Nach drei Jahren erbitterter Scheidungsgespräche hat sich Grossbritannien letzte Woche endlich von der EU verabschiedet. Während viele Briten müde hofften, dass der 31. Januar das Ende von Brexit markieren würde, ist dies in Wirklichkeit erst der Anfang – und niemand wird das in den kommenden Monaten mehr realisieren, als die
britischen Landwirte.

Grösste Umstrukturierung seit 40 Jahren

Für viele Produzenten mag sich kurzfristig durchaus das Gefühl einstellen, dass die Geschäfte wie üblich weitergehen. Nach den von den Regierungsministern vereinbarten Regeln werden viele der Regeln der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) bis Ende 2020 in Kraft bleiben. In der Zwischenzeit werden die Direktzahlungen im Rahmen des Basiszahlungsprogramms für den Rest des Jahres beibehalten. Was danach geschieht, muss jedoch noch offiziell in Stein gemeisselt werden. Nach mehreren Verzögerungen hat die Landwirtschaftsministerin Theresa Villiers im Januar endlich ihre Pläne vorgestellt. Der siebenjährige Übergang von der GAP, der die grösste Umstrukturierung der Landwirtschaft seit 40 Jahren sein soll, umfasst Pläne zur Verbesserung des Bodens, zur Regulierung des Düngemitteleinsatzes und zur Aufrechterhaltung eines hohen Tierschutzniveaus.

Viel Geld für den landwirtschaftlichen Umweltschutz

Am wichtigsten für die Landwirtinnen ist vielleicht die Absicht, sie während in den nächsten vier Jahren mit drei Milliarden Pfund (3,75 Mrd Fr.) pro Jahr zu unterstützen, wenn sie im Gegenzug «öffentliche Güter und Dienstleistungen» bereitstellen, die sich auf den Umweltschutz konzentrieren. Was nach diesem Zeitraum mit der Höhe der Mittel geschieht, ist jedoch nur eine Vermutung.

 

Caroline Stocks ist eine britische Agrarjournalistin. Ihr Buch «Farmageddon? – Brexit and British Agriculture», ist bei Amazon erhältlich.

 

Ernährungssicherheit soll geprüft werden

Einer der überraschenderen Aspekte des Gesetzes ist die Zusage, die Ernährungssicherheit des Landes regelmässig zu überprüfen: Da die Nahrungsmittelproduktion in den Diskussionen über Grossbritanniens landwirtschaftliche Zukunft weitgehend ignoriert worden war, fragten sich viele in der Branche, ob die Landwirtschaft die Umwelt und nicht die Nahrungsmittel zu ihrer obersten Priorität machen müsse. Eine der grössten Sorgen für die Landwirte
ist jedoch nicht das, was in der Gesetzesvorlage steht, sondern das, was in ihr fehlt.

Angst vor Billigeinfuhren

Da es an einem Bekenntnis der Regierung gegen Handelsabkommen fehlt, die billige, qualitativ minderwertige Lebensmittel auf den Markt bringen, machen sich die bäuerlichen Organisationen Sorgen, dass die britischen Landwirte durch Billigeinfuhren aus ihrem Heimmarkt verdrängt werden könnten. So sehr die Konsumenten auch sagen mögen, dass sie die britischen Landwirtinnen unterstützen wollen, stellt beim Kauf doch stets der Preis das wichtigere Kriterium dar als die Produktionsstandards.

Wie geht es mit Nordirland weiter?

Ein weiterer Bereich, der Anlass zur Sorge gibt, ist die Beziehung zu Nordirland: Trotz der Pläne, die Beziehungen zum Vereinigten Königreich aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Zoll-, Lebensmittelsicherheits- und Sozialgesetzgebung mit der EU beizubehalten, stellt sich die Frage, wie dies in der Praxis funktionieren soll, insbesondere für Landwirte, die ihre Produkte über die Grenze transportieren.

Effizienz als einziger Schutz

Zweifellos werden die kommenden Monate für die Landwirtinnen in Grossbritannien entscheidend sein, und die Sicherung der besten Handelsabkommen wird der Schlüssel für ihre Zukunft sein. Da die Landwirte jedoch so wenig Kontrolle darüber haben, ist das Beste, was sie im Moment tun können, sicherzustellen, dass ihre Betriebe so effizient wie möglich arbeiten. Nur dann werden sie in der Lage sein, das Scheidungsverfahren unbeschadet zu überstehen.