In der traditionsbewussten Schweiz sind Paradigmenwechsel oft eine Herausforderung. Da braucht es eine gute Portion Gelassenheit und Motivation. Die hat Leandra Brusa. Sie ist auf dem Hübelihof in Kallnach BE zuständig für die Produktion von Haferdrink aus Schweizer Rohstoffen. Gemeinsam mit ihrem Mann Urs Marti bewirtschaftet sie den Hof, auf dem er aufgewachsen ist. Von 1763 bis Ende 2017 hat die Familie Marti hier Kühe gemolken. Seit das junge Paar den elterlichen Hof übernommen hat, liegt der Fokus auf dem Ackerbau und jüngst auch auf der Produktion pflanzlicher Milch. Auf dem Hübelihof werden nun Nahrungsmittel für Menschen hergestellt, ohne den Umweg durch die Kuh. Für Leandra Brusa eine Zukunftsvision.

«Fast wie eine Befreiung»

Geboren und aufgewachsen ist die junge Frau in Gams SG. Nicht auf einem Bauernhof, aber schon immer mit Bezug zur Natur. Ernährung spielte stets eine grosse Rolle in ihrem Leben. Schon solange sie denken kann, ist sie Vegetarierin. Eier oder Kuhmilch konnte sie nie roh essen und trinken. «Das hat mich schon immer geekelt», berichtet Leandra Brusa. Mit Anfang zwanzig begann das Thema Veganismus Einzug in ihr Leben zu halten. Sie befasste sich mehr und mehr mit dieser Art der Ernährung. «Das war fast wie eine Befreiung», erzählt Brusa. «Ich liess dann die tierischen Nahrungsmittel einfach komplett weg.» Zur Landwirtschaft kam die gelernte Polygrafin erst durch ihren Mann Urs. Die beiden lernten sich online kennen und teilten die gleichen Interessen, wie den Gartenbau und die vegane Ernährung.

Haferdrinkproduktion startet

Zunächst stellten die jungen Landwirte den Betrieb auf Bio um und betrieben Ackerbau. Per Zufall las Leandra Brusa dann von Betrieben, die ihre ehemalige Milchviehwirtschaft auf einen Lebenshof umstellten. «Das fand ich interessant. Die Idee entstand, das Geld, das bisher mit dem Verkauf der Kuhmilch ­erwirtschaftet wurde, ab jetzt mit der Produktion von Haferdrink zu verdienen», erzählt Brusa. «Refarm’d», eine Organisation, die Landwirte in der Produktion von Pflanzenmilch unterstützt, stand mit der Rezeptur des  Haferdrinks zur Seite. Im Oktober 2020 produzierte das Paar den ersten hofeigenen Haferdrink aus eigens angebauten Rohstoffen. «Das erste Mal, als ich ihn probiert habe – das war schon speziell», gibt sie zu und lacht. «Da hat er echt noch nicht so super geschmeckt.»

Es geht auch ohne Zusätze

«Aber wir haben immer weiter daran gearbeitet und zusammen mit den Leuten von Refarm’d das Rezept verbessert. Es ist halt wie Frischmilch und ist ganz natürlich. Es hat keinen Zusatz von Öl oder Emulgatoren, Enzymen oder sonst was drin. Deshalb schmeckt es eben auch nicht gleich wie der Bioladen-Haferdrink. Gesund sind die Zusatzstoffe wahrscheinlich nicht unbedingt. Und durch die Ultrahocherhitzung gehen dann doch viele Nährstoffe verloren.» Das soll bei dem Haferdrink vom Hübelihof nicht passieren.

Qualität ist essenziell

Für sie und die Kunden ist Qualität essenziell. Leandra Brusa verkauft die Hafermilch an Unverpackt-Läden sowie an andere kleine Läden in der Region. Auch online und in dem kleinen eigenen Hofladen kann man ihn frisch kaufen. In der wiederverwendbaren Glasflasche. «Das ist den Kunden schon wichtig, dass es nachhaltig ist», berichtet die junge Frau. Oft zählen Menschen mit Laktoseintoleranz zu den Haferdrink-Kunden. Auch eine Mutter aus dem Dorf, deren Baby keine Kuhmilch vertrug, wich auf den Haferdrink als Ersatz aus. «Bisher verkaufen wir jede Woche ein paar Liter mehr.» Das freut die Pionierin. Wenn es nach ihr ginge, sollten pflanzliche Lebensmittel zukünftig mehr subventioniert werden, denn darin liegt für sie die Zukunft der Ernährung.

Verboten wird nichts

Auf die Frage, wie für sie die Ernährung ihrer Enkelkinder mal aussehen wird, lautet ihre Antwort: «Definitiv pflanzlich. Ich weiss nicht, wie lange das noch dauert, aber ich denke, dass es in diese Richtung geht. Das man eben nur noch sehr selten Fleisch isst.» Ihren beiden Kindern verbietet sie keinerlei Nahrungsmittel. Ob tierisch oder nicht. «Etwas zu verbieten, fände ich ziemlich schwierig. Mir ist es  wichtig, die Kinder darüber aufzuklären, woher das Fleisch kommt und wie es produziert wird.»

 

Weitere Informationen:

www.biohof-hübeli.ch