Das erste Halbjahr 2020 war alles andere als einfach für die Weinbranche.Anlässe wie etwa Reb-blüten- oder Rebhäuschenfeste mussten Corona-bedingt abgeblasen werden. Der Tag der offenen Weinkeller konnte dieses Jahr nicht stattfinden. Damit entfiel für die Direktvermarkter ein wichtiger und inzwischen etablierter Tag zum Verkauf und zur Bewerbung ihrer Weine.

Offenen Weinkeller am 1. August

Zwar wird der Tag der offenen Weinkeller in der Deutschschweiz am bevorstehenden 1.-August-Wochenende nachgeholt. Aber er fällt mitten in die Sommerferien. Und die geltenden Conora-Vorschriften sind noch immer so, dass nicht auf jedem Betrieb die Voraussetzungen gegeben sind, die Kellertüren für ein grösseres Publikum zu öffnen.

Offen und begehbar auch während der gesamten Corona-Zeit waren die speziell ausgeschilderten Weinwege durch Schweizer Weinbaugebiete. Eine Suchanfrage unter den Stich-worten «Wandern», «Rebberge», «Schweiz» bei Google führt auf die Homepage von Schweiz Tourismus. Dort sind 34 Ergebnisse für Wanderungen durch Rebberge aufgeführt. Zehn befinden sich in der Ostschweiz. Einer davon ist der Weinweg Weinfelden.

Wie ein Augenschein am 25. Juli zeigt, wird dieser Weg von einem interessierten Publikum durchaus wahrgenommen. Das liegt auch daran, dass die Betreiber mit einigen Besonderheiten aufwarten, von denen auch die Weinbaubetriebe im Einzugsgebiet des Weinwegs profitieren können. Das beginnt am Bahnhof Weinfelden:

  • Interessierte können am Bahnschalter für 19 Franken, sozusagen als Eintrittsticket zum Weinweg, einen Degustationsrucksack erwerben.
  • Dieser enthält neben dem Flyer mit allen nötigen Angaben auch ein Weinglas, das zum Gebrauch während der Wanderung gedacht ist.
  • Im Rucksack steckt nämlich auch eine Code-Nummer, mit welcher ein Wein-Safe auf der Route geöffnet werden kann.
  • Beim Wein-Safe handelt es sich um einen «Mini-Weinkeller».
  • In diesem stehen verschiedene Weine zur Verkostung bereit. Pro Besucher sind 0,25 Liter Wein kalkuliert.
  • Bei diesem Halt kann auch das im Degustationsrucksack enthaltene Rebkernenbrot angeknabbert werden.

13 Winzer stellen sich vor

Entlang der Route erhalten 13 Winzer die Gelegenheit, ihren Betrieb auf einer Informationstafel vorzustellen. Sie tun dies professionell. Auf keiner fehlt eine Webadresse. Auf mancher dieser Tafeln ist ein QR-Code abgebildet, über den sich ein gefilmtes Porträt des entsprechenden Betriebs auf das Handy laden lässt. Auf kaum einer Tafel fehlt der Hinweis, zu welchen Zeiten der Betrieb für Besucherinnen und Besucher offen ist.

Breites Spektrum

Neben den Informationstafeln zu den einzelnen Betrieben informieren 19 weitere Tafeln über fachliche Aspekte zur Weinbauregion Ottenberg und zum Weinbau generell. Die Tafeln decken ein weites Spektrum ab. Von der Geschichte des Weinbaus in der Region, über die Arbeiten im Rebberg im Verlaufe eines Jahres bis hin zu den Nützlingen und Schädlingen. Auch eine Anleitung zur korrekten Beurteilung eines Weines ist dabei. Sie folgt den Stichworten: Schauen, Schwenken, Schnüffeln, Schlürfen, Schlucken. Ergänzt wird das Informationsangebot durch Tafeln, auf denen die angebauten Rebsorten vorgestellt und im Geschmack charakterisiert werden. Die Vielfalt ist erstaunlich.

 

Winzer schätzen zusätzliche Plattform

Das Interesse am Weinweg in Weinfelden ist beachtlich. Seit der Eröffnung im Mai 2016 bis Ende 2019 haben 7659 Be-
sucherinnen und Besucher einen Degustationsrucksack erworben. Im Jahr 2019 waren es 2755. Das sind Personen, die für ihr Weinerlebnis etwas bezahlt haben und die Infos und Angebote entlang des Weges bewusster wahrnehmen als gewöhnliche Spaziergänger.
Initiiert hat den Weinweg die Stadt Weinfelden. Umgesetzt hat ihn deren Rebbaukommission. «Bei den Winzern kommt der Weinweg gut an», sagt Valentin Hasler, Weinfelder Stadtrat und Präsident der Rebbaukommission. Das Echo sei positiv. Die Winzer würden diese zusätzliche Plattform schätzen, seien doch die meisten Direktvermarkter.

Das zeigt auch die Tatsache, dass beim Start des Weinwegs weniger als die aktuell 13 Betriebe die Gelegenheit wahrnahmen, ihr Angebot auf einer Infotafel vorzustellen. Einige sind im Laufe der Zeit dazugekommen. Ganz gratis ist diese Möglichkeit allerdings nicht.
Die Betriebe entrichten für die ersten beiden Jahre einen Grundbeitrag, der später in einen Jahresbeitrag umge-
wandelt wird.

Damit leisten sie einen Beitrag an die Kosten für den Unterhalt des Weges, den Druck der Flyer oder für den Betrieb des Weinsafes.
Sie profitieren im Gegenzug von Elementen wie Weinsafe oder Degustationsrucksack, die man gemeinhin auf einem Weinweg nicht erwartet.

 

Bekannte Thurgauer Reblage

Der Weinweg Weinfelden führt durch die bekannte Thurgauer Reblage am Südhang des Ottenbergs. 30 Rebbauernfamilien bewirtschaften hier eine Rebfläche von 56 Hektaren. Der Weg ist neun Kilometer lang bei einer Höhendifferenz von 200 Metern. Er führt in einer leicht erhöhten Lage von Weinfelden aus zum Märstetter Ortsteil Ottoberg. Von dort aus gehts in etwas geringerer Höhe zurück nach Wein-felden.

Auf Wegweiser achten

Während der Hinweg durch die grossen, gepflegten Rebflächen, mehrere Rebgüter und den prächtigen Blick auf das Thurtal geprägt ist, stechen auf dem Rückweg imposante Hochstamm-Obstgärten und Niederstamm-Obstkulturen ins Auge. Gemäss Flyer beträgt die reine Wanderzeit etwa drei Stunden. In dieser Zeit ist der Rundweg problemlos zu bewältigen. Wer allerdings alle Information entlang des Weges aufnehmen will, sollte wesentlich mehr Zeit einrechnen. Bei der Wanderung empfiehlt es sich, auf die Wegweiser zu achten. Diese sind zwar an den richtigen Orten platziert, fügen sich aber relativ unauffällig in das Landschaftsbild ein.