Seit der Gründung des Blauburgunderland als Branchenorganisation für den Schaffhauser Weinbau sind nun 18 Jahre vergangen. Die Spitze des Branchenverbandes hat den Unternehmensberater Johannes Ermatinger beauftragt, eine Auslegeordnung vorzunehmen und konkrete Vorschläge zur Entwicklung der Strategie «Blauburgunderland, Strategie 2.0» zu unterbreiten.

Die Strategie 1.0 hat viel Positives gebracht: Die Qualität der Weine konnte erhöht werden. Es konnte eine funktionierende Organisation aufgebaut werden. Schaffhauser Weinerlebnisse werden vermarktet. Dank der Zusammenarbeit mit Schaffhausen Tourismus konnten zudem Synergien genutzt werden. Diese Zusammenarbeit sicherte eine solide Finanzierung.

Der Pioniergeist ist verflogen

In seiner Auslegeordnung bezeichnete Johannes Ermatinger die Ausgangslage als kompliziert. Die Kommunikation erfolge nicht reibungslos. Und bei den beiden Partnern der Weinbranche, dem Weinbauverband und den Einkellerern,  handle es sich quasi um zwei Welten. Ermatinger sprach von einem verflogenen Pioniergeist und einem schrumpfenden Miteinander.

Das Blauburgunderland habe sich ausserkantonal nicht etablieren können. Die gemeinsamen Auftritte nach aussen seien verbesserungswürdig. Zudem gebe es auch einzelne Projekte, welche zu wenig erfolgreich sind. Ebenfalls als negativ beurteilt Ermatiger die knappen Ressourcen bei einem starren Budget und die schwierige Rekrutierung neuer Exponenten sowie die fehlende Erfolgsmessung.

Neue Herausforderung

Zudem wird das Blauburgunderland mit zentralen Herausforderungen konfrontiert. So belasten der sukzessive rückläufige Weinkonsum, gepaart mit einer Preiserosion sowie Überkapazitäten in der Produktion, die Branche. Weitere Schwachpunkte machte Ermatinger in der teilweise defizitären Produktion und den schwankenden Ernten aus. Ausserdem kenne man im Ausland das Blauburgunderland nur schlecht, was den Weinexport hemmt.

Ermatinger thematisierte auch «eine gewisse  Dominanz einzelner Grossabnehmer» bei einer Zersplitterung der Produzenten: «Man stellt hohe Erwartungen an die Organisation bei beschränkten  personellen und finanziellen Kapazitäten. Das führt zu einem Frust.»

Anbaufläche soll kleiner werden

Am Beispiel der Ernte 2018 legte Johanes Ermatinger dar, dass zwischen der offiziellen Registrierung der Weine und der Realität Welten liegen. Gemäss Registrierung wurden 93 Prozent aller Trauben als AOC-Qualität klassiert, nur gerade 7 Prozent wurden von Beginn weg als Landwein eingestuft.

In Realität hat der Handel aber nur gerade etwa 3 Prozent der Trauben zu guten Preisen übernommen. Weitere 23 Prozent hat der Handel zu einem Preis von rund 3.80 Franken pro Kilogramm, 68 Prozent zu einem Preis deutlich darunter übernommen. Er­matinger sprach von einem registrierten Traubenwert von 16,8 Millionen Franken, für den in Realität aber nur 14,2 Millionen Franken gelöst wurden.

Aus der Ernte 2018 resultiert wie aus jener im Jahr 2019 ein Überhang von rund 20 Prozent Wein. Das entspricht einer Anbaufläche von 80 bis 100 Hektaren. Und bei der ­Anbaufläche sieht Ermatinger Handlungsbedarf, um wieder ein Gleichgewicht zu erreichen.

 

Flächenreduktion wird zur Knacknuss

Mehrmals wurde an der Tagung in Schleitheim die Marktsättigung genannt, die zu einem Überhang an Schaffhauser Wein geführt hat. Die dabei ins Spiel gebrachte Marktbereinigung über eine Flächenreduktion wird sich aber als Knacknuss erweisen.

Aufgrund der schwierigen Marktverhältnisse empfiehlt es sich, Überlegungen anzustellen,  Rebbestände, die über 36 Jahre alt sind, als Beitrag zur Marktentlastung zu roden. In zwei bis drei Jahren kann nach einem Sortenentscheid eine Neupflanzung wieder in Betracht gezogen werden. So sieht eine Möglichkeit aus, die Rebbaukommissär Markus Leumann ins Spiel brachte.

Unterschiedliche Betriebsstrukturen, ungleiche Marktverhältnisse und Absatzmöglichkeiten lassen keine einfachen Lösungen zu. Es wird wohl erst dann gerodet und damit die Ertragsfläche reduziert, wenn es keinen wirtschaftlich tragbaren Absatz für Trauben aus einzelnen Parzellen gibt. 

 

Lösungsansätze sieht der Experte in Rodungsprämien oder in einer strengeren Mengenregulierung. Eine weitere Option besteht für Ermatinger darin, nach Alternativen entlang der strategischen Markenarchitektur zu suchen –  etwa über neue Sorten, eine andere Segmentierung am Markt oder mit der Förderung der Biodiversität. Man könne auch einfach nichts tun und warten und die Bereinigung dem Markt überlassen. «Das ist die schlechteste Option, da sie nur Verlierer verursacht», so Ermatingers Analyse.

Es braucht eine neue Markenarchitektur

Er sieht aber auch ein grosses Entwicklungspotenzial. Es gelte, die Vision, die Mission und die strategischen Ziele zu aktualisieren. Der Aspekt «Biodiversität» könne dem Erlebniskanton eine überregionale Strahlkraft verleihen. Es sei eine neue Markenarchitektur anzustreben. Diese ist pyramidenförmig in drei Stufen mit klaren Kriterien nach Ertrag und Lagerung zu gliedern:

  • Zuunterst der Landwein
  • Darüber AOC-Weine mit der Bezeichnung Schaffhausen plus Ortsnamen
  • An der Spitze der Pyramide die Grand Cru-Weine

Um das Blauburgunderland für die Zukunft fit zu machen empfiehlt er, die Branche als Ganzes umzubauen und die Organisationsstrukturen schlanker und effizienter zu gestalten.

Im weiteren Vorgehen werden vier strategische Handlungsfelder bearbeitet. So wird zügig eine Reorganisation der Branche auf allen Stufen angestrebt. Dabei müssen Gremien und Ausschüsse gebildet und personell besetzt werden.

Ein grosses Potenzial sehen die Verantwortlichen in der Weiterentwicklung der Biodi­versität und der Produkt- und Marktstrategie. Es gelte, eine neue Segmentierung zu entwickeln. «Als letztes ist eine Marktbearbeitung umzusetzen und diese zusammen mit der Produkt- und Marketingstrategie nach aussen zu kommunizieren», so Ermatinger.