Erinnern Sie sich, wann Sie das letzte Mal einen Apfel gegessen haben? Erinnern Sie sich auch an die Sorte? Ein «Magic Star» wird es wohl kaum gewesen sein. Dieser schön klingende Name soll die Sorte SQ159 erhalten, die in der Obstbaumschule von  Beat Lehner wächst. SQ159 oder eben «Magic Star» ist resistent gegen Schorf und wenig anfällig auf Mehltau und Feuerbrand. Alles Eigenschaften, die ein Apfel braucht, damit Pflanzenschutzmittel auf ein Minimum reduziert werden können. Und genau das fordert ja der Konsument.

Das Problem oder die Herausforderung bei der Züchtung neuer Apfelsorten ist, dass sie nicht ein paar Jahre, sondern zwei bis drei Jahrzehnte benötigt, sofern sie auf traditionelle Weise erfolgt. Nur aus einem von 30 00 Apfelsamen entsteht eine neue Handelssorte. Bis die Sämlinge aus einer Kreuzung erste Früchte tragen, dauert es vier bis fünf Jahre. Erst nach dieser Zeit kann die nächste Kreuzung durchgeführt werden.  Nebst den Eigenschaften, mit denen man weiterzüchten will (zum Beispiel Schorfresistenz), müssen unerwünschte Eigenschaften wieder ausgekreuzt werden. 

«Magic Star» steht am Ende dieses Züchtungsprozesses. Ab nächstem Jahr sollen erste Muster der neuen Sorte in den Verkauf gelangen. Aber Beat Lehner und Markus Kobelt mussten vor 20 Jahren entscheiden, welche Eigenschaften die Handelssorte einst haben soll.

Heute geht der Trend in Richtung süsse Sorten. Gefragt sind laut Beat Lehner Äpfel  mit  einem besseren Crunch, also Biss, und einer guten Textur. Was aber, wenn diese Eigenschaften in 20 Jahren beim Konsumenten gar nicht mehr gefragt sind?

Es gibt  Methoden und Technologien, um den Züchtungsprozess zu beschleunigen. Zwei Beispiele: Bei der Frühverblühung werden die Züchtungszyklen beim Apfel dank Einbringen des Birkengens auf wenige Monate reduziert. Mit der Cisgenetik werden bestimmte Apfelgene  in bestehende Apfelsorten eingepflanzt. Sie merken, hier geht es um Molekularbiologie, um Genübertragungen. Und schon blinken bei den einen (und da zähle ich mich dazu) die Alarmlampen rot. Nur keine Gentechnik!

Wir sind in einer Zwickmühle. Um den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel im Obstbau und generell auf ein Minimum reduzieren zu können, braucht es resistente Sorten. Bis diese Apfelsorten marktreif sind, wird über die Pestizid- und Trinkwasserinitiative gar nicht mehr gesprochen.

Wenn wir aber in wenigen Jahren resistente Sorten haben wollen, wenn wir rasch auf Trends reagieren möchten, kommen wir um neue Technologien nicht herum. Die ETH Zürich hat im Rahmen ihrer Forschungsprogramme bereits Erfahrungen mit Frühverblühung und Cisgenetik gesammelt. Eine weitere Effizienzsteigerung verspricht man sich bei der ETH Zürich durch  die Entschlüsselung des Erbguts mit Hilfe von Computersoftware. Mit den genetischen Profilen können Eigenschaften bereits an frisch ausgekeimten Sämlingen vorhergesagt werden.  Der technische Fortschritt ist in vollem Gange. Was fehlt, ist die Akzeptanz bei den Konsumentinnen und Konsumenten.

Doch woher kommt diese ablehnende Haltung? Wahrscheinlich daher, dass bisher wenig über die Züchtung gesprochen und informiert wurde. Der Schweizer Obstverband  hat darauf reagiert und die Medien zum Start der Schweizer Apfelernte auf einen Apfelzuchtbetrieb eingeladen. Damit sandte er ein klares Signal aus: Die Obstbranche ist bereit, etwas zu machen, sich zu engagieren, aber wir brauchen auch die Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten. Akzeptanz  für neue Sorten, für neue Technologien, aber auch für eine Preisgestaltung, die den  Mehrwert der Schweizer Obstproduktion und die zusätzlichen Anforderungen und Risiken abdeckt.

Für die Obstproduzentinnen und Obstproduzenten beginnt jetzt die schönste, wohl aber strengste Zeit im Jahr. Der Schweizer Obstverband schätzt die Erntemengen auf 124 00 Tonnen Tafelobst und 78 00 Tonnen Mostobst.   Rund 816 Millionen Tafeläpfel werden in den nächsten Wochen geerntet. Deshalb:  Freuen wir uns doch an den knackigen Schweizer Äpfeln und saftigen Birnen, die es jetzt wieder gibt.