Es war einmal die Königin der Ackerkulturen. Sie lebte in einem Land mit klimatisch optimalen Bedingungen, wo sie gedeihen und spriessen konnte und ihrem Herrn die höchsten Deckungsbeiträge pro Hektare einbrachte ... Das klingt nach dem schönen Anfang einer Gute-Nacht-Geschichte. Doch wie wir wissen, geht ein schöner Anfang fast immer mit einem dramatischen Konflikt einher.
Interesse am Anbau zurückgegangen
Vor über 100 Jahren wurde die erste Zuckerrübe, wie wir sie heute kennen, in der Zuckerfabrik Aarberg verarbeitet. Wenig später folgte die Verarbeitung im Werk Frauenfeld. Ihr Anbau galt als lukrativ. Sie passte gut in die Fruchtfolge und verbesserte den Boden. In den letzten Jahren verabschieden sich aber immer mehr Landwirte von ihrer damals heiss geliebten Zuckerrübe. Von den 7000 Rübenbauern im Jahr 2010 sind heute nur noch 4500 der Rübe treu. Seit 2014 wird in der Schweiz deshalb nicht mehr die gewünschte Zielfläche von 20'000 Hektaren erreicht, die für die Auslastung der Fabriken, aber auch – so die Schweizer Zucker AG – für die Versorgungssicherheit mit Schweizer Zucker nötig wäre. Importe sind die Folge. Doch warum ist das Interesse für die einstige Königin so zurückgegangen?
Agrarpolitische Ursachen
Dies hat mehrere Ursachen. Zum einen wird die Schweizer Zuckerproduktion stark von den agrarpolitischen Entwicklungen im EU-Raum beeinflusst. Durch die bilateralen Abkommen und die sogenannte «Doppelnulllösung für Zucker in verarbeiteten Produkten» gibt es zwischen der Schweiz und der EU keine Preisausgleichsmassnahmen mehr. Folglich muss sich der Schweizer Preis auf vergleichbar tiefem Niveau wie der EU-Zuckerpreis bewegen. Allein durch die Bekanntgabe der EU-Pläne brachen die Schweizer Zuckerpreise 2014 bis 2016 um über 30 Prozent ein, wodurch die Fabriken gezwungen waren, die Rübenpreise immer weiter zu senken. Mittlerweile habe sich die Marktlage entspannt und die «Tiefpreisphase in der EU ist vorbei», sagte einmal Guido Stäger, CEO der Schweizer Zucker AG, gegenüber der BauernZeitung.
Klima, Krankheiten und Schädlinge setzen dem Anbau zu
Aber auch das Klima und die damit neu auftretenden Krankheiten und Schädlinge erschweren zunehmend den Rübenanbau. Zu nennen ist die neue Bakterienkrankheit Syndrome Basses Richesses, kurz SBR, die seit 2017 für bedeutende Schäden in den Zuckerrüben sorgt. Mittlerweile ist SBR nicht nur in der Westschweiz, sondern auch bis nach Aarberg vorgerückt. Zudem reduzierten milde Winter die Schädlingspopulation nicht mehr wie gewohnt. Besonders in diesem Jahr zeigt sich ein äusserst massiver Blattlausdruck. Dies ist aber nicht nur dem Klima zuzuschreiben. Auch Pflanzenschutzmittelverbote machen den Rübenbauern das Leben schwer.
Es herrschen Unsicherheiten auf dem Pflanzenschutzmittelmarkt
Im vergangenen Jahr wurde die Saatgutbeizung mit Gaucho, einem Neonicotinoid, verboten, das eine 100-prozentige Wirkung gegen Blattläuse aufwies. Einzig der Wirkstoff Pirimicarb verblieb zur Bekämpfung. Doch es herrscht Unsicherheit auf dem Pflanzenschutzmittelmarkt. Die Hersteller befürchten, dass Zulassungen kurzfristig entzogen werden könnten und sie auf ihre grossen Lagerbestände sitzen bleiben. Das spüren jetzt die Rübenbauern – aufgrund des hohen Blattlausdrucks in vielen Kulturen ist Pirimicarb nun teilweise ausverkauft. Wo noch nicht behandelt wurde, könnten Verluste entstehen. Hinzu kommen die massiven Probleme mit der Bahnlogistik in den vergangenen Jahren.
Zuckerbranche kämpft um die Rübe
Diese ganzen schwierigen Bedingungen verunsichern die Pflanzer. Doch die Zuckerbranche kämpft weiter. Als Anreiz werden beispielsweise SBR-geplagte Bauern teilweise von Abzügen befreit. Verbesserungen in der Bahnlogistik werden vorgenommen, die Richtpreise mit dem EU-Zuckermarktfonds stabil gehalten. Zusätzlich wurde der Schnitzelverkauf attraktiver gemacht, die Mengen mit Pflanzerrabatt wurden deutlich erhöht. Auch der Bund springt ein und hebt den Einzelkulturbeitrag auf 2100 Franken pro Hektare an, zumindest noch in diesem Jahr. Eingeführt wurde auch ein Mindestzoll von 70 Franken pro Tonne Zucker. Ein nachhaltiger Anbau wird mit Ressourcen-Effizienzbeiträgen gefördert.
Es sind deutliche Anstrengungen vonseiten der Branche und Politik zu spüren. Werden diese Anreize es schaffen, die Zuckerrübe wieder auf den Thron der Ackerpflanzen zurück zu katapultieren? In diesem Jahr beträgt die Anbaufläche 17'750 Hektaren – 30 Hektaren weniger als im Vorjahr. Die Massnahmen fruchten, denn die Branche geht davon aus, dass ohne diese der Flächenrückgang wohl viel grösser ausgefallen wäre.