Zwei alte Holzfässer stehen im kühlen Keller auf der Alp Rauti im Glarner Oberseetal oberhalb von Näfels. Das Holz hat vom jahrzehntelangen Einsatz eine gräuliche Patina erhalten und zeugt von vielen Alpsommern, in denen die Zigerproduktion im Zentrum stand. Gartenplatten und Steine beschweren den Deckel, sorgen dafür, dass der kostbare Inhalt gut ausgepresst wird. «Hier drinnen reift der Ziger rund acht Wochen», erklärt Landwirt und Älpler Siegfried Fischli. Frisch produziert sei er im Geschmack leicht süsslich. Später werde er sauer und dann, zu guter Letzt, wieder süsslich. Im Gegensatz zum Anfangsstadium aber trocken. Durch die Löcher im Holz des Fasses entweicht die Schotte. Gerade blubbert es an einer Stelle, und ein Rinnsal tröpfelt den alten Brettern entlang in Richtung Plattenboden.
In vierter Generation
Seit vier Generationen «zigert» die Familie Fischli auf der Alp Änziunen-Rauti. Siegfried Fischli erlernte dieses Handwerk – wie alle Generationen zuvor – von seinen Eltern. Vor allem die Mutter sei eine Meisterin am Zigerkessi gewesen. Seine Frau, Myrtha Fischli, wendet lachend ein: «Bei uns ist das anders. Bevor ich Siegfried kennenlernte, habe ich Ziger nicht einmal gekannt.» Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Im Nu zählt die gebürtige Melserin die verschiedensten Gerichte auf, die mit Alpziger bereichert werden können. Spaghetti mit einer Rahmzigersauce kämen bei der Familie immer gut an. Auch die klassischen «Zigerbrüte» seien beliebt. Dazu mischt die Älplerin den Ziger mit Butter und bestreicht damit Brote. Diese werden süss oder pikant dekoriert. Zigerbutter möchten sie künftig in ihr Sortiment aufnehmen.
Viele Pläne, wenig Zeit
Jetzt erklärt der Zigersenn, wie genau die Glarner Spezialität hergestellt wird. Als Erstes lässt er die frisch gemolkene Kuhmilch durch die Zentrifuge. Die Fugenmilch kommt ins Käsekessi und wird über dem Holzfeuer auf 90 Grad erhitzt. Anschliessend rührt er langsam den Etscher (Säure) ein, bis die Milch gerinnt. Die Schotte schöpft er ab, sodass der Ziger zum Vorschein kommt. «Wir produzieren hier ein reines Naturprodukt», schwärmt er. Den Rahm aber, den braucht es für das Zigern nicht. Der wird aktuell zu einem mässigen Erlös einem Grossverteiler abgeliefert. Würde dieser Rahm direkt auf der Alp weiterverarbeitet, so sähe die Wertschöpfung anders aus. Weitere Ideen für das Veredeln von Ziger schwirren Myrtha Fischli im Kopf herum. Doch sie ist sich bewusst, dass auch ihr Tag nur 24 Stunden dauert. «Es muss nicht alles auf einmal passieren. Wir gehen es Schritt für Schritt an», versichert sie.
Bei der «Schlemmertruggä» dabei
Die Vermarktung des Alpzigers fällt in den Aufgabenbereich der Älplerin. Sie beliefert Geschäfte und Restaurants, längst nicht nur im Glarnerland. Auch an verschiedenen Märkten ist sie anzutreffen. Zudem wirkt sie bei der «Glarner Schlemmertruggä» mit: Einem Verein, bei dem Bäuerinnen ihre veredelten Spezialitäten verkaufen können. Bei der Schlemmertrugge knöpfte sie den Kontakt zu einer Bäuerin aus Diesbach. Diese pflanzt und trocknet den Zigerklee, der dieser Glarner Spezialität den typischen Geschmack verleiht und den Myrtha Fischli für ihren Alpziger einsetzt. Verkauft werden natürlich auch Grossmengen. Einige Kunden beziehen den Ziger sogar nature und würzen ihn anschliessend selber.
Die ganze Zeit über sind die drei Kinder Marc (12), Sara (11) und Nina (9) nah bei ihren Eltern und horchen gespannt, was diese von ihrer Arbeit erzählen. Den Sommer verbringt die Familie zusammen auf der Alp. Von da aus besuchen die Kinder auch die Schule. «Dort wo das Vieh ist, da wohnen wir», versichern die Fischlis fast unisono. Gut vier Monate seien sie auf den Alpen Änziunen und Rauti. Momentan stellen sie so viel Ziger her, wie sie vermarkten können. Die Restmilch geben sie dem benachbarten Älpler, welcher Glarner Alpkäse AOP herstellt.
Ohne fremde Hilfe
Die Arbeit geht dem Älplerpaar trotzdem nicht aus. Sie haben sich dazu entschlossen, keine fremde Hilfe einzustellen, bewirtschaften den Alp- und den Talbetrieb selber. Wobei es sich beim Talbetrieb der Fischlis eigentlich um einen Bergbetrieb auf 1200 Meter über Meer handelt. Sogar Alpheugebiete gilt es zu bewirtschaften. Dafür geniessen die Fischlis beim Melken auf der Rautialp ein ganz besonderes Ambiente: Hier befindet sich nämlich ein Freiluftmelkstand. Errichtet, damit es die Kühe einfacher haben und nicht täglich zwei Mal den steinigen Weg zur Hütte zurücklegen müssen. Da wird jene Milch gewonnen, die später, veredelt als Schabziger, im Tal verkauft wird. Bis es so weit ist, blubbert es in den alten Holzfässern, und weitere Rinnsale Schotte tröpfeln auf den Plattenboden im kühlen Zigerkeller. Am 1. September lädt der Verein Linth-Tour auf die Alp Änziunen ein. Von 9 bis 17 Uhr können Interessierte die Alpzigerei kennenlernen.