Seit drei Jahren wohnt Fabienne Bürgisser in Schongau. Während acht Jahren war die aufgestellte Frau Vollzeit-Tierärztin bei der «AG für Tiergesundheit» in Gunzwil. Um die Landwirtschaft besser zu verstehen, startete sie im Januar 2020 halbtags als landwirtschaftliche Mitarbeiterin auf dem Betrieb von Markus Kretz und Christian Muff in Schongau. Seit diesem Jahr ist sie Vollzeit auf dem Bauernhof in Schongau angestellt. Ein Wechsel vom Tierarzt, der den Stall besucht, in den Stall zur Stallarbeit.

Wohn- wie auch Arbeitsort

Die Betriebsgemeinschaft Muff/Kretz sei fast wie ein Familienbetrieb. Ihr Arbeitskollege Theo sei sehr maschinenbegeistert, sie etwas weniger, daher passe das super. «Ich habe meinen jetzigen Chef einfach mal gefragt, ob er jemanden brauchen kann, der ihm bei den Tieren hilft», erzählt Fabienne Bürgisser. Gewohnt hat sie bereits vorher auf dem Betrieb. Die BG Muff/Kretz sei ein Kunde der Tierarztpraxis Gunzwil. Bei den Rindern habe sie ­jeweils die Trächtigkeitsuntersuchung gemacht. «Die Betriebsgemeinschaft hat Pep», so Bürgisser. Eines Tages beim Rinder untersuchen habe ihr jetziger Chef sie angesprochen. Er baue ein Wohnhaus und sie solle doch als Mieterin in den Neubau einziehen. «Für jede meiner Ausreden hatte er eine Lösung», erzählt sie und schmunzelt. Sogar das Zügelfahrzeug, den Viehwagen, hatte er bereit. So kam es, dass sie eingezogen ist.

Gute Arbeitseinteilung

Morgens um 5 Uhr beginnt ihr Arbeitskollege mit der Fütterung der Tiere. Fabienne Bürgisser kommt ungefähr um 7 Uhr dazu und geht vormittags zuerst nach Niederschongau zu den Schweinen. Sie haben viele Helfer und trotzdem braucht es jede Hand. Im Verlauf des Vormittags geht sie zurück auf den Heimbetrieb in Schongau und schaut dort im Stall nach, ob alles läuft, und erledigt noch Arbeiten, die gerade anfallen.

Auf dem Betrieb haben sie vorwiegend Red Holstein, ein paar Braune und Holstein-Milchkühe, die von einem Roboter gemolken werden. «Das ist eine super Maschine, die uns die Arbeit erleichtert und effizient ist», der Roboter laufe sehr viel. Ansonsten macht Fabienne Bürgisser sämtliche Arbeiten, die gerade anfallen, sei es misten, füttern, Tiere beobachten oder Kälber tränken. Auch ausserhalb des Stalls hilft Fabienne Bürgisser mit. Bei den saisonalen Arbeiten ist die gelernte Tierärztin auch mal mit den Maschinen unterwegs. «Mit dem Traktor rumtuckern gefällt mir schon auch sehr gut», so Bürgisser.

Die engagierte Tierärztin und Betriebshelferin macht jeweils den Abenddienst, dafür bis 15 Uhr Mittagspause, weil in dieser Zeit nicht viel läuft. Die Pause nutzt sie, um mit ihrem Pferd auszureiten. Fabienne Bürgisser hat seit vielen Jahren ein Pferd. Das Reiten ist eine grosse Leidenschaft und ihr Ausgleich. Nicht der einzige: «Ich bin ganz neu in der Feuerwehr, damit ich noch einen Ort habe, wo das Gesellschaftliche gepflegt wird.»

«Ich kann das Studium sehr empfehlen.»

Fabienne Bürgisser findet das Studium zur Tierärztin sehr gut und empfiehlt es weiter.

Traumberuf mit Tieren

Fabienne Bürgisser hat in Bern ihr Studium zur Tierärztin gemacht. «Ich wollte immer etwas mit Tieren machen», erzählt sie. Die Landwirtschaft habe sie sehr interessiert, aber da sie keinen Betrieb hatte, entschloss sie sich, die Ausbildung zur Tierärztin zu machen. Damals habe sie sich gedacht, dass sie sich sowohl für Medizin wie auch für Tiere interessiere.

Für sie seien Tiere nie verniedlichte Objekte gewesen. Sie sah sie immer als Lebewesen, zu denen man gut schaue, bis man sie metzge. Sie konnte das immer gut unterscheiden. «Als Tierärztin wirst du mit Problemen oder kranken Tieren konfrontiert», so Bürgisser. Sie sah das als Herausforderung. «Das Studium ist super, ich kann das sehr empfehlen», erzählt sie weiter. Schon ihr Praktikum hat sie bei der AG für Tiergesundheit in Gunzwil absolviert. Die vier Wochen Praktikum waren für sie der absolute Hit. Noch während des Studiums bekam sie einen Anruf, ob sie nicht als Festangestellte arbeiten möchte. «So begann ich dort als Tierärztin», erzählt Bürgisser. Acht Jahre konnte sie so als Tierärztin praktizieren und viele Bauernhöfe in der Region kennenlernen.

Landwirte besser verstehen

«Ich habe keine Verantwortung für niemanden, ausser für mich selber», sagt sie. Daher kann sich Fabienne Bürgisser es leisten, ihren Job vorläufig an den Nagel zu hängen und etwas anderes zu tun. «Ich bleibe Tierärztin, ich habe die Ausbildung», so Bürgisser. Der Grund, warum sie auch mal die Seite eines Landwirts sehen will, sei, dass sie mit der Schulmedizin teilweise etwas unzufrieden ist. «Manchmal sollte man die Ursache der Probleme beheben und nicht nur Medikamente geben. Irgendwoher entstehen diese Probleme und wenn man die Ursache beheben könnte, könnte man so den Tieren den Tierarzt ersparen.» Sie werde immer wieder für die Behandlung derselben Probleme gerufen und frage sich dann, was die Ursache sei. Liegt es an der Fütterung, am Management oder an der Zeit? «Um das herauszufinden, muss ich nun mal selber bauern», so Fabienne Bürgisser. Sie möchte herausfinden, wie die Bauern die Probleme sehen, um sie besser zu verstehen und die Komplikationen eventuell zu ändern.

Auch das Zeitmanagement auf einem Betrieb sei schwierig, vor allem wenn ein Landwirt den Betrieb alleine betreibt. Er müsse allem gerecht werden. Das verstehe sie nun besser. Fabienne Bürgisser hat die Hoffnung, dass sie gewisse Probleme, die sie vorher von aussen sah und jetzt als landwirtschaftliche Mitarbeiterin miterlebt, von einer anderen Seite sehen und besser verstehen kann. «Klar sind nicht immer alle Tiere gesund, aber vielleicht findet sich eine bessere Lösung.»

Bauer kennt Tiere bestens

Die Bauern kennen ihre Tiere sehr gut, sei es anhand von Milchleistung, Gesundheit oder Verhalten. «Dieses Verhältnis zu den Tieren bewundere ich», erklärt Fabienne Bürgisser. Das sei für sie jetzt noch schwierig und sie müsse noch viel lernen. Anders als die Landwirte hat sie das Beobachten und Einschätzen noch nicht einfach im Gefühl. Dabei helfe ihr das Medizinstudium nicht viel. 

 

«Homöopathie ist nicht nur etwas für die leichten Fälle»

Wie verbreitet ist Homöopathie in der Nutztierhaltung?

Bernadette Vogt: Die Akzeptanz ist in den vergangenen Jahren ziemlich gestiegen. Sicher die Hälfte der Bauernfamilien, die ich kenne, hat schon Homöopathie im Stall angewendet. 

Welche Vorteile hat Homöopathie?

Homöopathie stärkt die Selbstheilungskräfte, sie ist ganzheitlich. Sie behandelt nicht nur Symptome, sondern packt das Problem an der Wurzel. Viele haben den Eindruck, dass Homöopathie etwas für die leichten Fälle ist und Schulmedizin für die schweren. Das stimmt nicht, ich habe beispielsweise auch schon Labmagenverlagerungen erfolgreich behandelt. 

Wo sind die Grenzen?

Bei chirurgischen Problemen und lebensbedrohlichen Mangelzuständen.   Ist die Lebenskraft eines Tieres schon stark geschwächt, ist es zur Selbstheilung nicht mehr in der Lage.

Können auch Laien Homöopathie anwenden?

Es gibt viele, auch widersprüchliche Informationen zur Homöopathie. Da findet sich ein Laie schwer zurecht und es können sich Fehler einschleichen.

Gilt also nicht «nützt es nicht, so schadet es nicht»?

Nein, es kann durchaus Schaden angerichtet werden. Etwa, wenn mit einem unpassenden Mittel ein Grundübel aktiviert wird oder bei falscher Dosierung. Ein gutes Feld für Einsteiger ist die Prophylaxe, hier kann man sich einiges erarbeiten. Zum Beispiel bei der Geburtsvorbereitung von Rindvieh.

Welche Voraussetzungen braucht es bei der Anwendung von Homöopathie?

Gutes Beobachtungsvermögen und den Willen, dranzubleiben und die Verantwortung nicht nur dem Tierarzt abzugeben.

Wie vertragen sich Homöopathie und Schul­medizin?

Eine Ergänzung ist ideal. Ich schätze Tierärzte sehr, die für eine Zusammenarbeit bereit sind, und solche gibt es immer mehr.

Sprechen auch wirtschaftliche Gründe für Homöopathie?

Ja. Ein gutes Beispiel ist wieder die Geburtsprophylaxe. Damit kann man viele Kosten sparen im Hinblick auf Schwergeburten, Nachgeburtsverhalten, Fruchtbarkeitsprobleme und anderes. 

Interview: Ruth Aerni

Zur Person: Bernadette Vogt aus Lupfig ist Bäuerin und diplomierte Tierhomöopathin. Sie wendet diese Heilmethode seit über 20 Jahren an und bietet auch Kurse an.

 

 

Alternativmedizin bei Tieren

«Ich finde Alternativmedizin eine super Sache. Dabei muss man aber die Probleme sehr früh erkennen und ganz genau beobachten», so Fabienne Bürgisser. Es gebe Landwirte, die sogar Viertel (Mastitis) mit Homöopathie behandeln könnten, das sei natürlich toll. So könne das Antibiotika vermieden werden. Noch besser wäre natürlich, wenn ein Viertel gar nicht erst entstehen würde und man bereits im Voraus schauen kann, dass die Eutererkrankung nicht eintrifft. Dies sei aber extrem schwierig oder gar unmöglich, findet die Tierärztin.

Die Chinesische Medizin schaue viel mehr auf die Ursache, und der Körper werde ganzheitlich angeschaut. «Das gefällt mir extrem an der Chinesischen Medizin. Wenn man ein Symptom hat, geht sie retour und schaut, woher das Symptom kommt.» Sie habe die Akupunktur-Ausbildung vor Kurzem beendet und jetzt sei Üben angesagt. Grundsätzlich spiele es keine Rolle, welches Tier sie vor sich habe. «Aus der Sichtweise der Chinesischen Medizin betrachtet, funktioniert jede Leber bei jedem Lebewesen gleich», erklärt sie.

Die zu berücksichtigenden Punkte seien nicht alle an der gleichen Stelle, aber das sei ein Auswendiglernen. «Hier unten im Stall habe ich die besten Übungsobjekte», so die engagierte Tierärztin. «Die Anatomie musste ich schon noch mal ganz genau lernen», meint sie und lacht.

Die Tiere hätten nichts gegen die Nadeln, beobachtet sie. Sie würden die Behandlung zulassen, ohne gross zu reklamieren. Meistens helfe Alternative Medizin bei einem Tier besser als beim Menschen, weil es weniger denke.