Noch spielen Auslobungen wie ökologisch, Bio, nachhaltig oder klimaneutral im Weinhandel und bei Weinkonsumentinnen und -konsumenten eine eher untergeordnete Rolle. Das widerspiegelt sich auch in den Anbauflächen. Im Jahr 2019 wurde laut Bio Suisse gesamtschweizerisch auf einer Fläche von 1400 Hektaren Weinbau nach den Bio-Richtlinien betrieben. Das entspricht einem Anteil von 10 Prozent. In diesem Jahr dürften laut Bio Suisse in der Romandie grössere Umstellflächen hinzugekommen sein. Und der Kanton Graubünden hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil der nach Bio-Richtlinien bewirtschafteten Rebflächen bis ins Jahr 2025 auf 60 bis 70 Prozent zu erhöhen. In den Kantonen Schaffhausen, Thurgau und Zürich ist der Anteil der nach Bio-Richtlinien bewirtschafteten Rebflächen vergleichsweise tief.
Thema zieht weitere Kreise
Die Themen «Wein» und «Weinbau» stehen in den aktuell hitzig geführten Diskussionen um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zwar nicht im Vordergrund. Aber diese Diskussionen und die damit verbundene Verschiebung von Werten in der öffentlichen Meinung werden auch den Weinbau und den Weinhandel erreichen – und dies unabhängig vom Ausgang der Trinkwasser- und der Pestizidverbots-Initiative, über die im kommenden Jahr abgestimmt wird. Diese Überlegung ist – neben den gegenwärtig übervollen Weinkellern – einer der Gründe, der dazu geführt hat, dass die Fachstelle Rebbau Schaffhausen-Thurgau-Zürich den Entwicklungsprozess «Grüner Rebbau» angestossen hat.
Vieles wird bereits geleistet
Bei diesem Prozess geht es nicht prioritär darum, im Weinbau eine Biowelle auszulösen. Markus Leumann, der Co-Leiter der Fachstelle Rebbau, formuliert es so: «Wir wollen einen grünen Teppich für den Weinbau auslegen. Wir wollen in Bereichen wie Ökologie, Pflanzenschutz, Biodiversität, Ressourceneffizienz und Klimaneutralität einen Schritt weiterkommen.» Leumann legt dabei Wert auf die Feststellung, dass in diesen Bereichen bereits heute schon viel getan wird. Er weist darauf hin, dass viele Weinbauern sich an Biodiversitätsfördermassnahmen, Ressourceneffizienzprogrammen oder an Landschaftsqualitätsprojekten beteiligten. Auch darauf, dass viele Weinbaugebiete Bestandteil von Vernetzungsprojekten sind. In diesem Rahmen wurden etwa Blühstreifen angelegt oder Nistmöglichkeiten für Vögel geschaffen. Leumann bedauert es allerdings, dass diese Bemühungen im Weinbau nicht ausgelobt werden können. «Leider finden sich bis heute auf den allermeisten Weinflaschen kaum Informationen, was in diesen Bereichen bereits alles geleistet wird.»
Andere haben übernommen
Mit Blick auf den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln weist Markus Leumann darauf hin, dass viele Winzer in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen haben, um dessen Einsatz zu reduzieren. Weitere Reduktionen dürften möglich sein, was aber nicht von heute auf morgen gehe. Am weitesten fortgeschritten sind diese Möglichkeiten im Bereich des Herbizideinsatzes. In einem geschichtlichen Exkurs legt der Co-Leiter der Fachstelle Rebbau dar, dass Forschungen zur Begrünung im Unterstock-bereich bereits vor 40 Jahren am Agroscope-Standort in Wädens-wil ihren Anfang nahmen. Bereits damals wurden auch spezialisierte Hackgeräte in der Art, wie sie heute im Rebbau wieder eingesetzt werden, entwickelt. Die Weiterentwicklung dieser Techniken sei dann aber anderen überlassen worden.
Auch im Bereich des Einsatzes von Insektiziden sind heute Alternativen zu synthetischen Mitteln bekannt. Markus Leumann verweist auf die Bekämpfung des Traubenwicklers mit dem Mittel der Verwirrungstechnik. Und auch bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege konnten – zumindest im Weinbau – mit dem Einsatz von Kaolin und der Einnetzung des Traubenbereichs grosse Fortschritte erzielt werden.
Nachhaltigkeit ist ein Forschungsschwerpunkt
Sieghard Vaja begrüsst die Stossrichtung des Projekts und unterstützt es. Vaja ist der Geschäftsführer des Weinbauzentrums Wädenswil. Dieses führt an diesem Standort zusammen mit Agroscope und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Forschungsprogramme durch. Die Förderung der Nachhaltigkeit im Rebbau ist auch einer der Forschungsschwerpunkte des Weinbauzentrums. Dazu gehört etwa die Sortenprüfung von multiresistenten Trauben, die mit weniger Pflanzenschutzmittel auskommen.
Für Vaja ist im Rebbau der Bio-Ansatz ein Teil der Lösung. Allerdings hätte der Bio-Ansatz bei einer Annahme der Trinkwasser-Initiative grössere Probleme, weil Kupfer und Schwefel nicht mehr als Pflanzenschutzmittel zugelassen würden, sagt Vaja.Unter dem Label «Dreistand» vermarktet das Weinbauzentrum zudem eine eigene Weinlinie. Zu dieser gehören auch Piwi-Sorten wie Divona und Divico und Souvignier Gris.
Ziel dabei ist laut Vaja, Piwi-Sorten in die Flasche zu bringen und diese als geschmacklich neue und attraktive Weine bekannt zu machen, die zudem auf eine nachhaltige Weise produziert werden. Somit könne man den Winzern auch als Beispiel dienen und deren Fragen zur Akzeptanz neuer Sorten klären, sagt Vaja.
Schwieriger Verzicht
Am schwierigsten gestaltet sich der Verzicht auf synthetische Fungizide – zumal der biologische Anbau da nicht mit wirklich überzeugenden Alternativen aufwarten kann. Der Einsatz von Kupfer und Schwefel gegen Pilzkrankheiten bedeutet auch eine Belastung der Böden. Aber auch Nützlinge im Obstbau und Rebbau wie etwa die Raubmilbe reagieren sehr empfindlich auf schwefelhaltige Präparate. Dennoch soll der Bioanbau im Entwicklungsprozess Grüner Rebbau nicht aussen vor gelassen werden. Aus diesem Produktionssystem sollen primär Erfahrungen aus dem regenerativen Anbau in das Projekt einfliessen.
Die am Entwicklungsprozess Grüner Rebbau beteiligten Beratungsstellen BBZ Arenenberg, Strickhof und das Landwirtschaftsamt Schaffhausen sehen in der heutigen Ausgangslage ein grosses Potenzial in der Förderung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Die grosse Herausforderung besteht dabei auch darin, solche Sorten zu entwickeln, die auch vom Geschmack her beim Publikum ankommen. Im Falle der weissen Sorten ist dies bisher besser gelungen als bei den roten.
Noch in den Kinderschuhen
Noch steht das Entwicklungsprojekt «Grüner Rebbau» in den Kinderschuhen. Es wurde aber bereits an verschiedenen Versammlungen in den drei beteiligten Kantonen vorgestellt. Damit der Entwicklungsprozess erfolgreich starten kann, müssen neben Winzern auch Verarbeiter und der Handel ins Boot geholt werden.
«Das Verständnis für unsere Anliegen ist am Wachsen», sagt Markus Leumann, Co-Leiter der Fachstelle Rebbau Schaffhausen-Thurgau-Zürich.
Vergangene Woche hat erstmals eine Spurgruppe dieses Projekts virtuell getagt. Im Endausbau sollen dieser maximal zwölf Personen angehören. In der Spurgruppe sind Vertreter der Weinbauern, des Handels, der Kellereien und der Selbstkelterer aus den drei Kantonen Schaffhausen, Thurgau und Zürich vertreten. Auch der Hallauer Rebschulist Martin Auer gehört dazu. Er verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz mit Piwi-Sorten.
Den Mehrwert ausloben
Eine fünfköpfige Kerngruppe innerhalb dieser Spurgruppe ist operativ tätig. Sie ist gegenwärtig daran, ein Gesuch für eine Unterstützung des Entwicklungsprozesses beim Bundesamt für Landwirtschaft auszuarbeiten Das Ziel des Entwicklungsprojekts Grüner Rebbau besteht nicht darin, ein neues Label für nachhaltig produzierte Weine zu kreieren. Das Ziel besteht vielmehr darin, dass über ein bestehendes Label der Mehrwert von nachhaltig produzierten Weinen ausgelobt würde. Nicht zuletzt ist dies natürlich auch mit dem Ziel verbunden, dass für Produzenten, die nach den Richtlinien eines Grünen Rebbaus arbeiten, ein Mehrerlös resultieren könnte.
Wissen unter die Leute bringen
«Der Pflanzenschutz hat sich im Bereich der Spezialkulturen stetig weiterentwickelt.» Das sagt David Szalatnay, der Bereichsleiter Spezialkulturen beim Strickhof. Dabei seien auch im kommerziellen Anbau zunehmend Methoden des Biolandbaus übernommen worden. Als Beispiel nennt Szalatnay etwa die Verwirrungstechnik. Diese Dynamik sei richtig und es sei wichtig, dass man solche Leistungen in Sachen Nachhaltigkeit auch ausweisen könne.
Im Weinbau sei die Umstellung auf Bio schwierig, sagt Szalatnay. Das liege auch daran, dass die Konsumenten den Wein als Sorte kaufen. Sie würden etwa einen Blauburgunder trotz seiner Anfälligkeit auf Pilzkrankheiten gegenüber einer robusteren Sorte wie Divico bevorzugen. Die Piwi-Sorten seien auch noch kaum bekannt. Szalatnay stellt aber auch fest, dass bei Neupflanzungen zunehmend auch Piwi-Sorten zum Zuge kommen. Weil es sich bei Rebstöcken um Dauerkulturen handelt, vollzieht sich ein solcher Wechsel nur langsam.
Die Rolle der landwirtschaftlichen Beratung auf dem Weg zu einem Grünen Rebbau sieht Szalatnay darin, die Bewirtschafter bei einer Umstellung zu begleiten. Es gelte, das bestehende Wissen abzuholen und unter die Leute zu bringen. Eine weitere Aufgabe bestehe darin, Daten zu sammeln und auszuwerten und allenfalls mit eigenen Versuchsreihen wichtige Daten zu generieren.