Während Metzger und Produktionsleiter Kevin Moser im Schlachtraum geschickt und mit routinierten Handgriffen eine notgeschlachtete Kuh halbiert, händigt Betriebsleiter Wolf-Dietrich Henkel einer Kundin beim hinteren Eingang ihr bestelltes Mischpaket aus. Die neue Metzgerei der Fleischgenossenschaft Sernftal im glarnerischen Engi ist gut angelaufen.

Guter Start

Seit August 2020 werden wöchentlich zwischen 20 und 30 Tiere geschlachtet. «Ende Alpsommer waren es teilweise sogar bis 36», erinnert sich Wolf-Dietrich Henkel an eine intensive Zeit. Nebst den vier Festangestellten beschäftigt die Puurämetzg mittlerweile vier Teilzeitmitarbeitende und bietet ab Sommer 2021 auch einen Ausbildungsplatz an. Nach einer längeren Planungs- und Finanzierungsphase  freut sich auch Vorstandsmitglied Andre Siegenthaler über den gelungenen Start: «Wir wurden überrannt», erinnert er sich an die vergangenen Wochen, in denen durchschnittlich zwei bis drei Neukunden monatlich verzeichnet werden konnten. Statt der prognostizierten Steigerung von 30 bis 40 Prozent konnte das Schlachtaufkommen gar verdreifacht werden.

 

Über 180 Mitglieder

Vor der Errichtung des Neubaus in Engi befand sich das Schlachthaus der Fleischgenossenschaft in Matt. Dieses musste aufgegeben werden, weil es die Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit nicht mehr erfüllte. Die Kosten des Neubaus beliefen sich auf rund 2,7 Millionen Franken. Die Finanzierung wurde durch zahlreiche Genossenschafter, die Gemeinde Glarus Süd und verschiedene Institutionen – allen voran die Berghilfe – ermöglicht. Die Fleischgenossenschaft Sernftal zählt über 180 Mitglieder. Deren Ziel ist unter anderem die Direktvermarktung von Fleisch, das im Glarner Sernftal produziert worden ist. 

 

Fleisch aus dem Automaten

Nebst der Lohnschlachtung für Landwirte und Jäger bietet die Metzgerei der Fleischgenossenschaft Sernftal auch Notschlachtungen an – und sie baut vor allem den Direktverkauf aus. Nun müsse man sich mit dem Verkauf der eigenen Produkte auf dem Markt behaupten, sagt Wolf-Dietrich Henkel, der in verschiedenen Ländern Erfahrungen in dieser Branche gesammelt hat. Die Genossenschaft hat mit ihrem Credo, Regionales direkt zu verarbeiten und an den Konsumenten zu bringen, den Nerv der Zeit getroffen. Das zeigt auch die Tatsache, dass der seit Dezember vor Ort in Betrieb stehende Automat täglich aufgefüllt werden muss.

Online-Plattform in Planung

Für Direktbestellungen von Kunden werden demnächst Kühlfächer neben den Fleischautomaten erstellt. Diese werden unkompliziert und flexibel telefonisch von Henkel oder Moser entgegengenommen. Ausserdem ist eine Online-Plattform geplant, auf der Kundinnen und Kunden die gewünschten Frischfleischprodukte auswählen können. Die erfahrenen Metzger testen neue Eigenkreationen aus und finden damit bei den Konsumenten Anklang.

Gastrokanal fällt weg

Bei den Eigenkreationen sind die beiden konsequent: «Wir verwenden ausschliesslich Glarner Fleisch», betonen sie. Das sei gerade bei verschiedenen Ergänzungen wie beispielsweise dem zugeführten Fett nicht selbstverständlich. Die Systemrelevanz einer regionalen Metzgerei ist zwar durch Corona deutlicher geworden. Als Folge der geschlossenen Restaurants fehlt aber leider die Gastronomie als möglicher Abnehmer, stellt der zielstrebige Betriebsleiter fest.

Auf dem neuesten Industriestandard

Die Qualitätssteigerung im Neubau bestätigt auch eine Landwirtin, die ihre Produkte abholt. Eine weitere Konzeptidee der Puurä Metzg bestand darin, einen Begegnungsort zu schaffen. Das regelmässige Klingeln zeigt, dass auch dieser Anspruch eingelöst werden kann. Bei Hygiene, Rückverfolgbarkeit und Kühltechnik ist in der Puurämetzg Engi der neueste Industriestandard anzutreffen. Der die strengen Tierschutzvorschriften einhaltende Wartebereich erlaubt den Mitarbeitern und den anliefernden Bauern Flexibilität. Die IT-Einrichtung ist auf dem neusten Stand und so konzipiert, dass jedes Stück Fleisch dem Ursprungstier, beziehungsweise seinem Besitzer zugeordnet werden kann.

Was ihr Handwerk aber angeht, sind sich Wolf-Dietrich Henkel und Kevin Moser für ihren «Klein»-Betrieb einig: «Wir produzieren handwerklich, damit unsere Produkte den einmaligen Geschmack behalten.»