Vor zehn Jahren startete der Jurapark Aargau seinen Betrieb unter dem Label «Regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung». Die Stimmung war nicht überall euphorisch. In Landwirtschaftskreisen wurden Einschränkungen bei der Produktion befürchtet, einige reute das Geld für die «Bürokratie», andere glaubten nicht an Resultate.
Anfang 2022 ist der Jurapark Aargau in die zweite Betriebsphase gestartet. Alle 28 Gründungsgemeinden und acht neue Gemeinden haben den Parkvertrag unterzeichnet. «An den Gemeindeabstimmungen gab es keinerlei kontroverse Diskussionen und kaum Gegenstimmen», kommentiert Anna Hoyer, stellvertretende Geschäftsleiterin des Juraparks Aargau, die Stimmung heute.
«Landwirtschaft ist eigentlicher Kern des Parks.»
Colette Basler, BVA-Vizepräsident und Bäuerin im Parkperimeter.
100 Betriebe machen mit
Von den rund 570 Landwirtschaftsbetrieben in der Region machen gegen 100 in irgendeiner Form beim Jurapark Aargau mit. Auch das regionale Landschaftsqualitätsprojekt läuft über den Park. «Die Landwirtschaft ist der eigentliche Kern des Parks, ebenso die Bauernfamilien», sagt Colette Basler, Vizepräsidentin des Bauernverbands Aargau, die mit ihrer Familie in der Parkgemeinde Zeihen einen Betrieb führt. «Ohne ihren Goodwill und tatkräftige Mitarbeit würde das Umsetzen von Projekten schwierig oder unmöglich.»
Jurapark Aargau
Im Parkperimeter leben rund 55'000 Menschen. Haupthandlungsfelder des Juraparks Aargau sind Natur und Landschaft, nachhaltige Regionalwirtschaft, Gesellschaft und Kommunikation, Parkmanagement und Forschung. Die Trägerschaft ist als Verein organisiert mit strategischer Leitung beim Vorstand, das Tagesgeschäft führt die Geschäftsstelle in Linn, Bözberg, mit zehn Vollzeitstellen. Von den 1,75 Millionen Franken Gesamtbudget für das Jahr 2022 trägt der Bund die Hälfte, die Parkgemeinden 12 Prozent und der Kanton 18 Prozent; knapp 20 Prozent werden aus Projekten und Dienstleistungen erwirtschaftet.Der Jurapark Aargau ist nicht einspracheberechtigt und es gelten im Park dieselben gesetzlichen Grundlagen wie ausserhalb.
Produzenten waren zuerst skeptisch
Familie Pfister vom Lindenhof in Bözen hat ihr Natura-Beef, Wein und Spirituosen sowie Traubensaft mit dem Jurapark-Label zertifiziert. «Zu Beginn war ich skeptisch, da sich in der Vergangenheit ähnliche Projekte für die regionale Vermarktung nicht durchsetzen konnten», erinnert sich Betriebsleiter Reto Pfister. Der Jurapark Aargau hingegen habe sich sehr gut etabliert. «Ich engagiere mich für den Park, da mir unsere einzigartige Landschaft am Herzen liegt», sagt der Landwirt, «zudem ist es mir ein grosses Anliegen, dass die Konsumenten in der Region einkaufen und somit lokale Produzenten unterstützen.» Da helfe der Jurapark Aargau und fördere den Absatz von Regionalprodukten mit Projekten wie Genussstrasse oder Weinwanderung. Allein die Weinwanderung bringt dieses Jahr 500 Menschen auf die Partnerbetriebe.
Auch die Obstproduzenten Joe und Astrid Bründler aus Wittnau waren zuerst eher vorsichtig. «Wir haben dann relativ früh die ersten Produkte zertifizieren lassen und bald eine gute Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle genossen.» Heute wirken sie an regionalen Projekten mit und vermarkten einen Teil ihrer Produkte mit dem Jurapark-Label. «Der Jurapark Aargau macht Werbung für unsere schöne Region und ihre Produkte.»
[IMG 2]
Der Umsatz mit zertifizierten Jurapark-Produkten betrug 2021 rund 2,5 Millionen Franken. Direktvermarkter(innen) profitieren von Bekanntheitsgrad, Marketingaktivitäten und vereinfachtem Marktzutritt. Coop ist beispielsweise ein zuverlässiger Abnehmer von Jurapark-Produkten und bewirbt diese prominent.
Ein grosses Netzwerk
Weiter besuchen Schulklassen und Firmen im Rahmen von Jurapark-Projekten die Höfe und leisten dort auch Arbeitseinsätze. «Unsere Angebote basieren alle auf Freiwilligkeit und bieten Chancen ohne grosse Risiken», kommentiert Anna Hoyer. Produzent(innen) vernetzen sich untereinander, aber auch mit der Gastronomie und Verarbeitungsbetrieben. Sie erschliessen neue Absatzkanäle und bündeln ihre Aktivitäten. Sie können Beratung im Bereich Natur und Landschaftsthemen beziehen. Und der Park vertritt die Interessen der Akteure gegen aussen.
Besucher brauchen Lenkung
Dass der Jurapark Aargau die Region bekannt macht, bringt nicht nur Vorteile. Bründlers jedenfalls wünschen sich den Park nicht noch grösser, damit der Tourismus tragbar bleibt. Colette Basler bestätigt: «Beim Chriesiweg und der Linner Linde, um nur zwei Beispiele zu nennen, haben wir grosse Schwierigkeiten mit Littering, fehlenden Parkplätzen, Picknick im hohen Gras.» Es gebe unerlaubte Biketrails, Menschen würden sich bei jeder Tages- und Nachtzeit im Wald tummeln. «Hier braucht es zwingend eine Lenkung der Besucherströme.»
Als es während der Pandemie besonders arg wurde und die steigende Zahl der Erholungssuchenden zu Konflikten mit der Landwirtschaft führte, reagierte der Park mit einer Sensibilisierungskampagne, die auch der Bauernverband Aargau unterstützte. Zudem erarbeitete der Park gemeinsam mit zahlreichen Akteuren ein Erholungskonzept, das künftig dem Park und den Gemeinden bei der achtsamen Planung Grundlagen liefert.
Astrid und Joe Bründler geben noch etwas zu bedenken: «Beiallen Landschaftsprojekten sollte nicht vergessen werden, dass für die Landwirtschaft genügend Wirtschaftlichkeit bestehen bleiben sollte. Es ist für die Produzenten zum Beispiel nicht sehr erfreulich, wenn Hochstammkirschen um jeden Preis gefördert werden und dann der Absatz der Kirschen schwierig ist.»
«Wir wissen von den Herausforderungen der Bauernfamilien wie tiefe Preise, fehlende Verarbeitungsbetriebe, Abnahmeverweigerung von nicht passenden Nahrungsmitteln, aufwendige Logistik», sagt Anna Hoyer. «Dass es ohne wirtschaftlich tragbare Lösungen langfristig nicht funktioniert, ist uns mehr als bewusst.» Die Handlungsmöglichkeiten des Juraparks Aargau seien beschränkt, «aber durch die Fokussierung auf die Regionalität von Verarbeitung bis zum Konsum wollen wir durch die Absatzförderung die Landwirtschaft stärken.»