«Ich mache das schon seit bald dreissig Jahren», sagt die 29-jährige Cornelia Herrmann, während sie rasch und geschickt den zehn Kilogramm schweren Käselaib wendet. Damit meint sie das Leben und Arbeiten auf der Alp Barwengen-Kessel im Berner Oberland. Dort hat sie mit ihrer Familie beinahe jeden Sommer ihres Lebens verbracht. Dieses Jahr leitet die junge Landwirtin (EFZ) den Alpbetrieb mit einem neuen Team erstmals selbst.
Bis zu 900 Liter Milch
Während fast drei Monaten ist die Alp, die an der Grenze zwischen den zwei Tälern Turbach- und Simmental liegt, das Zuhause von 48 hauptsächlich reinen Simmentalerkühen, 13 Rindern, 12 Kälbern, einem Muni sowie 17 Mastschweinen. Die Tiere stammen von sechs Landwirten aus der Umgebung. Zusammen mit Cornelia Herrmann bilden drei von ihnen die Alpkorporation Barwengen-Kessel. Zum Team gehören Cornelia als Sennin und zwei Zusenninnen. Aber auch die Eltern von ihr sind oft zugegen und ersetzen die Zusenninnen an ihren freien Tagen oder helfen dort aus, wo es gerade am nötigsten ist. Täglich werden vom Team auf der Alp bis zu 900 Liter Milch zu Berner Alpkäse AOP verarbeitet.
Viel Arbeit, aber so schön
«Mir geht es nirgends so gut wie hier oben, trotz der langen Tage und der vielen Arbeit», erzählt Cornelia Hermann. Die Alp sei wie eine kleine Blase: «Die Tage laufen alle im gleichen Rhythmus ab und der Stress und die Verpflichtungen der restlichen Welt rücken weit in die Ferne. Im Zentrum stehen die Kühe und der Käse», sagt Herrmann. Hier oben hat die Älplerin von ihren Eltern auch vieles über die Landwirtschaft und das Käsen gelernt. Die Entstehung des Alpkäses von der Weide über die Kuh und vom Kessi bis in den Keller fasziniere sie. Es überrascht deshalb nicht, dass Cornelia Hermann die Alp von ihren Eltern übernommen hat.
Der Talbetrieb
Am 1. Januar 2019 hat Cornelia Herrmann bereits den Talbetrieb in Lauenen BE, einen Biobetrieb von rund 20 Hektaren, von den Eltern übernommen. Als Vorbereitung dazu absolvierte sie während dreier Jahre die berufsbegleitende Nachholbildung zur Landwirtin auf dem Heimbetrieb. Der definitive Entscheid, den Betrieb zu übernehmen, sei aber erst im Frühling 2018 gefallen. «Ich musste mir zuerst bewusst werden, dass ich das kann und will», sagt sie. Ihre Mutter habe zuerst versucht, ihr diese Idee noch auszureden. Für eine einzelne Person und erst noch als Frau sei diese Arbeit doch zu anstrengend, meinte sie. Die Tochter liess diesen Einwand aber nicht gelten. «Eine Frau mag körperlich im Nachteil sein, aber vieles kann mit guter Planung und Infrastruktur wieder wettgemacht werden. Deshalb baue ich mir als erstes einen neuen Stall mit guter Mechanisierung», sagt sie.
Eine grosse Hilfe
Doch der Vater Martin Herrmann freut sich, dass seine Tochter den Betrieb übernommen hat. «So profitieren alle», sagt er. Seine Frau Christine und er können ihrer Tochter in der vielen Arbeit unterstützen. «Senior Consultants», nennt Cornelia Herrmann deshalb ihre Eltern im Scherz. Da sie relativ spät in die Landwirtschaft eingestiegen ist und diese vor allem auf der Alp kennengelernt hat, fehlt ihr im Talbetrieb manchmal noch das praktische Wissen. Beispielsweise falle es ihr eher schwer, einzuschätzen, wie lange das vorhandene Futter noch reiche oder wann der beste Zeitpunkt sei um zu Mähen. Dann sei sie jeweils froh um die Ratschläge ihrer Eltern.
Das Geheimrezept
Die Frage, ob denn die Zusammenarbeit zwischen den Generationen wirklich so gut klappe, wie es den Anschein mache, beantworten Tochter und Eltern ganz klar positiv. Die Herrmanns haben sich bewusst für eine Betriebsübergabe und gegen eine Generationengemeinschaft entschieden. So sei eindeutig geregelt, wer der Chef sei. Natürlich seien Vater und Tochter nicht immer einer Meinung und es kann auch zu hitzigen Diskussionen kommen. Dann sei es gut, dass klar sei, wer die endgültigen Entscheidungen treffe. «Das bin ich», sagt die Hofnachfolgerin. «Lange machen wir das aber noch nicht so. Und ob es wirklich längerfristig so gut läuft, wird sich zeigen. Beispielsweise könnte die Situation wieder ganz anders aussehen, wenn plötzlich ein Schwiegersohn ins Spiel kommt», sagt sie.
Was bringt die Zukunft?
Wenn Mitte September die Tiere von der Alp ins Tal ziehen, beginnt für Cornelia Herrmann wieder ein anderer Alltag. Die studierte Primarlehrerin unterrichtet zusätzlich in Gsteig BE in einem 20-Prozent-Pensum Dritt- bis Fünftklässler in Mathematik. Ihr Ziel sei aber ganz klar, irgendwann ausschliesslich von der Landwirtschaft leben zu können. Dazu möchte sie auf die Veredelung von Milchprodukten und Direktverkauf setzen, anstatt auf eine Vergrösserung des Betriebs. Die Details will sie allerdings nicht verraten. «Die sind noch geheim!», sagt Cornelia Herrmann.