Am 8. Mai 2022 hat der Syngenta-Chef Erik Fyrwald mächtig Staub aufgewirbelt. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» erklärt er, dass Bioproduktion dem Klima schade und den Landverbrauch fördere, weil sie pro Fläche bis zu 50 Prozent weniger Ertrag liefere. Biobauern müssten in der Regel die Äcker pflügen, was den CO2-Ausstoss erhöhe. Zudem würden auch im Biolandbau Pestizide im grossen Stil eingesetzt. Fyrwald kommt hier auf den Kupfer zu sprechen, ein Schwermetall für das kein Ersatz vorliege.

Etwas Neues ist das nicht

Der anschliessende «Shitstorm» in den Sozialen Medien fand auch in der Tagespresse Aufnahme. Bio Suisse konterte den Angriff unter anderem im «Blick» und eine ganze Reihe von Umweltorganisationen sah sich bemüssigt, den Biokritiker in den Senkel zu stellen. Dabei hat er eigentlich nur gesagt, was seit längerem bekannt ist. Bio hat ein paar Probleme im Zusammenhang mit Ressourceneffizienz und die Welt vermöchte man mit dieser Produktionsform nur zu ernähren, wenn es zu massiven Änderungen der Gewohnheiten, sprich Fleischkonsum, käme. Gleichzeitig müsste der Food Waste stark reduziert werden. Zu diesem Schluss kommen auch entsprechende FiBL-Studien und der ehemalige Direktor des Forschungsinstituts, Urs Niggli, erwähnt diese Sachverhalte bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Regenerative Landwirtschaft als gangbarer Mittelweg

Warum also die ganze Aufregung, fragt man sich. Interessant sind nämlich nicht primär Fyrwalds Aussagen zum Biolandbau, sondern das Bekenntnis zu einem Mittelweg zwischen Bio und Konventionell: «Beide haben ihre Vorteile, aber keine genügt den Anforderungen der Zeit», so der Syngenta-CEO, «unsere Vision heisst Regenerative Landwirtschaft». Er liefert auch gleich die Zutaten: «Man übernimmt von der Biolandwirtschaft die Fruchtfolge, damit die Böden gesund bleiben. Gleichzeitig werden Pestizide gezielt eingesetzt, damit die Äcker nicht gepflügt werden müssen und das CO2 in der Erde bleibt». Ähnliche Töne hörte man kürzlich auch von Nestlé: Man stelle «die Regenerative Landwirtschaft in den Mittelpunkt des Nahrungssystems», hiess es vergangenen Herbst in einer Medienmitteilung.

Was bedeutet diese Kehrtwende?

Mit anderen Worten nehmen zwei der wichtigsten Multis Distanz zur konventionellen Landwirtschaft, welche sie gross gemacht hat. Das ist doch einigermassen erstaunlich und es drängen sich ein paar Fragen dazu auf. Erstens diejenige nach der Motivation für diese Neupositionierung. Man kann davon ausgehen, dass die internen Öko- und Klimabilanzen ein sehr wichtiger Treiber sind. Mit der konventionellen Bewirtschaftung sehen die Firmen die ambitiösen Ziele gefährdet. Die zweite Frage ist, was dies für die Produzenten bedeutet. Von deren Schicksal liest man in den Verlautbarungen von Syngenta und Nestlé wenig. Bisher waren sie vor allem als Kunden bzw. Lieferanten gefragt, die möglichst hohe und standardisierte Qualität liefern und das Risiko in der Produktion tragen.

Eine neue Anbauform allein hilft nicht gegen bäuerliche Armut

Ob die Bauern vom Trend zur Regenerativen Landwirtschaft profitieren werden, ist noch unklar. Tatsache ist, dass 60 Prozent der Armen weltweit Bauern und Bäuerinnen sind. Hier zu einem Wandel beizutragen, dürfte eine der grössten Herausforderungen für Firmen wie Syngenta und Nestlé werden. Um Verbesserungen zu erzielen, wird es nicht nur neuer Anbauformen, sondern einer Begegnung mit den Landwirten auf Augenhöhe bedürfen. Dabei geht es letztlich vor allem um den Anteil an der Wertschöpfung, welcher den Produzent(innen) zugestanden wird. Dies ist eine Entwicklung, die noch in den Kinderschuhen steckt, sonst ginge es der Urproduktion global besser. Und es wäre weniger staatliche Stützung nötig (s. Beispiel Schweiz), um diese über Wasser zu halten.

Bäuer(innen) sind auch für Nestlé und Syngenta zentral 

Und damit noch einmal zurück zum viel gescholtenen Biolandbau. Gerade im Bereich der Ertüchtigung der Produzenten könnten multinationale Konzerne einiges abschauen von der globalen Biobewegung. Zu ihren grossen Stärken gehören die Hilfe zur Selbsthilfe, die Erarbeitung von praxisorientierten und lokalen Lösungsansätzen für die erkannten Probleme wie Kupfer sowie das Ringen um kostendeckende Preise, auch in der dritten Welt. Beim Umgang mit der relativ neuen Herausforderung Klimawandel ist diese Unterstützung noch wichtiger als bisher. Die Welt riskiert ansonsten, dass ihr die landwirtschaftliche Bevölkerung abhanden kommt. Und das können sich die von ihrem Wohlergehen ganz zentral abhängigen Firmen wie Syngenta und Nestlé zu allerletzt wünschen.