«Guten Morgen liebe Youtube-Freunde, was macht der Bauer Housi heute?» Das Sätzlein ist schon fast Kult. Kein Wunder, Hans Bracher aus Ersigen BE hat schon über 3600 Videos auf dem Tacho. Besser bekannt ist er den meisten als Bauer Housi. Er war einer der ersten Agrar-Influencer, wahrscheinlich der erste in der Schweiz.
Alltagsärger ungeschminkt
Und was sieht man denn auf diesen Videos? Kurz zusammengefasst, das, was Housi so tut. Es kann sein, dass wir am Sonntagmorgen beim Kaffee dabei sein dürfen oder dass wir auf dem Traktor mitfahren, wenn er pflügt. Bei unserem Besuch beispielsweise muss er zunächst Gerätschaften ab- und anhängen und dann Dünger hervorholen. Die benötigte NPK-Kombination ist natürlich im hintersten Big Bag, den er dann noch hervorholen muss.
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Das tönt nach einer Bagatelle, ist aber im Fall von Bauer Housi eine zentrale Szene. Denn solchen Alltagsärger kennt jeder Bauer, deshalb ist er wohl beruhigt, dass auch der Housi nicht verschont bleibt. Der baut keine Fassade auf, sondern zeigt ungefiltert, was auf seinem Betrieb läuft. Auch wenn es weniger erfreulich ist.
Support von den Fans
Ein Beispiel dafür ist sein meistgeschautes Video mit über einer halben Million Klicks: Im Januar 2020 war Housi am Holz «schleipfen» mit der fernbedienten Seilwinde. Statt auf den Traktor, schaute er auf die Tanne, ein Moment Unaufmerksamkeit und der Fendt lag auf der Seite.
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Zunächst musste Housi in den Traktor steigen, um diesen so schnell wie möglich abzustellen und so einen Ölschaden am Motor zu verhindern. Dann zückt er das Handy. «Wieder mal was, das man fast nicht zeigen darf. Der Bauer Housi ist selber schuld», lautete sein ungeschminkter Kommentar im Video. Die Kommentare darunter zeugen von der Nähe, die seine Fans unterdessen zu Housi entwickelt haben. «Mach dir nicht so einen Kopf, Fehler passieren», lautete eine der typischen Bemerkungen eines deutschen Fans. Auch das nicht untypisch, den rund die Hälfte der Besucher auf Housis Kanal stammen aus Deutschland. Deshalb kommentiert er seine Aktivitäten mit einem charmanten Mix aus Hochsprache und Dialekt.
Angefangen hat Housi vor13 Jahren, damals noch mit einer Kamera mit drehbarem Objektiv, wie er sich amüsiert erinnert. Unterdessen arbeitet er nur noch mit dem Telefon. «Inzwischen filme ich fast automatisch», berichtet er. Sogar wenn das Adrenalin hoch geht, wie im Film, wo ihm der Hoflader kippte und er nur mit Glück nicht darunter geriet. Süchtig sei er aber nicht, beteuert der rustikale Youtuber.
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Finanziell schaut wenig raus
Aber was motiviert den Bauer Housi, täglich diesen Aufwand von mindestens einer Stunde Dreharbeiten und Verarbeitung auf sich zu nehmen, ist es gar ein eigener Betriebszweig? Er winkt lachend ab, die ganze Sache bringe ihm jährlich lediglich ein paar Hundert Franken Werbegeld ein. «Ich mache die Videos auch zu meiner Freude und für meine Erinnerung», sagt Housi. Die Filme aus früheren Jahren dienten ihm dabei als Tagebuch und Gedächtnisstütze zugleich. Jeden Morgen um 9 Uhr folgt Nachschub, dann wenn die Bauern zum Kafi gehen, sagt der IP-Produzent, während wir selber beim Kaffee sitzen.
Punktuell beim Gespräch dabei ist auch seine Frau Anne. Sie schaue die Filme nicht, sagt sie, «da ist er in seiner eigenen Welt». Und betont, dass sie kein grosses Interesse verspürt, in diesen Filmen aufzutreten, auch wenn es sich manchmal nicht ganz verhindern lässt.
Ähnlich geht es auch Housis drei Kindern und Mutter Burgi, die ebenfalls auf dem Betrieb wohnt und kurz auf einen Schwatz vorbeischaut. Immerhin eine treue Begleitern hat Housi bei den Dreharbeiten: Seine Berner Sennenhündin Numa kommt in fast jedem Streifen vor und hat keinerlei Hemmungen im Rampenlicht zu stehen.
Von Rampenlicht zu sprechen, ist allerdings etwas übertrieben. Housi dreht seine Filme mit einfachsten Mitteln, nämlich seinem Handy, ohne Leuchten oder Mikrofon, direkt und ungefiltert. So hat er angefangen und so will er dies auch weiterhin handhaben.
«Ich bin glücklich»
Ob ein Video erfolgreich werde sei eher zufällig, sagt er, und checkt kurz seine Zahlen. Da führt er nicht gross Buch, aber die Zahlen schaut er schon an. Am letzten Sonntag habe er kurz Besuch gehabt von zwei Fans, ein 14- und ein 16-Jähriger sind mit dem 30er-Autöli eigens aus dem Baselländischen angereist. Und das sind noch nicht die jüngsten Follower. Es gebe Kinder, die ihren Eltern mitteilen, dass sie nun Bauer Housi schauen wollten, sagt der 65-Jährige amüsiert.
Das Pensionsalter werde ihn keineswegs dran hindern, weiter zu filmen, sagt Housi. Er hat den Betrieb kürzlich an seinen Sohn Simon übergeben, der in Bern wohnt und im Seeland als Gemüseeinkäufer für die Fenaco tätig ist. Der Apéro vor dem Haus zur Betriebsübergabe war selbstverständlich Stoff für ein weiteres Video. «Ich bin glücklich, liebe Youtube-Freunde», so das Fazit von Housi, die Stimme untermalt von dramatischer Musik, «es ist ein historischer Tag für mich».
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Betriebsspiegel Bracher, Ersigen
Name: Hans und Anne Bracher, Betriebsleiter und Eigentümer ist seit Anfang Jahr Sohn Simon
Ort: Ersigen BE
Arbeitskräfte: Betriebsleiter, Eltern, ein Angestellter
LN: 27 ha Eigentum, 50 a Pachtland
Kulturen: 6,7 ha Weizen, 4,5 ha Kartoffeln, 2 ha Braugerste, 2 ha Zuckerrüben, 1,2 ha Raps, 1 ha Zwiebeln, 1,5 ha Mais, 1 ha Kürbis
Viehbestand: Zehn Galloway-Mutterkühe mit Nachzucht
Diverses: Gästebewirtung, «Keller-Bar», Wärmeverbund, Blumenfeld an der Landstrasse (30 a)
Webseite: www.brachers.ch