Abschottung, Protektionismus, Hochpreisinsel Schweiz: Zahlreich sind die Klagen über Grenzschutz und angeblich übertriebenen Protektionismus der heimischen Agrarmärkte. Mindestens für den Schweizer Milchmarkt trifft diese Kritik von Wirtschafts-Denkfabriken und anderen Neoliberalen aber definitiv nicht zu.

Er steht mitten im rauen Wind des internationalen Marktgeschehens. Das zeigt sich in der aktuellen Corona-Krise beispielhaft. Die heftigen Turbulenzen, welche das Virus auf dem Weltmarkt für Milch und Milchprodukte ausgelöst hat, sind auch hierzulande für die Produzenten direkt spürbar und teilweise schmerzhaft.

Bestes Beispiel Industriemilch-Preissenkung

Die für Mitte Jahr angekündigten Preissenkungen für Industriemilch sind der beste Ausdruck dafür. Zwar ist die Einfuhr von Frischmilch und Milchprodukten der weissen Linie nach wie vor untersagt bzw. nur mit Zöllen möglich. Dennoch schlagen die krisenbedingten Preissenkungen auf internationaler Ebene erbarmungslos durch.

Grund dafür ist hauptsächlich das Kopplungsprodukt Milchpulver. Dessen Preiserosion auf den Weltmärkten hat zu einer starken Reduktion des Schweizer B-Milchpreises geführt. Dieser ist laut Angaben der Branchenorganisation Milch seit März um nicht weniger als 7,6 auf noch 47,2 Rp./kg gesunken, was einem Rückgang von rund 14 Prozent innerhalb von drei Monaten entspricht.

Es zählt die Mischung zwischen A- und B-Milch

Da kann der Richtpreis fürA-Milch noch so lange auf 71 Rp. verharren, in der Mischrechnung der Industriemilch-Lieferanten für Unternehmen mit grosser Pulver- und Butter-Komponente schlägt sich das erbarmungslos im Milchgeld nieder. Dies auch weil der B-Anteil laut den neuesten Zahlen der Treuhandstelle Milch (TSM) von 20,1 % im Januar auf 21,2 % im März zugenommen hat.

Dabei kann man den Produzenten keineswegs vorwerfen, dass sie ihre Menge nicht im Griff hätten. Im März lag die Produktion tiefer als in den zwei Jahren zuvor; und der Milchviehbestand sinkt zwar langsamer als auch schon, die Bestände sind aber nach wie vor tiefer als je zuvor in einem Frühjahr mit noch 544 169 Milchkühen im April (–0,6 % gegenüber April 2019). Dies zeigt, dass Zurückhaltung im Inland keine Garantie für stabile Preise bietet. Das ist ein weiterer Beleg für die starke Verknüpfung des Inlandmarkts mit dem Geschehen ennet der Grenzen.

Im Käsemarkt besonders ausgeprägt

Ausgeprägt ist diese Abhängigkeit natürlich erst recht im Käsemarkt, wo wir bekanntlich seit 2007 Freihandel mit der EU pflegen. Auch hier sind die aktuellen Zahlen der TSM aufschlussreich. Die Importe sind im März geradezu in die Höhe geschossen. Am markantesten beim Mozzarella, der einen Anstieg von sage und schreibe 54,4 % gegenüber dem März 2019 verzeichnete. Über alle Segmente betrug die Zunahme fast einen Viertel.

Die Ursachen hat die Branche zwar noch nicht grundlegend analysiert, es dürfte sich aber auch hier in erster Linie um Corona-Effekte handeln. Man mag nun sagen, das sei ein zeitlich begrenztes Phänomen, durch die Krise sind die Preise stark gesunken und der Einkaufstourismus kam Mitte März zum Erliegen.

Doch die Preise sind International auch ohne Virus flatterhaft. Und wenn die Ware im Ausland günstiger wird, greift der Handel sofort zu. Er springt als Gross-Einkaufstourist in die Bresche, wie man an den massierten Aktionsangeboten für ausländischen Mozzarella und Frischkäse derzeit unschwer erkennen kann.

Hier sei allerdings vermerkt, dass man nicht alle in einen Topf werfen kann. Während etwa beim Joghurt Aldi und Lidl gnadenlos importieren, beschränken sich Coop und Migros auf Schweizer Ware, obwohl die Zölle für Joghurt sehr bescheiden sind.

Neues preisliches Selbstvertrauen

Zurück zum Käse. Die Inlandproduktion kam hier bisher einigermassen ungeschoren davon. Im März gab es sogar noch deutliche Anstiege im Export zu verzeichnen. Diese beliefen sich über alle Sorten auf 11,7 % gegenüber der Vorjahresperiode. Diese Zunahme wurde von Beobachtern vor allem auf die für April angekündigten Preiserhöhungen beim Rohmilchkäse zurückgeführt.

Die April-Zahlen der TSM zeigen nun, dass grössere Einbrüche weitgehend ausblieben. Es ist erfreulich, dass sich das teure Qualitätsprodukt Schweizer Käse auch bei unfreundlicher Grosswetterlage International mehr oder weniger halten kann. Das neue preisliche Selbstvertrauen zeugt von einer gewissen Robustheit. Zu lange hat man hier namentlich beim Emmentaler mit Verschleuderung auf Preisdruck reagiert. Und das ist definitiv die falsche Strategie für die Hochpreisinsel Schweiz, welche diese nach wie vor ist. Aber nicht wegen überhöhter Milchpreise.