Claudia und ihr Mann Sepp Gander aus Grafenort OW haben vor einem Vierteljahrhundert ihre Leidenschaft für die Mispelbäume und deren Früchte entdeckt. Die Bäuerin wuchs in Grafenort im unteren Engelbergertal, auf einem Pachthof des Klosters Engelberg auf. Bis zur Hochzeit mit Sepp kannte sie die Mispel nicht.

Experiment Mispeln

Der Hof «Ober Ifang» liegt oberhalb von Beckenried NW, mit herrlichem Blick über den Vierwaldstättersee. An einem der steilen Hänge stand Ende der 90er-Jahre eine über 80-jährige, wunderschöne Mispel mit ausladender Krone und herrlichen Blüten. Das Ehepaar Gander begann, sich mit den Mispeln auseinanderzusetzen und pfropfte einen Zweig des grossen, alten Baumes auf einen Weissdorn auf – das Experiment gelang. Heute ist die richtige Kultivierung und die Fruchtverwertung ihrer Mispelbäume ein kleiner Zweig des Einkommens von Claudia und Sepp Gander.

Zuerst waren die Mispeln oder die «Näschpli», wie die Nidwaldner die Mispel liebevoll nennen, für die beiden nur ein Hobby. Aus den harten, goldorangen Früchten kochte Claudia Gander ein Gelee und startete vor 20 Jahren am «Samichlais-Märcht» in Beckenried einen Testverkauf. Innert kurzer Zeit waren alle Gläser weg und das Echo durchwegs positiv.

Seither ist viel geschehen: So gibt Claudia Gander die Früchte zum Einkochen und Abfüllen auswärts an einen Konfitürenproduzenten und hat die Bio-Zertifizierung erhalten. Seit einiger Zeit kann sie mit ihrem Mispel-Gelee den regionalen Bedarf eines ganzen Jahres abdecken. Sie verkauft das Produkt an einige Läden in der Region und organisiert sich gemeinsam mit anderen Beckenrieder Bauernfrauen. Beim Verkauf wird sie durch das Netzwerk «Natürlich Nidwalden» unterstützt.

So «nebenbei» erstellte das Ehepaar auch noch ein Archiv mit Fotos und Wissen über Mispeln aus der Region, das auch von Fachpersonen konsultiert wird.

Doppelleben

Ganders bewirtschaften parallel zwei Betriebe mit total 22 Hektaren Nutzfläche und produzieren mit 18 Kühen Bio-Milch. Nach der Hochzeit lebten Claudia und Sepp Gander auf dem Hof «Ober Ifang» in Beckenried. 2013 ist die Familie nach Grafenort gezogen und übernahm die Pacht von Claudias elterlichem Hof. Hier sind Claudia und Sepp Gander nun zu Hause, hier ist ihr Hauptbetrieb mit Milchwirtschaft. In Beckenried wird vorwiegend Heu produziert und die Ernte von rund fünfzig Apfel- und Birnbäumen eingefahren. Rund 25 Autominuten liegen zwischen den beiden Höfen. Es sind intensive Arbeitstage für die 43-Jährige; aber beide Ehepartner machen alles.

Für die zwei Betriebe fanden sich sehr gute Arrangements mit den Nachbarn; man hilft sich gegenseitig. Zum Beckenrieder Mostobst kommt dann im Spätherbst die Ernte von rund 500 Kilogramm Mispeln hinzu. Während Sepp Gander den «Normalbetrieb» am Laufen hält, übernimmt die Bäuerin die Mispelernte. Sie wird, wann immer möglich, von ihrem Ehepartner unterstützt. Die Bäume müssen geschüttelt, die noch harten Früchte vom Boden eingesammelt werden. Dann geht Claudia Gander ans Sortieren und Lagern der Früchte.

«Anstrengend, aber machbar»

Die Mispeln lagert Claudia Gander in grünen Kunststoffkisten in einem grossen Unterstand; vor Wetter aber nicht vor Kälte geschützt. Dort werden die Früchte dauernd kontrolliert, bis sie den richtigen Reifegrad erreicht haben. Nun werden die Mispeln zur Weiterverarbeitung an den Konfitürenproduzenten geliefert. Wenn die abgefüllten Gläser zurückkommen, beginnt für die Mispelproduzentin das aufwendige Etikettieren am Küchentisch und die Organisation des Vertriebes.

Wie Claudia Gander das alles unter einen Hut bringt? «Es ist anstrengend, aber machbar. Wesentlich ist eine seriöse, gemeinsame Planung und gute Organisation.» Das fange bei einer Jahresplanung an und gehe bis in die relativ detaillierte Wochenplanung. Sie müssten einfach eine Prioritätenliste erstellen, ähnlich eines Einkaufszettels. Nach Unterstützung fragen oder solche anzunehmen – das falle nicht immer leicht, sei aber bedeutend. «Wichtig ist vor allem, dass wir alle am gleichen Strick und in dieselbe Richtung ziehen! Es gilt auch, Pausen einzuplanen und sich zu erlauben, nach intensiven Arbeitstagen die Beine etwas hochzulegen und sich auszuruhen», so die Bäuerin. Erholen kann sie sich auch beim Volleyballspiel.

Es ist etwas ruhiger geworden auf dem Hof. Andreas (22), der Älteste der Kinder, ist gelernter Zimmermann und bereits ausgezogen. Michael (20) hat eine Lehre als Landwirt absolviert, wohnt zu Hause und arbeitet zurzeit auf einer Alp. Bald einmal wird auch Corina (18) eine Saisonstelle antreten. Sie hat gerade ihre Lehre als Köchin abgeschlossen. «Seit unsere Kinder erwachsen sind, sind wir im Tagesablauf etwas flexibler geworden. Obwohl alle drei im Berufsleben stecken, können wir aber jederzeit auf ihre Hilfe zählen.»

Mispeln statt Gleitschirm

Gibt es grosse Herausforderungen? Claudia Gander wird stiller und meint: «Das Zwischenmenschliche.» Beruflich und privat müsse man sich mit anderen Menschen arrangieren. Auch Ganders werden ihren Betrieb einmal an die nächste Generation weitergeben. Da sich die Welt innerhalb einer Generation stark verändere, gingen die Ansichten der Generationen manchmal weit auseinander. «Das kann schon mal Konflikte geben. Als friedliebender Mensch hoffe ich, dass wir Streitigkeiten vermeiden können und gute Lösungen für alle finden», meint die Bäuerin zuversichtlich.

Inzwischen hat Claudia Gander weitere Gläser etikettiert und stellt diese zur Seite. Dann sagt sie mit einem Lächeln: «Genau genommen sind die Mispeln schon eher ein intensives Hobby als grosses Einkommen.» Andere hätten als Hobby einen Gleitschirm. Ganders haben die Mispeln.