Fridolin und Elisabeth Jöhl sind hoch über dem Dorf Weesen auf Unterfiderschen und Oberbütz z Alp. Dort stellen sie Alpkäse her, der wie zu Grossvaters Zeiten im Kupferkessi und über dem offenen Feuer gefertigt wird. Es ist heiss in ihrer Alphütte. Das Feuer unter dem grossen Käsekessi knistert. Mit einem prüfenden Blick schaut Älpler Fridolin Jöhl auf das Thermometer. «Jetzt ist ein heikler Moment. Wir müssen in der nützlichen Zeit den Bruch auf 44 Grad erwärmen», erklärt er, greift zu einem Eimer und schöpft heisses Wasser in die Käsemasse.
Artenreiche Flora
Die zweistafelige Alp Unterfiderschen/Oberbütz befindet sich oberhalb der Gemeinde Weesen SG, zwischen Speer und Federispitz. Die Alphütten des unteren Stafels Unterfiderschen liegen auf 1150 Metern über Meer und die Alphütte auf Oberbütz auf etwa 1500 Metern. Von Mitte Mai bis Anfang Oktober wird die Alp mit ungefähr
90 Stück Vieh bestossen. 28 Kühe und liefern jeden Tag frische Milch für den Oberbütz-Alpkäse.Vor allem auf der Alp Oberbütz ist vom Frühling bis in den Herbst eine wunderbar artenreiche Flora zu beobachten.
Es gedeihen auch seltene Blumenarten wie die Feuerlilie und der Türkenbund. Das Jungvieh verbringt den ganzen Sommer auf den höher gelegenen Alpweiden.
Zahlreiche Alpsommer
Dann herrscht Stille im Raum. Nur vom angrenzenden Kuhstall her ist hin und wieder ein Bimbeln zu vernehmen. Zufrieden zieht der Älpler an seiner Pfeife. Im richtigen Moment nimmt er das Kessi vom Feuer und rührt den Bruch anschliessend aus, damit die Bruchkörner fester werden. Wer Jöhl bei der Arbeit zuschaut, erhält leicht den Eindruck, dass er sein ganzes Leben an diesem Käsekessi gestanden hat. Doch das täuscht. Erst seit neun Jahren sind die Jöhls Pächter der zweistafeligen Alp Unterfiderschen und Oberbütz. Dennoch verbrachten sie schon zahlreiche Sommer auf einer Alp. Allerdings auf der anderen Seite – auf der Mattstockseite – in Amden, da wo ihr Heimbetrieb liegt. Der Alpwechsel erfolgte aus wirtschaftlichen Gründen.
Die Handgriffe sitzen
Zusammen mit Sohn Stefan, dem begeisterten Älpler, wollten Elisabeth und Fridolin Jöhl eine Existenz aufbauen. Also investierten sie in die neu gepachteten Alphütten, rüsteten mit der entsprechenden Infrastruktur auf. Früher wurde auf Unterfiderschen und Oberbütz nämlich Nidel und Ziger hergestellt. Doch das Schicksal schlug zu. Sohn Stefan starb bei einem Unfall. Aufgeben stand für die Jöhls jedoch nicht zur Debatte. Sie machten weiter. Seither mit Alppersonal. Gerade kommt Zusenn Walter von Holzen zur Tür hinein. Am Trog wäscht er sich gründlich Hände und Arme. Er verbringt bereits den zweiten Sommer bei den Jöhls. Die beiden Männer arbeiten Hand in Hand. Jetzt gilt es, die Käsemasse mit dem Tuch aus dem Kessi auszuziehen. Die Handgriffe sitzen, ganz ohne Worte.
Es sei normal, dass während der Arbeit nicht viel geredet wird, lässt Jöhl irgendwann beiläufig verlauten. Zusenn von Holzen nickt. Mit dem Käsetuch, das nun ein zweites Mal ins Kessi eintaucht, fördert der Älpler noch einen Miniaturrest der Bruchmasse zu Tage. «Wenn es auch nicht mehr viel ist: Über den ganzen Sommer verteilt, macht dieser Rest doch so manches Mutschli aus», gibt Jöhl zu bedenken. Heute befüllt er allerdings nur grosse Käseformen. Mutschli gibt es, wenn die Restmasse für einen Alpkäse nicht mehr ausreicht.
Eine wahre Allrounderin
Draussen vor der Hütte hantiert derweil Elisabeth Jöhl. Sie bereitet das Znüni zu. Die Älplerin sagt von sich: «Ich bin überall da, wo man mich braucht.» Sie ist eine wahre Allrounderin, pendelt zwischen Alp und Heimbetrieb, zwischen Käsekeller und Büro hin und her. Die alp- und landwirtschaftlichen Arbeiten koordiniert sie gar an einer festen Anstellung vorbei. Dank flexiblen Arbeitszeiten sei das gut mit dem Alpbetrieb zu vereinbaren, versichert sie. Steht die Heu- oder Emdernte an, kann es auch gut sein, dass Elisabeth Jöhl am Käsekessi die Stellung hält. Sie weiss genau, worauf zu achten ist, damit Käse bester Qualität entsteht. Denn das ist das oberste Gebot auf Unterfiderschen und Oberbütz.
Ein reines Nischenprodukt
Die Vermarktung des Käses obliegt Elisabeth Jöhl. Ein Teil wechselt direkt ab Hof den Besitzer. Den grösseren Teil verkauft sie aber an Läden in der Region. Grossverteiler sind keine darunter. «Wir produzieren ein reines Nischenprodukt», so die Begründung. Vereinzelt ist der Käse auch über das Linthgebiet hinaus erhältlich. Bis an den Bodensee und in den Kanton Thurgau wird geliefert. Sogar in einem Restaurant mit Gault-Millau-Punkten im Welschland kann der Oberbütz-Alpkäse genossen werden. Je weiter der Weg ist, bedarf es natürlich auch einer gewissen Mindestliefermenge. Ausgeliefert wird meist von Elisabeth Jöhl persönlich.
Genauer Wetterbeobachter
Längst befindet sich der Käse in den Formen. Diese sind mit Gewichtssteinen beschwert. Am Tisch vor der Hütte sitzend, beobachtet Fridolin Jöhl derweil das Wetter. Wolken formieren sich an der Bergkette. Drücken als Nebelschwaden die Planken hinab zur Alp. «Ich mag es, wenn es auf der Alp gewittert. Dann werden die Elemente richtig spürbar», erzählt er. Es komme selten vor, dass er beim Zäunen oder beim Vieh Achten vom Wetter überrascht werde. Das Beobachten des Wetters habe er sich früh angeeignet.
«Der letzte Sommer war diesbezüglich langweilig. Die anhaltende Trockenheit eine Belastung. Zusehen zu müssen, wie saftige Weiden verdorren, das hat mir zugesetzt», sagt er. Bis heute haben sich die Weiden von dieser Dürre nicht vollends erholt. Grund genug für Jöhl, die Alp in diesem Jahr mit etwas weniger Vieh zu bestossen. Er betont: «Es kommt nicht nur auf den Gewinn in der Buchhaltung an. Uns dreien ist es wohl, wenn es den Tieren gut geht. Dafür setzen wir uns täglich gemeinsam ein.»
Aufbruchstimmung
Vor der Hütte herrscht nun Aufbruchstimmung. Walter von Holzen geht in den Stall und lässt die Kühe auf die Weide. Elisabeth Jöhl zieht es in die Küche. Bevor sie Richtung Heimbetrieb aufbricht, bereitet sie den Mannen das Mittagessen vor. Fridolin Jöhl aber, der schaut nach dem Käse. Damit dieser, nach einer ordentlichen Reifezeit, an die Kundschaft verkauft werden kann. Wer beim Verzehr für einen kurzen Moment die Augen schliesst, hört vielleicht sogar das Feuer unter dem Käsekessi knistern. Ein Hauch Alpsommer gemixt mit einer Prise Nostalgie sind garantiert.