
Notfallpflaster für unterwegs
Ist man ohne Reiseapotheke in der Natur unterwegs, hilft Spitzwegerich bei Schnittverletzung, Insektenstich oder auch Brennnesselquaddeln als Erste-Hilfe-Mittel. Dazu ein frisches und sauberes Blatt pflücken, so fest zerreiben bis Saft austritt und dann auf die betroffene Stelle tupfen. Der austretende Saft wirkt blutstillend, juckreizlindernd, schmerzlindernd und die Schwellungen gehen zurück. Statt zerreiben kann man das Blatt auch einspeicheln und dann auf die Wunde legen.
Junge Spitzwegerichblätter können vom Frühling bis September für Salate, Suppen, in Quarksaucen oder Quiches verwendet werden. Alte Blätter schmecken zäh. Schmackhaft sind auch die jungen, farblich noch ganz dunklen Blütenknospen. Roh oder in Butter gedünstet, ähnelt ihr Geschmack einem Champignon. Auch die Samen sind eine Delikatesse, vor allem als Gewürz.
Im Garten den Spitzwegerich, wenn möglich, stehen lassen, so erfreuen sich in der kalten Jahreszeit viele Insekten und Vögel an den nahrhaften Samen.