Die Zuckerrüben-Kampagne steht kurz vor ihrem Abschluss. Üblicherweise erfolgen danach die Zuckergehaltsbezahlungen an die Pflanzer. Aufgrund der aktuellen Problematik mit Syndrome de basse richesses (SBR) und der Virösen Vergilbung hat die Zuckerbranche für die Ernte 2020 eine «neutrale Zone» festgelegt. D. h., jene Pflanzer, die mit diesen Krankheiten zu kämpfen hatten und dementsprechend mit tieferen Zuckergehalten rechnen müssen, erhalten keine Abzüge zwischen 16 und 15 % Zucker. Diese Regel ist allerdings an eine Bedingung geknüpft: Die Pflanzer müssen auf mindestens 80 % ihrer Vorjahresfläche wieder Zuckerrüben aussäen, ansonsten gibt es Abzüge bereits ab 15,9 % Zuckergehalt.

Warum sich die Zuckerbranche einer solchen Taktik bedient, klärt Josef Meyer, Präsident Schweizer Verband der Zuckerrübenpflanzer, in einem Interview mit der BauernZeitung.

Herr Meyer, das klingt sehr nach einem Ultimatum an die Zuckerrüben-Pflanzer.

Josef Meyer: Nein, dies ist nicht so. Diese Regel wurde eingeführt, um die Anbaufläche möglichst hoch zu halten, auch in Gebieten, die wegen der bekannten Probleme tiefe Zuckergehalte haben. In der neutralen Zone gibt es weder Abzüge noch Zuschläge von 15 bis 16 % Zuckergehalt. Darunter gibt es pro 0,1 % Zuckergehalt 50 Rappen Abzug. Wir wollen dieses zusätzliche Geld nur den Pflanzern zugutekommen lassen, die beim Rübenanbau bleiben. Darum die Regel, dass im Folgejahr mindestens 80 % der Vorjahresfläche mit Zuckerrüben gesät werden muss. Ansonsten werden die 50 Rappen pro 0,1 % Zuckergehalt ohne die neutrale Zone gehandhabt. D. h., schon ab 15,9 % gibt es den Abzug von 50 Rappen.

Werden also die bestraft, die weniger Anbaufläche angemeldet haben?

Dies ist tatsächlich so. Es geht aber um die Erhaltung der Anbaufläche. Härtefälle wie z. B. Landverluste werden analysiert und im Einzelfall beurteilt.

Für die Ernte 2021 wurde die Qualitätsprämie von 50 auf 35 Rp. je 0,1 % Zuckergehalt gesenkt. D. h., es gibt deutlich weniger Abzüge als üblich, aber auch deutlich weniger Einnahmen für all jene mit einem Zuckergehalt über 16 %. Was sind die Gründe für diese Anpassung?

Zahlreiche Berechnungen haben uns aufgezeigt, dass hohe Zuckergehalte im heutigen Preisgefüge überbezahlt sind. Das heisst, dass der Zucker aus Rüben mit hohen Zuckergehalten die Zuckerfabrik teurer zu stehen kommt, als Zucker, der aus Rüben mit 16 % Zuckergehalt gewonnen wird. Auch ist die neue Zuckergehaltsbezahlung in Prozenten zum Rübenpreis noch wesentlich höher als jene aus dem benachbarten Ausland. Darum haben wir in der Branchenvereinbarung 2021 die Qualitätsbezahlung neu bei 35 Rappen festgelegt.

Die Anpassung wird natürlich diejenigen freuen, die aufgrund der Rübenkrankheiten tiefe Zuckergehalte haben.

Die Senkung der Qualitätsbezahlung wurde nicht aufgrund der Rübenkrankheiten vorgenommen. Dies ist nur ein positiver Nebeneffekt für jene Pflanzer, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben.

Wird die Qualitätsprämie also zukünftig nicht mehr angehoben?

Dies wird durch mehrere Elemente beeinflusst. Als Erstes scheint es mir wichtig, dass die Qualitätsprämie im richtigen Verhältnis zum Grundpreis steht. Das heisst, bei einem höheren Grundpreis gibt es eine höhere Zuckergehaltsbezahlung, bei einem tieferen Grundpreis ist die Zuckergehaltsbezahlung auch dementsprechend tiefer. Ebenfalls haben die Entwicklung der Verarbeitungs- oder Transportkosten, aber auch die Entwicklung der Schnitzelpreise einen Einfluss. Unser Ziel muss aber bleiben, gehaltvolle Rüben in die Fabrik zu bekommen. Es gilt also, Anreize dafür zu schaffen.

Ein solcher Anreiz kommt auch vom Bundesrat. Noch bis Ende 2021 unterstützt er die Pflanzer mit einem höheren Einzelkulturbeitrag. Gab es schon Gespräche, ob die Unterstützung ab 2022 fort-gesetzt werden soll aufgrund der katastrophalen Situation mit der Virösen Vergilbung?

Die Unterstützungen des Zuckerrübenanbaus ab 2022 werden schon seit einiger Zeit intensiv diskutiert. Die Diskussionen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft und dem zuständigen Bundesrat sind schwierig. Diese finden es leider wichtiger, der verarbeitenden Industrie billige Rohstoffe zur Verfügung zu stellen, als die Zukunftsperspektiven des Zuckerrübenanbaues zu verbessern. Wir zählen jetzt darauf, dass National- und Ständerat den richtigen Weg weisen. Die Perspektiven, dass wir damit Erfolg haben, sind gut.

Interview (schriftlich)