«Ich hatte ein Ziel im Leben: ‹Ich will glücklich sein›, aber keinen Plan, wie ich das erreichen könnte», erzählt Doris Flütsch. Gleichzeitig hatte sie ganz klare Vorstellungen, was sie nicht wollte: kein Prättigau, keinen Bauern als Mann und nicht an der Bäuerinnenschule Schiers GR, dem heutigen Bildungszentrum Palottis, unterrichten. Glücklich ist sie, der Rest kam aber ganz anders.

Halbes Leben am Bildungszentrum verbracht

Doris Flütsch lebt mit ihrer Familie im Weiler Fajauna oberhalb von Schiers im Prättigau auf einem Bauernhof und erzählt mit Begeisterung von ihrer Zeit am Bildungszentrum Palottis. «Ich verbrachte mein halbes Leben dort. 32 Jahre!» Mit 16 ­Jahren besuchte die Bauerntochter die Haushaltungsschule, absolvierte anschliessend den Bäuerinnenfachkurs, wurde Hauswirtschaftslehrerin mit Turnpatent und begann an ihrem Ausbildungsort zu unterrichten. Sie bekam viel Freiheit vonseiten der Schulleitung und konnte sich einbringen. Besonders stolz ist sie, dass sie Wasser als Getränk zu den Mahlzeiten einführen konnte. «Das war nicht ganz einfach. Wasser war damals irgendwie verpönt.»

Doris Flütsch ist eine umtriebige Frau, hat viele Ideen und liebt es, diese umzusetzen. Sie hatte Lust, nebst ihrer Lehrtätigkeit in einem Restaurant zu arbeiten. An den Wochenenden fuhr sie nach St. Antönien GR und servierte. Dort lernte sie mit 22 Jahren ihren Mann Peter Flütsch kennen; ein Bauernsohn zwar, aber gelernter Schreiner. Gemeinsam zogen sie nach Fajauna und bauten das Bauernhaus von Peters Grossvater um. Wenige Hektaren Wiese gehörten dazu, auf denen liessen sie Galtkühe von anderen Bauern grasen. 

 

Doris’ Tipp

«Heu gibt es bei uns nicht nur für die Kühe.» Doris Flütsch macht Heusuppe daraus. Diese verfeinert sie mit Prosecco und Rahm. «Das Suppenheu wird bei uns in reiner Handarbeit hergestellt, so hat es bestimmt keinen Dreck drin.» 

Flütschs beim Suppenheu mähen

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Mehr Informationen unter: www.fajaunerkoscht.ch

Der Mann war Hausmann

Schleichend kamen eigene Tiere hinzu: zuerst Ziegen, dann Pferde. «Und mit einem Schlag drei Kinder.» Doris Flütsch unterrichtete weiter, während sich ihr Partner um Peter (den Vierten, 24), Toni (23) und Lena (21), den Haushalt, den «Bauernhof» und seine eigene Schreinerei kümmerte. «Die Frauen im Weiler hatten Erbarmen mit ihm und luden ihn zum Mittagessen ein.» Während sie das erzählt, beginnt sie herzhaft zu lachen und meint: «Mein armer Mann, was der alles stemmen musste, damit ich mich verwirklichen konnte.» 

Eine weitere Idee war, einmal im Leben ein Schwimmbad zu besitzen. Prompt war die Badi Schiers zu pachten. Doris Flütsch hatte im Sommer lange Ferien und führte die Badi als Bademeisterin und Kioskfrau in ­Personalunion. «Peter war fürs Rasenmähen und die Wasserqualität zuständig. Mein Gott, noch mehr Arbeit für ihn!» 

Das Familienmodell, wie es Doris und Peter Flütsch lebten, war einzigartig in Fajauna. Was die anderen dachten, war dem Paar egal. Trotzdem betont Doris Flütsch: «Wir haben es gut mit den Nachbarn.» Das war vielleicht der Grund, weshalb einer der Bauern 2014 anfragte, ob sie nicht seinen Betrieb übernehmen möchten. «Unterdessen hatten wir selber ein paar Kühe, und unser Sohn Toni wollte unbedingt Landwirt werden.» 

«Ich bin Unternehmerin»

Heute umfasst der Hof 28 Hektaren. In drei Ställen sind Kühe, Ziegen, Schafe, Pferde und Hühner untergebracht. «Ich bin nicht die klassische Bäuerin, die draussen mithilft», erzählt Doris Flütsch. Sie ist aber durch und durch Bäuerin, wenn es darum geht, Gäste zu bewirten und zwar mit Fleisch und Obst vom Hof sowie Gemüse aus dem eigenen Garten. Im Sommer 2016 hängte sie ihre Lehrtätigkeit an den Nagel und setzte voll auf die Gästebewirtung. 

Mit der gleichen Leidenschaft, wie sie unterrichtete, widmet sie sich ihrem neuen Projekt. «Ich sehe mich als Unternehmerin und will, dass meine Marke ‹Fajaunerkoscht› schweizweit bekannt ist.» Sie besucht Selbstmarketingkurse, lernt ihre Obstbäume zu pflegen und baut zwei neue Hochbeete für den Salat. Zudem amtet sie  als Botschafterin für die Landwirtschaft. Momentan gitzeln die Ziegen, das erzählt sie ihren Gästen. «Leider mag die Mehrzahl der Leute Gitzi- und Ziegenfleisch nicht besonders. Doch wer Ziegenkäse essen will, muss auch Gitzifleisch essen», ist Doris Flütsch überzeugt. 

Glücklich, wenn die Gäste es sind

Überzeugt ist sie immer noch von Wasser als Getränk. Die Bäuerin stellt es ihren Gästen grosszügig zur Verfügung. «Wir haben so gutes Wasser, das will ich niemandem vorenthalten.» Mit den Getränken ist sie sowieso sehr unkompliziert. Oft würden die Gäste fragen, ob sie den Wein mitbringen dürften. Das können sie. Doris Flütsch ist einfach glücklich, wenn ihre Gäste es sind und sie diese zu einem bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln, der Natur und dem Leben anregen kann.