Das aussergewöhnliche Pandemiejahr 2020 fordert auch von der Mostobstbranche ihren Tribut, schreibt der Direktor des Schweizer Obstverbandes (SOV), Jimmy Mariéthoz, in einem Statement. «Mit einem Rückbehalt von 11 bis 13 Franken auf Schweizer Mostobst schlagen die Wogen hoch», heisst es im Papier. Und das sei auch völlig verständlich, gibt der Direktor des SOV zu.

Die Gründe für die hohen Rückbehalte seien vielfältig: erstens sei die diesjährige Ernte überdurchschnittlich und sie liege deutlich über dem Markbedarf. Zweitens sei der Absatz von Apfelsaft seit Jahren rückläufig – und Corona habe die Situation zugespitzt. Und drittens seien die Lager bereits vor 2020 gut gefüllt gewesen, das sei eine Nachwirkung der Rekordernte 2018, erklärt Jimmy Mariéthoz. 2018 habe die Branche einen vergleichsweise tiefen Rückbehalt erhoben, um die Produzenten nach dem Frostjahr 2017 nicht zusätzlich zu belasten. «In der Folge fehlten die Mittel für die Exportunterstützung und die Lager leerten sich nicht», bedauert der SOV-Direktor.

Heute, zwei Jahre später, seien die Konzentratlager der Schweizer Mostobstbranche gut gefüllt und könnten den Marktbedarf von über zwei Jahren abdecken.

Zeit für eine Bereinigung

«Es ist Zeit zu handeln, auch wenn dies sehr schmerzhaft ist», folgert Jimmy Mariéthoz. Das Produktzentrum (PZ) Mostobst des Schweizer Obstverbandes, das aus Vertretern von ­Produktion und Verarbeitung besteht, habe keinen einfachen Entscheid zu fällen. «Ein Rückbehalt in dieser Höhe ist für alle Beteiligten kein Grund zur Freude», hält Mariéthoz fest. Der Entscheid sei aber partnerschaftlich entstanden. Das PZ sei daran, die Lage zu analysieren, das Problem nicht zu vertagen und tragfähige Lösungen für die Zukunft zu finden, heisst es.

90 835 Tonnen Mostäpfel und rund 11 293 Tonnen Most­birnen wurden an die Verarbeitungsbetriebe abgeliefert. Die Ernten waren wesentlich höher als geschätzt. Ist der SOV überrascht?

Jimmy Mariéthoz: Die Mostobstmenge zu schätzen, ist nicht ganz einfach, da die Erträge stark von der Witterung abhängig sind. Aufgrund der guten Witterungsbedingungen waren die Kaliber des Mostobstes relativ gross und das hat Einfluss auf die Menge. Ein Millimeter mehr Umfang kann bis zu fünf Prozent mehr Gewicht bei den Äpfeln und Birnen ausmachen.

Vor der Ernte schätzte der SOV den Rückbehalt bei den Mostäpfeln auf Fr. 6.50, jetzt sind wir bei 13 Franken. Lohnt sich bei so tiefen Preisen die Ernte von Mostäpfeln noch?

Jeder Obstproduzent ist Unternehmer, und ob es sich für Mostobstproduzenten rechnet, ist stark von den jeweiligen Betriebsstrukturen abhängig.

Vor der Ernte schätzte der SOV den Rückbehalt bei den Mostbirnen auf Fr. 7.–, jetzt sind wir bei 11 Franken. ­Haben wir zu viele Birnbäume? Braucht es neue innovative Verwertungen für Mostbirnen?

Die Branche ist sehr innovativ und entwickelt neue Produkte. Wir gehen lediglich von einer punktuellen Überproduktion aus, die grundsätzlich notwendig ist für die Gewährleistung von Reserven in schlechten Mostobstjahren.

Machen Rückbehalte insgesamt einen Sinn?

Ja, sie garantieren, dass die gewerblichen Mostereien die gesamte Erntemenge übernehmen und sorgen für stabile Marktpreise.

Wie sieht es beim Bio-Mostobst aus? Gibt es weiterhin keinen Rückbehalt? Wenn viele Obstbauern auf Bio um-steigen würden, werden später auch Rückbehalte auf Bio-Mostobst eingeführt?

Mostobst nach biologischer Produktionsmethode liegt genügend vor. Die Mostereien können ihren Bedarf gut decken und kleine Reserven anlegen. Der Markt ist hier aber begrenzt und wenn grössere Übermengen entstehen, wird auch auf Bio-Mostobst ein Rückbehalt festgelegt.