Nächste Woche entscheidet die Landwirtschaftskammer des Schweizer Bauernverbands über das CO2-Gesetz. Im Vorfeld haben wir mit Befürworterin Priska Wismer und Gegner Marcel Dettling ein Streitgespräch geführt.
Priska Wismer, was passiert aus Sicht der Landwirtschaft, wenn wir am 13. Juni das CO2-Gesetz ablehnen?
Priska Wismer-Felder: Mehre Sachen, erstens verpassen wir eine Chance, zweitens steht die Glaubwürdigkeit des Bauernstands auf dem Spiel. Wenn wir zum diesem Gesetz Nein sagen, erhalten wir den Ruf, dass wir überhaupt nichts machen wollen gegen den Klimawandel, obwohl uns der Klimawandel stärker betrifft als die übrige Bevölkerung. Ich denke da an die Obstbauern, die gerade aktuell gegen die Frostnächte kämpfen oder die trockenen Sommer, die wir in den letzen Jahren mehrmals erlebt haben. Mit diesem Gesetz haben wir eine gute Vorlage, mit der wir als Bauern sehr gut bedient sind.
Mit einem Nein würde die Glaubwürdigkeit der Landwirtschaft unterwandert, ist das in Ihrem Sinn, Marcel Dettling?
Marcel Dettling: Die Landwirtschaft ist sehr gut unterwegs, wir dürfen uns da nicht ins Bockshorn jagen lassen durch die Medien, die versuchen einen Keil in die Landwirtschaft zu schlagen. Wir haben sehr viel gemacht, sei es bei den Biodiversitätsförderflächen, bei der Ausscheidung von Ökoflächen usw. Wir sind sehr gut unterwegs. Aber obwohl wir viel getan haben, sind die extremen Initiativen gekommen.
«Die Landbevölkerung istdie grosse Verliererin des CO2-Gesetzes.»
Marcel Dettling, SVP Nationalrat und Landwirt.
Aber jetzt geht es ja um den Klimawandel, muss die Landwirtschaft da nicht handeln, da sie stark betroffen ist?
Dettling: Beim CO2-Gesetz erhält die Landwirtschaft als einer von wenigen Sektoren Ziele. Bis 2030 müssen wir unsere Emissionen um 20 Prozent reduzieren und das funktioniert nur mit massiver Tierbestandsreduktion. Das Oberziel von links-grünen Kreisen ist ja «Netto null». Und der Bericht des Bafu zeigt, dass man beim Bund die Tierbestände als zu hoch betrachtet. Wenn wir da zustimmen, verunmöglicht das die Berglandwirtschaft und die Sömmerungsgebiete, weil wir in den Berggebieten nicht gross andere Möglichkeiten haben als die Tierhaltung.
Wismer: Dass wir viel getan haben, da bin ich mit Marcel Dettling vollkommen einig, wir haben uns in den letzten Jahren stark verbessert, das müssen wir aber vor allem in Bezug auf die Agrar-Initiativen ins Feld führen. Hier haben wir eine andere Situation. In Sachen Klimawandel muss sich die ganze Bevölkerung einbringen und die Landwirtschaft kann sich da nicht rausnehmen.
Die Befürworterin
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«Zukünftig werden uns neue Produktionstechniken helfen, die Emissionen zu verringern», so Priska Wismer-Felder. (Bild parlament.ch)
Priska Wismer-Felder ist Nationalrätin der Mitte und lebt in Rickenbach LU auf 800 m.ü.m. (Voralpine Hügelzone), nahe an Aargauer Grenze. Gemeinsam mit ihrem Mann hält sie 25 Milchkühe (Wiesenmilch für Emmi in Suhr) und 30 Muttersauen. 6 ha der LN stehen unter Acker (Dinkel, Gerste, Weizen). Dazu kommt etwas Wald. Alle Dächer auf dem Betrieb sind mit Photovoltaik bestückt, die 1. Anlage entstand 2009, 2011 die 2. Anlage, diejenige auf dem Haus folgte 2018 für eine Eigenverbrauchsgemeinschaft.
Aber als Tierhalterin sägen Sie sich mit diesem Gesetz am eigenen Stuhl…
Wismer: Zunächst stimmt es nicht, dass die Landwirtschaft als einziger Sektor ein Reduktionsziel hat. Mit den 20 Prozent haben wir sogar ein relativ moderates Ziel. Im ganzen Gesetz kommt das Wort Tier kein einziges Mal vor, weder Bestände noch Haltungsformen werden thematisiert. Mit diesem Gesetz erhalten wir Instrumente und Geld um Emissionen zu mindern, ohne zwingend Bestände abzubauen zu müssen. Dafür wird es neue Technologien zur Emissionsminderung geben. Meine Befürchtung: Wenn wir dieses Gesetz nicht annehmen, bleiben die Ziele bestehen und wir laufen Gefahr, dass wir die Massnahmen aus dem Agrarbudget finanzieren müssen und riskieren längerfristig den grösseren Abbau.
Dettling: Das ist eine sehr abenteuerliche Aussage. Wenn man den Bafu-Bericht zum CO2-Gesetz liest, wird die Tierhaltung als Haupttreiber beschrieben. Das Ziel der massiven Tierreduktion ist sonnenklar. Dem kann ich unter keinen Umständen zustimmen. Für neue Technologien waren wir in der Landwirtschaft schon immer offen, aber dass wir hier die gesetzliche Grundlage schaffen, um uns ins eigene Bein zu schneiden, dem dürfen wir nicht zustimmen.
Priska Wismer sagt ja, es gibt Geld für die Massnahmen, ist man nicht blöd, wenn man dieses nicht holt?
Dettling: Noch viel blöder ist es, wenn man vor allem der Landbevölkerung zuerst das Geld aus der Tasche zieht und dieses umverteilt. Den Städtern kann das ja egal sein, wenn der Treibstoff mehr kostet, wenn alle zwei Minuten ein Tram vor dem Haus fährt. Die Landbevölkerung ist die grosse Verliererin dieses Gesetzes.
Priska Wismer, die Landbevölkerung wird gemolken, bevor sie Geld erhält, ist das in Ihrem Sinn?
Wismer: Abgaben gibt es im Bereich Treibstoffe, Heizung und Flugtickets. Beim Benzin mag es sein, dass es auf dem Land etwas mehr braucht. Gerade Bauern brauchen aber das Auto nicht zum Pendeln. Im Bereich Heizen braucht die Landwirtschaft sehr wenig Öl. Da profitieren jene, die mit Holz heizen. Dann kommt noch die Flugticket-Besteuerung dazu, aber die Bauernfamilien sind nicht die, welche oft mit dem Flieger verreisen. Zu sagen gibt es auch, dass zwei Drittel der CO2-Abgaben direkt an die Bevölkerung zurückerstattet wird via Krankenkassenrechnung. Jede Person erhält jährlich 75 Franken. Jetzt liegt es an jedem selber, wie er oder sie sich verhält, wie die Rechnung am Schluss aussieht.
Der Gegner
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«Bis 2030 müssen wir unsere Emissionen um 20 Prozent reduzieren und das funktioniert nur mit massiver Tierbestandsreduktion», sagt Marcel Dettling. (Bild parlament.ch)
Marcel Dettling ist SVP-Nationalrat aus Oberiberg im Kanton Schwyz. Der Betrieb befindet sich auf 1100 m.ü.m in der Berzgzone 3, die LN umfasst 28 ha, der Grossteil der Tiere (insgesamt 17 Milchkühe und 30 Schafe) geht im Sommer z Berg, die Milch geht zum kleineren Teil an die Kälber und hauptsächlich an Mooh. Der Betrieb ist auf der Schattseite und deshalb nicht geeignet für Photovoltaik.
Also, wenn man es geschickt macht, kann man nur profitieren, Marcel Dettling.
Dettling: Priska Wismer macht natürlich nur die halbe Kostenrechnung. Was uns Bauern stark belastet ist der Treibstoffverbrauch für die Bewirtschaftung unserer Flächen. Ich brauche jährlich 2300 Liter Diesel. Mit einer Abgabe von 12 Rp. pro Liter gibt das ein rechtes Sümmchen zusätzliche Kosten. Ich will nicht, dass mir der Staat hinten rechts das Geld zur Hosentasche rausnimmt. Diese Umverteilung läuft auch nicht automatisch. Da hirten wir wieder einen Haufen Leute in Bern oben, die dies bürokratisch umsetzen muss. Die Landwirtschaft wird die grosse Verliererin dieser staatlich verordneten Verteuerung der Produktion sein.
Wismer: Ich muss widersprechen. Zuerst zur Administration. Die bleibt genau gleich. Wir haben schon heute eine CO2-Abgabe und eine Rückzahlung, da ändern nur die Ansätze. Der Mehrpreis auf dem Treibstoff ist gegenüber dem heutigen Gesetz maximal 7 Rp pro Liter höher. Ich habe schnell ausgerechnet. Du brauchst 2300 Liter Diesel im Jahr. Das macht in deinem Fall jährlich 160 Franken. Und weil jede Person 75 Franken jährlich zurückerhält, ist bei dir dieser Betrag schnell kompensiert. Zudem hätte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Kindern und bald drei Grosskindern, wenn wir wegen wenigen Mehrkosten nichts gegen den Klimawandel unternehmen wollen.
Sie haben kein schlechtes Gewissen gegenüber Ihren Kindern, Marcel Dettling?
Dettling: Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn man diesem Gesetz zustimmt, die Produktion in der Schweizer runtergefahren und verteuert wird, während wir die Produktion nach dem Motto aus den Augen aus dem Sinn ins Ausland verlegen. So kann ich dem sicher nicht zustimmen. Die Bevölkerung muss ernährt werden, ich will keine gesetzliche Grundlage, welche die tierische Produktion aus der Schweiz verdrängt.
Wismer: Der Import von Nahrungsmitteln ist keine Option. Nur, ich wiederhole mich, dieses CO2-Gesetz schreibt keine Reduktion von Tierzahlen vor und die Reduktion der Nahrungsmittelproduktion ist kein Thema.
Die Verlagerung ins Ausland ist aber indirekt schon auch ein Thema…
Wismer: Es ist so, dass 189 Länder das Pariser Abkommen unterschrieben haben. Alle Länder müssen ihre Emissionen verringern. Wie es die anderen Länder im Einzelfall machen, ist mir nicht bekannt, aber es spielt keine Rolle, weil wir es sowieso nicht beeinflussen können. Je länger wir zuwarten mit den nötigen Schritten, desto teurer werden diese. Dann reden wir nicht mehr von 5 bis 10 Rp. Benzinpreis-Erhöhung, sondern von deutlich höheren Beträgen. Die Flugbahn dieses Bumerangs können wir schon heute berechnen.
Vor diesem Bumerang haben Sie keine Angst, Marcel Dettling?
Dettling: Hier schaffen wir die Grundlage zu 20 Prozent Reduktion und Priska Wismer hat bisher noch nicht verraten, wie sie diesen Fünftel einsparen will. Wohin die Reise geht, ist sonnenklar. Die Reduktion der Tierzahlen, das ist der Bumerang. Dazu kommt noch der CO2-Ausstoss des Fliegers oder des Schiffs, welche die Nahrungsmittel in die Schweiz bringen.
Priska Wismer, wie holen Sie die 20 Prozent?
Wismer: Wir müssen diese Einsparungen z.B.über Biogasanlagen, methanhemmende Futterzusätze und nitrifikationshemmende Düngungszusätze holen, so dass wir die Tierzahlen möglichst wenig reduzieren müssen. Zudem werden uns zukünftig auch neue Produktionstechniken helfen, die Emissionen zu verringern. Das alles kostet und wir brauchen deshalb dringend das Geld aus dem Klimafond, der durch das CO2-Gesetz gespiesen wird. Diese Chance müssen wir unbedingt packen.
«Je länger wir zuwartenmit den nötigen Schritten, desto teurer werden diese.»
Priska Wismer-Felder ist Bäuerin und Nationalrätin der Mitte.
Dettling: Wir werden uns das eigene Grab schaufeln, vor allem in der Berglandwirtschaft, denn in den Bergen leben wir stark von der Viehwirtschaft, die eigentlich sehr ökologisch ist.
Stichwort Berglandwirtschaft. Die SAB befürwortet das Gesetz, mit dem Klimafonds würden spezifische Massnahmen zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels in den Berggebieten unterstützt, wie können Sie da dagegen sein als Bergbauer?
Dettling: Wenn wir das Gesetz annehmen ist es ganz einfach, es wird den Klimafonds gar nicht brauchen, weil es die Bewirtschaftung in den Berggebieten gar nicht mehr geben wird, es fehlen und die Tiere für die Ganzjahres- und Sömmerungsbetriebe. Von diesem Topf weiss man übrigens noch gar nicht recht, wie er ausgestaltet werden soll. Das ist ein Blindgänger und der Grossteil wird erneut an die Planungsbüros gehen, das sind die Hauptnutzer.
Wismer: Diese Aussagen sind völlig falsch. Die Alpwirtschaft wird es weiterhin geben, aber wir erhalten neue Mittel für die Erhaltung der Alpwirtschaft, so dass das Alpgebiet Schutzmassnahmen, die wegen dem Klimawandel nötig werden, nicht selber berappen muss. Das spannende am Klimafonds ist ja, dass er jedes Jahr kleiner wird, wenn wir den Anteil fossiler Brennstoffe reduzieren und somit weniger einbezahlt wird.
Dettling: Da habe ich keine grossen Differenzen, ich finde die Reduktion von Treibstoff und Heizöl gut. Wenn sich der Topf selber abschafft, wäre es das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Bundesbern ist immer sehr kreativ, wenn es darum geht, solche Töpfe am Leben zu erhalten. Ich will keine DDR-Verhältnisse.
Wismer: Ich sehe keinerlei Anzeichen, dass wir DDR-Zustände erhalten mit diesem Gesetz. Es bietet im Gegenteil zahlreiche Anreize dazu, sich schlau zu verhalten in Sachen Energienutzung. Gerade im Bereich Holz gibt es neue Chancen, da die Hausbesitzer aus ihrer Ölheizung aussteigen und auf Holzheizungen umstellen, davon profitieren auch die Bauern mit Wald.
Klimajugend und linksgrüne Parlamentarier bezeichnen das Gesetz als ungenügenden ersten Schritt. Die Gegner befürchten, dass radikale Verbote für Verbrennungsmotoren, Kurzstreckenflüge oder Fleischkonsum folgen werden, sollten wir nicht den Anfängen wehren?
Wismer: Dieses Gesetz macht eben selber keine Vorschriften, sondern das ist unser freier Entscheid. Meine Befürchtung geht etwas in die andere Richtung. Wenn dieses Gesetz nicht gutgeheissen wird, werden unsere Freiheiten durch spätere drastische Massnahmen möglicherweise gefährdet. Hier drohen durchaus Verbote. Es würde mit Sicherheit kein milderes Ersatzgesetz folgen.
Dettling: Die Vergangenheit hat uns eben eines Besseren belehrt. Man hat den ÖLN zugestimmt, dem Gewässerschutz, der AP 14-17, was ist passiert, die Umweltverbände sind immer noch nicht zufrieden. Die radikalen Initiativen sind trotzdem gekommen. Wir müssen aufhören, immer den Gegnern gefallen zu wollen, sondern uns wehren, damit wir uns nicht selber abschaffen.
Wismer: Bei den Initiativen kämpfe ich voll an Marcels Dettlings Seite. Ich möchte daran erinnern, dass der Schweizer Bauernverband bei der Gestaltung des Gesetzes sehr aktiv eingebunden war und viele Änderungen einbringen konnte, die alle gutgeheissen wurden. das CO2-Gesetz ist sicher kein linkes Gesetz.
SBV-Vorstand stimmt dem Gesetz zu
Die Totalrevision des CO2-Gesetzes hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Nach fast dreijähriger Beratung hat das Parlament letzten September zugestimmt. Aufgrund eines Referendums kommt es nun zur Volksabstimmung. Aufgrund der grossen Betroffenheit der Landwirtschaft durch den Klimawandel hat sich auch der Schweizer Bauernverband (SBV) in der Debatte für das Gesetz engagiert. Die landwirtschaftsrelevanten Empfehlungen seitens des SBV fanden laut dem Verband die Mehrheit. Nach eingehender Diskussion habe sich der Vorstand für die Ja-Parole ausgesprochen. Im Abstimmungskampf will man sich aber zurückhalten.
Im Gesetz wurden bestehende Instrumente verschärft (CO2-Abgabe, Treibstoffkompensation) und neue (Flugticketabgabe, Klimafonds) hinzugefügt. Neu gibt es nicht nur für Gebäude, Verkehr und Industrie, sondern auch für die Landwirtschaft ein Sektorziel. Obschon dieses über Massnahmen in der Landwirtschaftsgesetzgebung erreicht werden soll, hat das CO2-Gesetz Einfluss auf die Landwirtschaft. Die Gesetzesänderung führt zu neuen Vorschriften und zusätzlichen Kosten, bietet laut SBV aber auch neue Möglichkeiten für die Betriebe, die teilweise einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der Landwirtschaft leisten könnten.
Die Verschärfung der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen soll dazu führen, dass Unternehmen und Haushalte auf alternative Heizsysteme setzen. Bei dieser Lenkungsabgabe werden 2/3 zurückverteilt, 1/3 gelangt weiterhin ins Gebäudeprogramm für energetisch wirksame bauliche Massnahmen. In der Landwirtschaft bedeutet dies insbesondere für fossil beheizte Gewächshäuser sowie Mast-und Pouletställe zusätzliche Kosten. Die gewünschte Verschiebung zu alternativen Heizsystem kann aber auch zu einer gesteigerten Nachfrage nach Holzheizungen führen, wovon waldbesitzende Landwirte profitieren können.
Die Emissionsvorschriften für Neufahrzeugen werden deutlich verschärft. Der Treibstoffzuschlag darf 10 Rp. (ab 202512 Rp.) nicht übersteigen. Heute liegt er bei ca. 2 Rp., er kann bis 5 Rp. erhöht werden. Das CO2-Gesetz erhöht also den Zuschlag um max. 7 Rp. Damit werden Kompensationsprojekte gefördert, unter anderem gibt es Programme für Biogasanlagen und nitrifikationshemmende Düngemittel, weitere sind geplant.