Seit zehn Jahren führt Metzgermeister Werner Hofer die «Hausschlachtanlage Degersheim und Umgebung AG» in Pacht und schlachtet dort oft im Einmannbetrieb. Er hat die Anlage sukzessive aufgebaut. Seine Kunden, Bauern mit Direktvermarktung, sind voll des Lobes. «An 365 Tagen ist er erreichbar», betont eine Bäuerin. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Verwaltungsrat der Hausschlachtanlage hat Hofer jedoch seine Pacht gekündigt.

 

Ein Konflikt mit langer Vorgeschichte

Werner Hofer hat den Betrieb der Hausschlachtanlage Degersheim und Umgebung AG im Jahr 2010 als Pächter übernommen. Beim Antritt der Pacht hat er eigenes Inventar eingebracht und anschliessend auch namhafte Investitionen getätigt. Und in diesem Umstand sind denn auch die Gründe des Zwists zwischen dem Pächter der Hausschlachtanlage und deren Verwaltungsrat zu suchen. Offenbar kam es bei der finanziellen Abgeltung dieser Leistungen und bei Fragen von Zuständigkeiten zu Differenzen. Wie das «Tagblatt» in seiner Online-Ausgabe vom 7. Juli berichtete, führte ein Passus im Jahresbericht des Verwaltungsratspräsidenten, der sich auf diesen Konflikt bezog, zum definitiven Zerwürfnis zwischen Werner Hofer und dem Verwaltungsrat.
Der Verwaltungsrat habe in seinem Jahresbericht mehrere Aussagen vorgenommen, welche falsch seien und mache ihm als Pächter massive Vorwürfe, die er in aller Form zurückweise, schrieb Werner Hofer in einem Inserat, das am 2. Juli im Informationsblatt der Gemeinden Flawil und Degersheim erschien. Die Unstimmigkeiten lägen darin, dass sich der Verwaltungsrat nicht an den Mietvertrag halten wolle, hielt Hofer in diesem Inserat fest, in dem er auch seine Kündigung bekannt gab.
Die Kommunikation sei tatsächlich nicht immer einfach gewesen, sagte Verwaltungsratspräsident Ernst Zuberbühler dem «Tagblatt». Wie dieses weiter berichtete, hat Zuberbühler inzwischen seinen Rücktritt eingereicht und wird vom bisherigen Vizepräsidenten abgelöst. Der 62-jährige Werner Hofer hat eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. In seinem Inserat hat er den gegenwärtigen Assistenten Adrian Klauser als Nachfolger ins Spiel gebracht. chw

 

470 Schlachtungen pro Jahr

Nun gilt es, eine neue Lösung zu suchen. Der Betrieb soll wie bisher weitergehen, fordert eine Gruppe von Bauern, die extra zum Schlachthof gekommen ist, um ihren Begehren Nachdruck zu verleihen. Es soll nicht alles auf den Kopf gestellt werden, und am liebsten sähen sie den bisherigen Metzger weiterhin am Schlachthof. Denn sie sie haben ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihm.

470 Tiere hat Werner Hofer im letzten Jahr in der Anlage geschlachtet, davon 313 Rinder, von der Kuh bis zum Kalb. Der Rest waren Schweine, Schafe und Ziegen. Die Nachfrage bei den Bauern ist gross. Manchmal müssen Kunden bis zu zwei Monate warten. Bei 60 Schlachtungen handelte es sich um Not- oder Krankheitsschlachtungen.

«Eine Superanlage»

Das Fleisch geht praktisch alles zurück an die Bauern, die dieses direkt vermarkten. «Es ist oft schon verkauft, bevor das Tier zum Schlachten kommt», erklärt Werner Hofer. Er schlachtet nicht nur, sondern er zerlegt den Schlachtkörper und geht dabei auf die Wünsche der Bauern ein. Der eine will mehr Fleischstücke, der andere Würste, sei es Salami oder Bratwürste. Ein Dritter wünscht Geräuchertes. So, wie es für die Direktvermarktung eben passt. Zur Anlage gehören mehrere Kühllager, in denen das Fleisch während vier Wochen reifen kann. In den meisten Schlachthöfen genügt das Lager gerade einmal für zwei Wochen. «Es ist eine Superanlage», schwärmt Christian Enderlin aus Winden, ein Vertreter der Bauern, die in Degersheim schlachten lassen.

Während Hofer ein Tier schlachtet, vakuumieren einige Bauern das Fleisch in einem der Nebenräume. «Der Metzger nimmt sich Zeit für uns», sagt einer der Anwesenden. Er erkläre ihnen, was sie aus dem Fleisch machen und wie sie es am besten anbieten können. Hofer hat über 20 Jahre Erfahrung mit der Fleischverarbeitung. «Wir kommen gerne, es stimmt von A bis Z.» Das ist ein Kompliment, das zeigt, dass die Bauern Vertrauen in ihren Metzger haben. «Wir stehen hinter ihm», sagen sie.

Doch leider sind nur wenige der Landwirte, die hier ihre Tiere schlachten lassen, Aktionäre der Hausschlachtanlage Degersheim und Umgebung. Nur wenige von ihnen können also über die Zukunft des Betriebes mitbestimmen.

Betäubung mit Gewehr

Heute sind es drei Tiere, die geschlachtet werden, ein Wasserbüffel und zwei Angusrinder. Eine Tierärztin kontrolliert die Tiere und die Begleitscheine. Sie wird später die amtliche Fleischschau machen. Hofer hat die Anlage so eingerichtet, dass er die Tiere allein schlachten kann. Die Tiere kommen aus den Transportern in einen Korral, ein Warteraum im Freien, und werden von dort über runde Treibwege zur Betäubung gelenkt. So müssen die Tiere aus Freilaufställen nicht am Halfter geführt werden. Zur Betäubung verwendet Hofer ein Gewehr. Er schiesst aus einer Distanz von etwa einem Meter. So sei das Tier ruhiger, denn beim Bolzenschuss müsse er den Kopf des Tieres berühren und es werde nervös. Ausserdem ist die Schlagkraft der Gewehrkugel grösser. Auch er selbst ist besser vor Unfällen geschützt, da er alles von aussen machen kann.

Bereit zur Mitarbeit

Obwohl Werner Hofer seinen Pachtvertrag gekündigt hat, wäre er bereit, aushilfsweise in der Hausschlachtanlage mitzuarbeiten. Adrian Klauser, ein junger Metzger, hat Hofer bisher ausgeholfen. In Zukunft wäre es umgekehrt. Klauser wäre der Hauptverantwortliche. Für die Bauern wäre das eine gute Lösung, denn so hätten sie Hofer weiterhin als Berater und wüssten, dass sein Nachfolger die Arbeit wie bisher fortführen wird. Nicht zuletzt wäre dann wohl auch das Inventar schon vorhanden, denn dieses ist im Eigentum des Pächters.

«Die Hausschlachtanlage ist etwas Gutes für den Bauern und das Tier», ist Werner Hofer überzeugt. Sie dürfte auch im Interesse der Konsumenten liegen, die Wert auf Tierwohl und Regionalität legen.