«Eigentlich mischt sich die Regierung des Kantons Wallis nicht ein in Abstimmungen», erklärte Christophe Darbellay, Vorsteher Departement Volkswirtschaft und Bildung, am Freitag vergangener Woche an der Landwirtschaftsschule Wallis. «Doch angesichts der eidgenössischen Abstimmung über die Revision des Jagdgesetzes wollen wir festhalten, dass dieses Gesetz einen guten Kompromiss darstellt, der den Schutz der Wildtiere stärkt und den Kantonen ein Instrument zur Regulierung der Wolfspopulation und zur Begrenzung der Schäden an den Herden bietet.»

Den Schafzüchtern zuhören

Endlich müssten die betroffenen Schafzüchter angehört werden; Universitätsprofessoren und Wissenschaftler hätten sich genug geäussert, wie auch Politiker, die glaubten, über alles Bescheid zu wissen. So wurden an die Medienkonferenz auch drei langjährige Schafzüchter eingeladen. Weiter nahm der Herdenschutzverantwortliche Moritz Schwery teil. Offensichtlich fanden die Redaktionen von Fernseh- und Radiostationen und Tageszeitungen, es handle sich um eine wichtige Angelegenheit und delegierten zehn Personen. Christophe Darbellay meinte, er sei zwar auch Politiker, aber ebenso ein «Kind der Berge». Er trage nicht nur eine grüne Krawatte, sondern sei im Herzen ein «Ecolo», also ein Umweltschützer. Er höre und lese immer wieder, wir müssten halt lernen, mit dem Wolf zu leben. «Aber nicht, wenn er sich in Dörfern promeniert.» Schliesslich sei er ein wildes Tier, hielt Darbellay dagegen. Sollen Biodiversität und der Schutz des Alpenraums erhalten bleiben, müssten Schafalpen weiterhin bestossen und nicht dem Wolf überlassen werden.

Der Schafbestand sinkt

Moritz Schwery von der Dienststelle Landwirtschaft blickte zurück auf 1995, als die Geschichte des Wolfs im Wallis begann, das heisst, als die Probleme der Schafzüchter durch die zunehmende Zahl der Wölfe und deren ausgezeichnetem Anpassungsvermögen anfingen. Der Herdenschutz wurde immer wieder neu organisiert. Trotzdem mussten seit 2010 fast 30 der 150 Schafalpen aufgegeben werden. Man rechne damit, dass nächstes Jahr aufgrund des Drucks durch den Wolf zehn zusätzliche Alpen nicht mehr bewirtschaftet würden. Entsprechend ging auch der Schafbestand von damals rund 50 000 Tieren auf rund 40 000 zurück. Zusammen mit Agridea wurde ein Herdenschutzprogramm ausgearbeitet, wobei der Einsatz von Herdenschutzhunden, das Erstellen von Zäunen und Nachtpferchen zum Tragen kommt.

Kein ruhiges Leben auf der Alp

«Wir haben genug, meine Familie und ich», sagt Schafzüchter Olivier Sarrasin, Praz-de-Fort VS. Er verlor Anfang Mai dieses Jahres in einer Nacht acht Schafe. Der Wolf hatte nur 100 Meter vom nächsten bewohnten Haus entfernt im Weiler zugeschlagen. «22 Tage bewachten darauf meine Familie und ich Tag und Nacht unsere Herde von über 200 Tieren», blickt er zurück. Sie seien alle erschöpft gewesen und hätten sich auf das eher ruhige Leben auf der Alp gefreut. Aber nichts sei mehr so gewesen wie vorher: Sie hätten nicht nur viel Zeit verbracht für den Herdenschutz, zudem seien dieses Jahr bekanntlich Touristen in aussergewöhnlicher Anzahl aufgetaucht. Unaufgeregt aber enttäuscht schloss er sein Referat: «Der Wolf, dieses intelligente Tier, ist geschützt. Und ich stelle die Frage, wer denn unsere Schafe schützt?».

«Wir wollen hier bleiben»

«Früher waren unsere Schafe auf der Alp morgens, abends und nachts draussen», berichtet Dani Ritler von der Alpe Gugginen in Blatten VS im Lötschental. «Mittags und nachmittags hielten wir sie der Hitze wegen drinnen.» Dieses Programm gelte nicht mehr, obwohl ein dreieinhalb Kilometer langer Zaun aufgestellt wurde und die Schafe nachts einpfercht würden. Es dünke ihn, sie arbeiteten nur noch für die Schafe – gegen den Wolf. Im Juli hätten sie eigentlich heuen müssen, aber sie seien beschäftigt gewesen, sich gegen das Raubtier zu wehren. Trotzdem verlor er acht grosse prächtige Mutterschafe. «Wir leben hier», fügte er bekümmert an, «wir sind hier aufgewachsen und wir wollen hier bleiben.» Die Züchter betonten, dass sie an ihren Tieren hängen, sie würden mit ihnen neun Monate unten im Tal zusammenleben und im Sommer drei Monate auf der Alp.

Zuhören und ernst nehmen

So auch Daniel Lattion von Liddes VS, der mit seinem Sohn Jonas am Medienanlass teilnahm. «Seit über 50 Jahren züchtet meine Familie Schafe», erläuterte er. «Den Sommer verbringen wir mit ihnen auf unserer wunderbaren Alp.» Seine Worte untermalte er mit herrlichen Bildern, denen jene folgten über eine kürzliche Wolfsattacke. Es sei an der Zeit, dass man ihnen zuhöre, dass man sie ernst nehme. Die neuen Schutzmassnahmen hätten auch neue Probleme und Auslagen gebracht, nämlich Kosten für den Hirten und seine Unterkunft, Auswirkungen auf die Bodenqualität durch grössere Herden und die Präsenz von Herdenschutzhunden. Bereits gab es Fälle mit Angriffen auf Wanderer, die mit Hunden auftraten.

Die Weidewirtschaft ist gefährdet

Zum Schluss sagte Christophe Darbellay, ohne die Regulierung des Grossraubtiers werde die Zukunft der Weidewirtschaft und der Berglandschaft im Wallis infrage gestellt. Die Möglichkeit der Regulierung des Wolfbestands sei im Hinblick auf ein lebensfähiges und nachhaltiges Zusammenleben zwingend notwendig.