Innovative Stallsysteme sind notwendig, denn die Schweineproduktion stehe oft in der Kritik, so schreibt das Magazin «Wageningen World» kürzlich in einem Artikel über die «Family Pig Farm», einem EU geförderten Stallbauprojekt. Sowohl Tierwohl-Missstände, Gülleüberschuss und klimaschädliche Stickstoffemissionen katapultieren die Industrie demnach ins Kreuzfeuer.

Die Vision vom glücklichen Ferkel 

Auf der «Family Pig Farm» jagt Stallbauer Tjacko Sijpkens der Vision vom «glücklichen Schwein» nach. Der Stall ist genau nach den Bedürfnissen der Schweine konstruiert. Für die Umsetzung seines Projektes hat sich Sijpkens wissenschaftliche Unterstützung bei der niederländischen Landwirtschaftsuniversität in Wageningen geholt. «Wir wollen, dass das Konzept vom «glücklichen Schwein» eine fundierte Basis hat», erklärt Sijpkens. Deshalb war die Verhaltensforscherin Liesbeth Bolhuis seit der ersten Planung involviert. Bolhuis ist Leiterin des Lehrstuhls Adaptations-Physiologie an der Uni Wageningen und ist Expertin für Schweineverhalten.  Im Projektstall säugen die Muttersauen ihre Ferkel fünf Wochen lang gemeinsam in Vierergruppen. Dadurch kommt den Ferkeln eine längere Säugezeit zugute, denn im konventionellen System werden die Tiere meist schon mit vier Wochen abgesetzt.

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Stressfaktoren für Ferkel werden reduziert

Weiterhin haben die Jungtiere so die Möglichkeit, sich bereits von Lebensbeginn an mit jenen Artgenossen zu mischen, mit denen sie bis zur Endmast zusammenbleiben. Somit fällt der durch Rangkämpfe verursachte Stress beim konventionell üblichen Absetzen und Mischen fremder Ferkel weg. Die Tiere bleiben bis zur Schlachtung auf der «Family Pig Farm». Dadurch bleibt ihnen auch der Transport vom Aufzucht- zum Maststall erspart. Mit 24 Wochen werden die Tiere dann geschlachtet. Eine weitere Neuerung im Versuchsstall ist eine separierte sanitäre Anlage.

Durch die Trennung von Urin und Kot können Stickstoffemissionen reduziert werden 

Immer wenn die Ferkel in das vorgesehene Urinal pinkeln, bekommen sie als Belohnung einen Tropfen süssen Sirup aus einem Pumpensystem. Kot wird an einer anderen Stelle abgesetzt, das lernen die jungen Schweine auch. Für die Tiere sind die getrennten Bereiche für Urin und Kot von grossem Vorteil. «Eine hohe Ammoniakkonzentration im Stall bedeutet Stress für die Tiere, denn dadurch wird ihr Geruchssinn eingeschränkt, welcher den Ferkeln die wichtigsten Sinneseindrücke liefert», erklärt Bolhuis. Für die Schweine sei diese Fäkaltrennung also sehr sinnvoll. Wichtig sei in diesem Zusammenhang aber auch die Tatsache, dass die dadurch unterbundene Ammoniakbildung zu einer Reduktion der Umwelt-belastenden Stickstoff-Emissionen führe, sagt Sijpkens.

Das Kraftfutter regnet von der Decke herab und fördert das Erkundungsverhalten

Nicht nur das Gülleabfluss-System ist in diesem Stall ungewöhnlich. Auch das Fütterungssystem im Stall ist an das Wühl- und Erkundungsverhalten der Schweine angepasst. Mittels eines rotierenden Schwenkarmes regnen Futterpellets von der Decke auf die Tiere herab. Dies stimuliert das arteigene Futtersuchverhalten und die Ferkel beginnen sehr früh mit der Aufnahme der Pellets. Dadurch kann der Wechsel von Milch zu fester Nahrung beim Absetzen abgefedert werden. Ein weiterer Stressfaktor weniger für die Ferkel. Die Frage bleibt, ob sich ein solcher Stall als Zukunftsprojekt für konventionelle Schweinehalter rentabel ist. Laut «Wageningen World», sind die Baukosten eines «Family Pig»-Stalles mit denen für einen konventionellen Stall vergleichbar.

Die Kosten sind vergleichbar mit der konventionellen Ferkelproduktion 

«Der Bau der separierten Sanitäranlagen beispielsweise kostet gleichviel wie eine Güllegrube. Auch die Gruppenhaltung der Sauen und der Pellet-Spender an der Decke verursachen keine Extrakosten», berichtet Skijpkens. Gespart wird an den medizinischen Kosten, denn durch die Stressreduktion sind die Ferkel weniger krankheitsanfällig. Dazu kommt, dass die Transportkosten stark reduziert werden können, da die Ferkel nicht vom Aufzucht- zum Maststall transportiert werden müssen. Das innovative Stallsystem klingt vielversprechend, muss allerdings noch weiter an Praxisreife gewinnen, bevor es auf dem Markt zur Verfügung steht. 

Das Wohlsein der Schweine steht im Fokus des Projektstalles 

Das Fleisch der «Family Pig»-Tiere ist nicht nur als Bioware vorgesehen. Alle Segmente sollen damit bedient werden können. Laut Tjacko Sijpkens stehe aber nicht die Vermarktung des Fleisches, sondern das Schwanzwedeln der Tiere im Fokus des Projektstalles.

 

Weitere Informationen gibt es hier:

www.facebook.com/hetfamilievarken