«Diesen Sommer haben die Wildschweine meine Felder in Ruhe gelassen. Im September ging es dann wieder los», berichtet Landwirt Martin Käser. Er ist den Besuch der Schwarzkittel seit Jahrzehnten gewohnt. Sein Betrieb mit Grünland, Ackerbau und 140 Mastrindern liegt in Mumpf im Fricktal, einem stark betroffenen Gebiet im Aargau.

Ein Elektrozaun schützt 

Den Mais zäunt Martin Käser seit vielen Jahren ein. Bei einer Fahrt entlang seiner Felder zeigt er einen neuen Elektrozaun, den er diesen Herbst um sieben Hektaren Naturwiesen erstellt hat, «sonst haben wir im Frühling nur Theater.» Unterwegs zeigen sich an verschiedenen Orten Spuren der Wildschweine, die den Boden auf Nahrungssuche zerwühlt haben. «Sie gehen in alle Kulturen», sagt der Landwirt. Selbst junge Zuckerrüben würden sie ausgraben und fressen.

Die Futterqualität leidet

Bis 150 Franken gelten Wildschweinschäden als Bagatellen, darüber wird abgegolten. Auf Martin Käsers Feldern wurden diesen Frühling Schäden von rund 4000 Franken abgeschätzt, im Herbst kamen gegen 800 Franken dazu. Aber mit Geld allein ist es nicht getan. Übel sind die teilweise massiven Qualitätseinbussen im Futter. Diesen Frühling blieb der Regen aus, nachdem der Landwirt seine Wiesen saniert hatte. Die abgerissenen Grasmotten wuchsen nicht an, sie vertrockneten und verschmutzten die Silage.

«Sogar junge Zuckerrüben graben sie aus.»

Das Schwarzwild is(s)t bei Martin Käser in allen Kulturen.

Schaden online melden

Die Zusammenarbeit mit den Jägern sei gut, sagt Martin Käser. Ihm ist klar, dass die Wildschweinjagd eine Herausforderung ist – «die meisten Jäger sind berufstätig und haben nicht unbeschränkt Zeit». Käsers Land verteilt sich auf vier verschiedene Jagdreviere. In diesem Jahr hat er seine Schäden erstmals elektronisch mit «eWisa» über das Online-Portal von Landwirtschaft Aargau erfasst. «Eine praktische Sache», findet er. Die gemeldeten Schäden werden dem zuständigen Wildschadenabschätzer sowie dem örtlichen Jagdaufseher weitergeleitet. Diese bekommen so die nötigen Informationen präzis auf einer Karte statt unklare Ortsangaben.

Weniger los auf dem Feld

«Wir sehen weniger Wildschweine als im Vorjahr. Ab März waren sie kaum noch im Kulturland. Erst jetzt, wo es nass ist, kommen sie wieder auf die Felder», bestätigt Patrick Obrist die Erfahrung von Landwirt Käser. Obrist geht seit 17 Jahren auf die Jagd und hat viel Erfahrung mit Schwarzwild, er ist Pächter, Obmann und Jagdleiter im Revier Oeschgen, dazu Obmann im Bezirk Laufenburg und im Vorstand von Jagd Aargau. Bis Mitte Oktober wurden in seinem Revier nur fünf Tiere geschossen, im Vorjahr waren es 19 gewesen. Vielleicht habe es nach den hohen Abschüssen im Vorjahr effektiv weniger Wildschweine, sicher hätten sie sich aber nach der Bejagung auf den offenen Feldern eher in den Wald zurückzogen. Dort finden sie im heurigen Mastjahr ein reiches Futterangebot mit vielen Eicheln und Buchnüssen. Auch darum rechnet Obrist im kommenden Jahr wieder mit mehr Wildschweinen und höheren Schäden; solche Zyklen seien üblich.

Nachtzielgerät bringt viel

Auch wegen Corona ist im laufenden Jahr mit weniger Abschüssen zu rechnen: Die revierübergreifende Jagd ist weggefallen. Dafür erlaubte der Kanton Aargau in diesem Jahr erstmals den Einsatz eines Nachtzielgeräts auf der Schwarzwildjagd. «Unsere Abschüsse wurden heuer zu 100 Prozent mit diesem Gerät gemacht», sagt Patrick Obrist, «es bringt einen wesentlichen Vorteil für die Jagd». Eine Wildschweinherde unterwegs sei tatsächlich ein Sauhaufen, «mit dem Nachtzielgerät können wir uns Zeit lassen, beobachten und schliesslich einen sauberen Schuss abgeben.» Ruth Aerni

«Nachtzielgeräte bringen grossen Vorteil für Jagd.»

Jäger Patrick Obrist ist nach der ersten Einsatzsaison zufrieden.

 

Wildscheine von Hausschweinen fern halten

Wildschweine nehmen bekanntlich bei der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) eine wichtige Rolle ein. Der kantonale Veterinärdienst Luzern und der Zivilschutz haben vor diesem Hintergrund kürzlich nahe Neuenkirch die Bekämpfung von ASP bei Wildschweinen simuliert. An der Übung nahmen auch die Luzerner Polizei und die Dienststelle Landwirtschaft und Wald teil, wie der Kanton in einer Mitteilung schreibt.

Mensch und Wildschweine

ASP rückt von Osten her näher und ist mittlerweile in der Wildschweinpopulation in Deutschland angelangt. Die Tierseuche kann aber vor allem auch durch Menschen und Geräte verschleppt werden und deshalb in kurzer Zeit grosse Distanzen überwinden. Gemäss Übungsanlage war der Chüserainwald auf dem Gemeindegebiet von Neuenkirch von einem fiktiven ASP-Fall bei einem Wildschwein betroffen und wurde zum Sperrgebiet erklärt. In diesem Sperrgebiet mussten weitere Wildschweinkadaver bzw. die Attrappen, gesucht, geborgen und näher untersucht werden. Die Bergung und der Abtransport wurden unter Einhaltung der notwendigen Reinigungs- und Desinfektionsmassnahmen durchgeführt.

Kantonstierarzt Martin Brügger zog im Anschluss ein positives Fazit: «Der Kanton Luzern ist bestens auf den Ernstfall vorbereitet. Dennoch bleibt zu hoffen, dass dieser nie eintreten wird.»

Der Schweinegesundheitsdienst (SGD) der Suisag empfiehlt vor allem Schweinehaltern mit Ausläufen in Gebieten mit starker Wildschweinepopulation, wachsam zu bleiben.

Nur gute Zäune helfen

Das Installieren eines Zauns im Abstand von wenigstens einem Meter zum Auslaufbereich verhindert den direkten Kontakt zwischen Wild- und Hausschweinen. Am besten eignet sich dafür ein 1,50 Meter hoher Maschendrahtzaun. Zusätzlich ist ein starkes Drahtseil knapp über dem Boden oder ein Stromseil auf 10 cm Höhe sehr effektiv. Auch die Lufteinlässe sollten mit einem Zaun im Abstand von mindestens einem Meter vor Wildschweinen geschützt werden. aem

 

 

Bejagung wirkte sich aus

Einen ruhigen Sommer meldet auch Hansruedi Apolloni, Schadenabschätzer der Region Rheinfelden. Mitte Oktober war beim Kanton Aargau eine Schadenssumme von rund 415 00 Franken registriert, der grösste Teil geht auf das Konto von Schwarzwild, 15 00 Franken haben Dachse verursacht. «In diesem Jahr kommen schon noch ein paar Franken dazu», weiss der erfahrene Schätzer Apolloni, aber insgesamt dürfte die Schadenssumme 2020 vergleichsweise tief sein.

Viele Abschüsse 2019

Vor zwei Jahren hatte der Kanton Aargau Rekordschäden von 855 43 Franken gemeldet. Im Folgejahr 2019 wurden dann so viele Wildschweine abgeschossen wie noch nie, nämlich 1937 Tiere, und die Schadenssumme sank auf
566 04 Franken. «Immer noch viel zu hoch», kommentierte Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau (BVA), gegenüber der BauernZeitung diese Zahlen; allenfalls die Hälfte davon findet der BVA zumutbar.

An milde Winter gewöhnt

Die vergleichsweise ruhige aktuelle Situation kann sich allerdings rasch wieder ändern. Apolloni beobachtet derzeit viele Jungtiere. Ein strenger Winter würde den Bestand regulieren, «aber da bräuchte es schon mindestens einen Monat lang sehr tiefe Temperaturen», sagt er. «Die Wildschweine haben sich an die milden Winter gewöhnt, sie haben das ganze Jahr Junge und bringen diese auch durch.»  rae