Mit einer Schenkungsurkunde hat Bischof Franz Konrad zu Konstanz am 24. Januar 1771 den Güttinger Marcheninhabern 172 Hektaren des Güttinger Walds zur freien Nutzung überlassen, worauf die Waldkorporation gegründet wurde. Der Grund für die Schenkung des Konstanzer Bischofs lag vermutlich darin, dass die Holzvorräte im Güttinger Wald kaum mehr für die Abgabe des jährlichen Marchenholzes ausreichten. Der «Bruderhau» und der «Langwieshau», in denen das beste Tannen- und Fichtenholz stand, blieben jedoch für die bischöfliche Herrschaft reserviert. Auch die Zinspflicht gegenüber dem Bischof wurde fortgeführt. Zum 250-Jahr-Juibläum liegt eine Buchpublikation vor.
Das Buch zum Jubiläum
Als Alternative zur Corona-bedingten Absage des 250. Geburtstages der Waldkorporation Güttingen wurde das 120-seitige Jubiläumsbuch «Solange Sonne, Mond und Sterne am Himmel stehn» herausgebracht. Dieses zeigt die Geschichte und Entwicklung des Güttinger Waldes bis zur heutigen Zeit auf. Das Buch beleuchtet geschichtliche und waldbauliche Aspekte. Es ruft Menschen in Erinnerung, die den Wald geprägt haben und es werden Perspektiven für die Zukunft aufgeführt. Ruedi Schum wurde von den Co-Autoren Hans Nussbaumer, Rolf Rutishauser und Ulrich Ulmer unterstützt.
Jubiläumsbuch «Solange Sonne, Mond und Sterne am Himmel stehn», 25 Franken plus Versandkosten. Zu beziehen über Tel. 071 695 25 83. E-Mail: fam.schum(at)bluewin.ch.
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Der Lachenhau im Güttinger Wald entwickelte sich nach der Aufforstung auch zum beliebten Bärlauchgebiet.
Unterschiedliche Nutzungen
Der Güttinger Wald ist ein geschlossenes rund 600 Hektaren umfassendes Laubwaldmassiv zwischen Langrickenbach und Dozwil, in dem die Waldkorporationen Güttingen, Kesswil und Niedersommeri die grössten Waldeigentümer sind. Rund ein Viertel ist im Privatbesitz. In frühen Jahren stand vor allem die Nutzung von Brenn- und Bauholz im Vordergrund. Damals wurde die jährliche Schlagfläche im Mittelwald von der Waldkommission in Marchen eingeteilt und verlost. Während und nach der Französischen Revolution wurden die Wälder durch Beweidung, übermässigen Holzschlag, Harz- und Laubnutzung stark geplündert. Der Wald erholte sich erst wieder langsam, als die Eiche durch die Einführung der Kartoffel ihre Bedeutung als Futterbaum verlor. Nachdem 1806 die Waldweidung im Thurgau verboten wurde, erfolgten vorübergehend auch keine Waldrodungen mehr.
Sinkende Einnahmen aus dem Holzverkauf
Die Waldkorporation Güttingen wurde als eine besondere Eigentumsform des Oberthurgaus gegründet. Heute ist sie eine privatrechtliche Körperschaft mit frei handelbaren Waldanteilen und Eigentümerin von 274 Hektaren nicht parzelliertem Privatwald. Die Waldkorporation besteht aus den Anteilhabenden, einer fünf- bis siebenköpfigen Waldkommission und den Revisoren. Präsident ist Armin Vogt aus Güttingen. Aktuell besitzen 90 im Grundbuch eingetragene Personen 574 frei handelbare Marchen. Früher wurden die Baumstämme bei der Naturholzgant vor Ort im Wald versteigert. Im Winter kam es oft vor, dass die Stämme zur Beurteilung aus dem Schnee ausgegraben werden mussten oder der Kauf zum Lotteriespiel wurde. Zudem gab es Nadelholz-, Brennholz- und Stangenganten. Im Juni wurden auch das Gras entlang der Strassen und die Nutzung der Waldwiesen versteigert. Im Jahr 2002 wurde erstmals die Bodenseeholzgant in der Bürgerhalle Tägerwilen durchgeführt. Seit 2016 wird das Holz auf dem Submissionsweg verkauft. Die Waldteilhaber kamen in der Vergangenheit neben der Holznutzung auch in den Genuss von Geldauszahlungen. Die sinkenden Einnahmen aus dem Holzverkauf führten bereits 2010 zur letzten Dividende. Pro Anteil gibt es lediglich noch einen Ster Brennholz pro Jahr. Das ehemalige «Sparbuch» Wald ist zum Hobby der Anteilhabenden geworden. Die Biodiversität und der Erholungswert des Waldes kann nicht mit Geld aufgewogen werden.
Als im Jahr 1803 die Grundbesitze des Bistum Konstanz säkularisiert wurden, konnten die Holzmarchenbesitzer den «Bruderhau» und den «Langwiesenhau» mit einer Fläche von insgesamt 26 Hektaren erwerben. Die beiden Fichtenwälder wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiterhin stark genutzt. Das hatte den Vorteil, dass die Voraussetzungen für den Eichennachwuchs in den lichten Wäldern günstig waren. Nachdem zum Bau der Eisenbahnen sehr viele alte Eichen geschlagen wurden, wurde durch die Einfuhr der Kohle der Wald als einziger Energieträger entlastet. Zudem führte der Import von billigem Getreide zu einer Landwirtschaftskrise, in der an den Wald angrenzende Wiesen aufgeforstet wurden.
Schnee, Stürme und Trockenheit
Die 1846 gegründete kantonale Forstverwaltung setzte bei der Waldbewirtschaftung auf die Produktion von wertvollem Nutzholz. Die Anteilhaber waren wegen der Bezugsrechte des Gabenholzes davon jedoch nicht begeistert. Durch die Zunahme von Verbissschäden wurde der Mittelwaldbetrieb zunehmend infrage gestellt. Während des Zweiten Weltkriegs erfolgte der Umbau auf den Hochwaldbetrieb. Eine letzte markante Vergrösserung um 73 Hektaren brachte vor neun Jahren der Anschluss der früheren Waldkorporationen Hefenhofen und Obersommeri.
In den letzten 60 Jahren hat der Güttinger Wald gelitten. Im Jahr 1962 gab es grosse Schneebruchschäden. Stürme sorgten immer wieder für hohe Schadholzmengen. In den Jahren 2003, 2019 und 2020 zerstörte der Borkenkäfer grosse Fichtenbestände. Zudem dezimierten die Ulmenwelke und das Eschentriebsterben die einst zukunftsträchtigen Laubbaumarten. Bei der letzten Stichprobeninventur vor zehn Jahren verfügte die Waldkorporation über einen Holzvorrat von 325 Festmetern pro Hektare. Der Zuwachs wurde mit 7,8 Festmetern pro Hektare ermittelt und der jährliche Hiebsatz auf 2150 Festmeter festgelegt. Die mittlere Umtriebszeit erstreckt sich über 80 Jahre bei Esche und Ahorn und bis 150 Jahre bei Buche und Eiche. Knapp 70 Prozent des Bestandes waren Laubholz.
Wichtiger Erholungsraum
Obwohl Klima und Böden im Güttinger Wald ideale Voraussetzungen für die Qualitätsholzproduktion bieten, ist dieser zunehmend als Erholungsraum für Menschen und als Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna ausgerichtet. Mit seinem hohen Anteil an Mischwald und dank den zahlreichen dicken, alten Eichen zählt er zu den schönsten Wäldern der Schweiz. Die Waldkorporation Güttingen hat in der Eichenstube im «Bleihofhau» mit bis zu 230 Jahre alten Eichen wohl den vorratsreichsten Eichenwald im Thurgau. Damit dieser einmalige Bestand für die Zukunft erhalten bleibt, verzichtete die Waldkorporation bereits vor 30 Jahren auf eine Nutzung. Seit 2015 ist diese Parzelle Teil des Sonderreservats Güttinger Wald. Damit ist der Bestand für die nächsten 50 Jahre gesichert. Der bekannteste Baum ist eine etwa 170 Jahre alte Vierer-Eiche im «Stighau»: Dort sind aus einem Stockausschlag vier gleichmässige Stämme gewachsen.
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Der Güttinger Wald ist geprägt von mächtigen Eichen, die am Markt nach wie vor sehr gefragt sind.