Martin Gassner kommt aus der Berggemeinde Triesenberg in Fürstentum Liechtenstein. Mit neun Jahren hatte er einen schweren Velounfall und ist seitdem querschnittgelähmt. Für den jungen Bauernsohn ein harter Schicksals-schlag. Heute ist er 21 Jahre alt, kann sich sehr selbstständig im Leben zurechtfinden, darf Traktor fahren und plant eine Aus-bildung im Landwirtschafts-bereich, eventuell als Land-maschinenmechaniker.
Zwischen WG und Bauernhof
Martin Gassner lebt seit Kurzem in der neu eröffneten Paraplegie-Wohngemeinschaft (Para-WG) in Schenkon im Kanton Luzern (siehe Kasten). In der Para-WG leben junge Rollstuhlfahrer. Die Wohnform soll sie auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Das Wochenende verbringt Martin jeweils in seiner Heimat in Triesenberg. Familie Gassner führt dort einen Landwirtschaftsbetrieb in der Bergzone II und der junge Mann hilft viel mit. Familie Gassner hat Milchkühe mit Aufzucht und bewirtschaftet rund 70 Hektaren Land. «Mein ältester Bruder ist bei meinem Vater angestellt und der andere Bruder führt angrenzend einen Betrieb», erklärt Martin Gassner voller Begeisterung. Das Bauern sei ein Gemeinschaftswerk der Familie Gassner, er helfe viel mit, vor allem, wenn Arbeiten mit Maschinen fällig seien.
Faszination Landmaschinen
Die WG sei für ihn anfangs schon eine grosse Umstellung gewesen, berichtete Martin Gassner, es kämen neue und verschiedene Leute zusammen, die sich eine Wohnung teilen. «Im Grossen und Ganzen läuft es in unserer WG gut», erzählt er. Zuvor habe er bei seinen Eltern gewohnt. Nach dem Perspektivenjahr, das er nun via das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) macht, möchte er wieder zurück in seine Heimat, das sei ganz klar für ihn.
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Beruflich möchte der junge Mann «einfach etwas mit Maschinen» machen.
Martin hat bereits die Ausbildung zum Büroassistenten EBA abgeschlossen, das ist aber nicht die Arbeit, die er langfristig machen möchte. «Ich möchte unbedingt Landmaschinenmechaniker oder Mechaniker werden. Einfach etwas mit Maschinen.» Die Lehrstelle suche er sich so, dass er von daheim aus pendeln könne. Es ist ihm sehr wichtig, möglichst viel Freizeit auf dem Betrieb zu verbringen.
Mobilität ist wichtig
Zu Hause ist Martin Gassner sehr viel auf dem Traktor unterwegs. «Wir haben einen Reform Metrac, einen John-Deere-Gator (geländegängiges Fahrzeug, wie ein Pick-up) und einen Massey Ferguson. Die Traktoren sind so umgebaut, dass ich sie auch mit meiner Einschränkung bedienen kann», beschreibt Martin Gassner seine Traktoren.
«Am liebsten bin ich so selbstständig wie möglich unterwegs», so Martin Gassner. Am besten gefalle ihm, wenn es auf dem Hof heisse: «Mach dies oder das.» Beim Heuen müsse nun niemand mehr für ihn da sein. «Ich kann in den Traktor steigen und komme wieder zurück, wenn ich fertig bin», freut er sich.
Die Selbstständigkeit ist dem jungen Mann sehr wichtig. «Ich bin auch glücklich, dass ich mit dem Auto von Schenkon nach Hause pendeln kann.» Sobald er aber daheim in Triesenberg ist, tauscht er das Auto gegen das Geländefahrzeug, weil es auf dem Betrieb sehr steil ist und er mit dem Traktor überall hinfahren kann. Die Familie hatte kurz vor seinem Unfall einen neuen Metrac gekauft, das war sein Glück. Diesen konnte er bedienen, bei den anderen Traktoren, die geschaltet sind, hätte er die Möglichkeit nicht gehabt. «Ich kann viel erledigen. So mache ich jeweils den Kälbertransport, hole und bringe die Tiere und bin bei der Heuernte sehr aktiv am Helfen», ansonsten unterstütze er bei kleinen Sachen wie Füttern der Tiere oder Tränken der Kälber.
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Martin Gassners Bruder will einen Stall bauen, in dem er sich mit dem Rollstuhl gut bewegen kann.
Ein grosser Traum
Martin Gassner hat grosse Pläne für seine Zukunft. Ab Sommer möchte er eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich starten. Sein Bruder wird einen Stall bauen und er möchte ihn dabei unterstützen. Es soll einen Freilaufstall mit sehr hohem Tierwohlstandard geben, und das Gebäude soll so konstruiert werden, dass er sich dort gut bewegen und auch melken kann. «Es wäre schön, die Tiere selber zu füttern, und vielleicht sogar selber melken zu können», schwärmt Martin von seinem Traum auf dem Bauernhof.
Die Freizeit verbringt Martin Gassner mit Kollegen oder auf dem Bauernhof. Am Samstag hilft er entweder bei den Eltern oder beim Bruder auf dem Betrieb mit. «Die meisten meiner Kollegen haben einen Bezug zur Landwirtschaft», erzählt er, so seien die Gesprächsthemen eigentlich klar.
Die Para-WG Schenkon
Die erste Para-WG der Schweiz ermöglicht es jungen Rollstuhlfahrern, den WG-Alltag zu testen und sich auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Die Bewohner sind zwischen 17 und
27 Jahre alt, kommen aus verschiedenen Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein und arbeiten alle. Je nach Lähmungsgrad werden sie im Alltag individuell unterstützt. Aufgrund der grossen Nachfrage soll das Angebot von derzeit zwei auf drei Wohnungen erweitert werden. Die erste Para-WG befindet sich in Schenkon im Kanton Luzern. Sie hat vier Zimmer und Gemeinschaftsräume.
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