Wenn man durch die Rebberge in Hallau spaziert, sieht man vor allem die Rebbauern bei der Arbeit und bewirtschaftete Flächen. Doch sieht man genauer hin, erkennt man viele Kleinstrukturen, die den heimischen Wildbienen und anderen Tierarten einen wertvollen Lebensraum bieten. An einem Expertengespräch mit Bernhard Egli, Projektleiter Natur & Landschaft beim Regionalen Naturpark Schaffhausen (RNPSH), konnten Interessierte diese Lebensräume entdecken. Dank des Artenförderungsprogramms des RNPSH und dem kommunalen Vernetzungsprojekt von Hallau-Wilchingerberg-Trasadingen, ist es möglich, dass solche Biodiversitätsförderflächen entstehen.
Lebensturm für viele Tiere
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Schulklassen haben gemeinsam mit dem Naturpark vier Lebenstürme errichtet, zwei weitere folgen. Sie sehen aus wie grosse Wildbienenhotels, werden aber vom Boden aus in die Höhe errichtet. Der Turm besteht aus verschiedenen Podesten, jedes bietet vielen verschiedenen Tierarten und Wildbienen Nist- und Versteckmöglichkeiten.
Einen solchen Lebensturm zu bauen, braucht einiges an Fachwissen. Bernhard Egli erzählt, dass auch sie noch ausprobieren, z. B. bei den Sandblöcken. Diese brauchen genau die richtige Beschaffenheit des Materials, damit sie bewohnt werden. Auch bei Wildbienenhotels sehe er da immer wieder Fehler. «Die Löcher im Holzrugel müssen quer gebohrt werden. Sind diese längs, gibt es Längsrisse ins Holz. So sind sie nicht nutzbar für die Wildbienen.»
Richtiger Lebensraum und richtiges Futterangebot
Ein Lebensturm zeigt also auf, wie vielfältige Lebensräume unsere Tierarten brauchen. Aber nicht nur das. Bewohnt wird er nur, wenn die Umgebung Futter bietet. Wiesenblumen, Rosensträucher und Blühstreifen dienen als Nahrungsquellen. Die Insekten ernähren sich von Nektar und Pollen. Viele Wildbienenarten sind Spezialisten, sie sind auf Pollen einer ganz bestimmten Pflanzenfamilie oder -gattung angewiesen. Einige sogar auf eine bestimmte Pflanzenart.
Wildbienen bevorzugen vegetationsfreie, warme und trockene Flächen. Sie bauen ihre Nester auch gerne in Gesteinen, morschem Totholz oder in hohlen oder mit weichem Mark gefüllten Pflanzenstängeln. Jede Wildbiene ist da sehr individuell. Sie bevorzugen freie, lichte Flächen, da sie Zugang zum Boden brauchen. Extensive Weiden sind besonders wertvoll. Sie bieten viele Kleinstrukturen wie Hecken, abgefressene Stellen und Blüten. Dichtes und hohes Gras ist ungeeignet.
Die südexponierten Rebhänge sind ideale Lebensräume. An Terrassenlagen finden sich häufig Ränder und Ecken, diese sind ideale Lebensräume. An einer solchen Kante oberhalb von Hallau wurde sogar eine Wildbienenart gefunden, welche in der Schweiz als ausgestorben galt. Es handelt sich um die Kohls-Wespenbiene.
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Auch ein Mehrwert für die Bauern
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Ziel des Artenförderungsprogramms ist, dass an Stellen, wo man Wildbienenarten findet, weitere Kleinstrukturen und Nahrungsquellen geschaffen werden. Das können Hecken, Buntbrachen, Abbruchkanten, Untersaaten, Böschungspflege oder Trockensteinmauern sein. Ziel des Artenförderungsprogramms des Regionalen Naturparks Schaffhausen ist es, an Stellen, wo man Wildbienenarten findet, weitere Kleinstrukturen und Nahrungsquellen zu schaffen. Somit gibt man den Wildbienen eine Chance, sich weiter auszubreiten.
Wo Rebflächen zu steil werden für die Bewirtschaftung oder die Traubenabgabemenge durch die Keltereien eingeschränkt wird, besteht für die Bauern die Möglichkeit, weitere Kleinstrukturen zu schaffen. Der Regionale Naturpark sieht seine Aufgabe darin, die Bauern mit Fachwissen zu unterstützen. Beispielsweise können verschiedene Untersaatenmischungen beim Naturpark bezogen werden. Bei einer Anfrage bieten sie auch Unterstützung beim Bau von Trockensteinmauern, Heckenpflanzung oder Böschungspflege.
Liegt eine Parzelle im Vernetzungsprojekt, können fünf Prozent pro Parzelle als Zurechnungsfläche angerechnet werden. Pro Hektare bekommt man vom Bund 1000 Franken Vernetzungsbeiträge. Diese Kleinstrukturen können auch an das Punktesystem von IP-Suisse angerechnet werden. Von 2013 bis 2020 konnten im Vernetzungsprojekt Hallau-Wilchingerberg-Trasadingen die Biodiversitätsförderflächen fast verdoppelt werden: von 150ha auf 300ha.