«Wir beide haben so etwas wie eine Betriebsgemeinschaft: Beide arbeiten drinnen und draussen.» Dies sagt Agronomin und Mutter Sarah Overney über sich und ihren Mann und Meisterlandwirt Christoph, und lacht dabei. Sie arbeitet genauso selbstverständlich im Stall, mistet, versorgt Kälber und besamt Kühe, wie er auch im Haushalt arbeitet, die Kinder betreut und Wäsche versorgt. Die beiden managen seit 2016 gemeinsam den Milchwirtschaftsbetrieb, den Christophs Eltern Rudolf und Madeleine Overney im 2001 im freiburgischen Alterswil übernommen hatten. Führten die Eltern den Hof noch als Pächter, ergab sich später der Kauf.
Der Kauf des Hofs ist ein Glücksfall
Diesen Kauf bezeichnet Sarah Overney als riesiges Geschenk. Der Platz ist vorhanden, so dass ein eigener Kreislauf gewährleistet werden könne. Die Aufzucht wird selbst besorgt. Zudem wird alles Jungvieh aufgezogen und, wenn nötig, an einer Auktion verkauft. Als Hobby hält die begeisterte Reiterin zwei Ponys und ein Concourspferd. Mehrmals die Woche gibt sie mit den Ponys Reitstunden. Damit finanziere sich ihr Hobby grösstenteils selbst und belaste nicht das Familienbudget.
Jungen Menschen eine Ausbildung bieten
Seit drei Jahren arbeitet ein Auszubildender Landwirt EFZ auf dem Betrieb mit. Heuer ist es eine Auszubildende. Das Ehepaar Overney will einerseits ihr Wissen weitergeben. Es ermögliche aber auch, auf dem neusten Wissensstand zu bleiben. Und noch ein Punkt schätzt die Mutter: «Ich profitiere davon, dass ich zeitlich flexibler bin mit den Kindern.» Denn so könne sie auch mal die Kinder ins Training fahren und müsse nicht Punkt vier Uhr im Stall stehen. Kraft für ihre Arbeit als Mami, Landwirtin, Bäuerin und Ehefrau tankt die 41-Jährige beim Ausreiten.
Die Wichtigkeit der Lebensqualität
Daneben ist Sarah Overney auch verantwortlich für die Geschäftsführung der Pferdeversicherung Sense und macht Wochenendsupport für die Veranstaltungssoftware des Schweizerischen Verbands für Pferdesport. Ihr früheres 60-Prozent-Pensum bei letzterem reduzierte sie nach und nach. Es wurde zu viel, alles unter einen Hut zu bringen. «Irgendwann habe ich mir gesagt, die Lebensqualität ist mir wichtiger als das auswärts verdiente Geld. Denn hier als Familie zu leben und zu arbeiten, ist unser Traum.»
«Die Lebensqualität ist mir wichtiger als das auswärts verdiente Geld.»
Sarah Overney zur Aufgabe ihres 60-Prozent-Pensums.
Der berufliche Umweg bis hin zum Ziel
Dass es Sarah Overney mal ins Senseland verschlagen würde, hätte sie früher nicht gedacht. Aufgewachsen ist sie im solothurnischen Gretzenbach als Jüngste von drei Kindern. Mit der Landwirtschaft verbunden war sie lediglich auf dem Hof der Grosseltern. Zudem reitet sie, seit sie acht Jahre alt ist und hat dadurch die Verbundenheit zur Natur gefunden. Nach der Schule machte sie eine Banklehre und ging reisen. Als 21-Jährige verbrachte die junge Frau ein Jahr in Kanada, wo sie Englisch lernte, auf einer Pferde- und Rinderfarm arbeitete und tagelang im Sattel sass.
Mit 25 Jahren habe sie gemerkt: «Das kann es nicht sein.» Sarah Overney kündete Job sowie Wohnung und suchte eine Lehrstelle für ein Landwirtschaftliches Lehrjahr, das sie für den späteren Besuch an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) benötigte. Ihr Ziel war, internationale Landwirtschaft zu studieren und später Entwicklungshilfe zu betreiben. Bei ihrem Lehrmeister Gallus Schafer in Düdingen habe sie gemerkt, wie toll die Landwirtschaft sei.
Die Krux mit dem fehlenden «Seislerdialekt»
In der Zweitausbildnerklasse lernte Sarah Overney Christoph kennen und blieb nach der Lehre gleich bei ihm. Sie änderte ihre Pläne und wählte im Studium das Fachgebiet Pferdewissenschaften. «Ich bin hier den Hergarten raufgefahren und hatte das Gefühl, zu Hause zu sein.» Dies erzählt sie über die Anfahrt zum Hof, der oberhalb und Abseits des Dorfes liegt. Sarah Overney fühlt sich im Sensegebiet mehr zu Hause als in ihrer alten Heimat. Aber sie sagt mit einem Augenzwickern: «Es tut weh, wenn ich von Senslern meines Dialekts wegen gefragt werde, woher ich komme.»
Betriebsspiegel Zuchtbetrieb Overney
Betriebsleiter: Christoph und Sarah Overney mit den Söhnen
und Familie Jérôme (fast 9), Thierry (6) und Elias (fast 4)
Ort: Alterswil
Mitarbeiter: 1 Auszubildende Landwirtin EFZ, Schwiegervater Rudolf ist zu 50 % angestellt. Im Sommer ist er für den betriebseigenen Berg zuständig und im Winter hilft er im Stall auf dem Betrieb.
Betriebsform: Bio
Ackerfläche: 34 ha arrondiert, ausschliesslich Futterbau
Betriebszweige: Milchproduktion, Zucht und Verkauf von Jungvieh
Milchabnehmer: Käserei Heitenried, produziert wird Greyerzer AOP und Freiburger Vacherin AOP
Tiere: 35 Milchkühe, Aufzucht wird selbst betrieben, Pferde, Hühner, Truten, Enten, Katzen
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Lachen, aber auch weinen gehören zum Leben
Beim Gespräch mit der Frau, die oft und gerne lacht, wird deutlich: Alles was sie macht, tut sie mit viel Freude, Engagement und Leidenschaft. Dass aber zum Leben nicht nur Lachen gehört, hat sie und ihre Familie in den vergangenen Jahren schmerzlich erfahren. Während ihre eigenen Eltern sich von schweren Erkrankungen wieder erholten, haben ihre Schwiegermutter und ihr Schwager den Kampf gegen den Krebs verloren. Eine schwere Zeit für die Familie, die feststellen musste: «Es geht einfach weiter.» Denn die Tiere müssen trotz Trauer versorgt werden. Einfach mit dem Alltag weitermachen zu müssen, sei Fluch und Segen zugleich. Es sei zwar schwierig, aber gleichzeitig auch heilend gewesen, erzählt Sarah Overney. Ehemann Christoph, der zwischendurch in die Küche kommt, wo das Gespräch stattfindet, pflichtet seiner Frau bei. Bei der Verarbeitung der Trauer half auch die Einstellung ihres Schwagers, der für die Agronomin wie ein kleiner Bruder war, den sie nie hatte. Er machte der Familie deutlich: «Wenn ihr lernt, das Leben zu geniessen, dann hat mein Tod einen Sinn.» «Er war überzeugt, alles hat einen Grund. Und wir nehmen das so an», erzählt Sarah Overney.
Das wirklich Wichtige erkennen - Zeit
Durch die Schicksalsschläge hat Sarah Overney gelernt, was wirklich wichtig ist. So sei die Wohnung auch mal nicht proppensauber. Dafür habe sie wertvolle Zeit mit den Kindern in der Badi oder auf den Skiern genossen. «Beim Bauern wirst du nie fertig», weiss sie. Es gelte jedoch, das Mittelmass darüber zu finden, was wirklich wichtig ist, und was man sein lassen könne, wenn die Zeit nicht reiche.
«Die Bauern müssen aktiv bleiben und den Austausch suchen.»
Sarah Overney über die Beziehung zu Konsumenten.
Konsumenten und Kinder einbeziehen
Was Bauernfamilien aber sicher nicht sein lassen dürfen, ist der Austausch mit den Konsumenten. «Die Bauern müssen aktiv bleiben und den Austausch suchen», betont Sarah Overney. Die Branche habe gute Argumente, diese gelte es respektvoll zu überbringen. Ziel sei, dass die Konsumenten verstehen, welche Konsequenzen ihr Ja oder Nein bei landwirtschaftlichen Abstimmungen haben. Sie selbst will zusätzlich auch bei Kindern ansetzen und im Sommer eine Ferienpassaktivität auf dem Hof anbieten. Dabei sollen Kinder einmal eine Kuh anfassen können oder auch lernen, was eine Melkmaschine ist. Wer etwas Fantasie hat, kann sich strahlende und staunende Kindergesichter vorstellen. Und ganz sicher wird auch Sarah Overney dabei vor Freude strahlen