Sobald sich Sandro Weber mit seinen 1,93 m neben den Fendt Vario 313 stellt, erscheint dieser auf einmal gar nicht mehr so wuchtig. Lässig bedient der Landmaschinenmechaniker beim Fotoshooting mit der BauernZeitung seinen Laptop vom Kotflügel aus, als ob es sich um ein perfekt eingestelltes Stehpult handle. Das mache er nur fürs Foto, in der Regel setze er sich auf den Fahrersitz, wenn er die Elektronik nach Fehlern durchchecke oder Softwareupdates mache, meint Weber.
Sandro Weber
Geburtsdatum: 5. 12. 1997
Lieblingsmaschine/Traktor: alle Arten von Fendt-Traktoren.
Meistertitel: Schweizer Berufsmeister, Europa Berufsmeister, Best of Nation (Bester aller Schweizer, die an den Euroskills 2021 teilnahmen).
Ein Traum von mir: Der hat sich bereits erfüllt. Eine Medaille an den Euroskills.
Damit bin ich unterwegs: silberner Audi S4 B5 mit Alufelgen und etwas tiefer gelegt.
Lieblingsessen: Pizza mit Salami oder Prosciutto.
Lieblingsmusik: Querfeldein, wir hören in der Werkstatt immer Radio.
Hobbys: Maschinist bei der Feuerwehr und Turnverein.
Zwei Jahre intensive Vorbereitungszeit
Seit Ende September 2021 ist Sandro Weber Berufs-Europameister bei den Landmaschinenmechanikern. Er setzte sich gegen weitere sieben Kandidaten aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Russland, Polen, Ungarn und Lettland durch. Frauen waren nicht darunter, obwohl es mittlerweile auch vermehrt Landmaschinenmechanikerinnen gebe. Zwei Jahre bereitete er sich darauf vor. Nicht, weil er es besonders gut machen wollte, sondern weil Corona alles durcheinanderbrachte. «Wir wussten eine Zeit lang nicht, ob die Euroskills nur verschoben oder sogar ganz abgesagt würden.» Für die europäische Berufsmeisterschaft qualifizierte sich Sandro Weber, weil er an den Swissskills (die Schweizer Berufsmeisterschaften) 2019 in seiner Berufsgattung den Meistertitel gewann. «Um an den Swissskillsteilzunehmen, benötigte ich mindestens einen Fünfer als Notendurchschnitt bei den Lehrabschlussprüfungen. Ich meldete mich an, ging ohne grosse Vorbereitung hin und schaute, was passieren würde», meint er ganz bescheiden.
«Es ist wichtig, dass man die englischen Fachwörter kennt.»
Die Teilnahme an den Euroskills (siehe Box am Textende) in Graz konnte er dann nicht mehr ganz so locker angehen. Sandro Weber wurde von seinem Berufsverband AM Suisse (vormals Metall-Union) unterstützt. «Ich bekam Martin Schär als Coach. Er trainierte mit mir und begleitete mich an die Euroskills.» Trainieren als Landmaschinenmechaniker bedeutet, Fehler in den Bereichen Elektrik, Motoren, Getriebe und Hydraulik zu suchen und sie in einem gewissen Zeitraum zu beheben. «Wir nahmen zum Beispiel einen Motor von A bis Z auseinander, massen ihn aus und setzten ihn wieder zusammen. Zudem lernte ich die Maschinen, die am Wettkampf vor Ort waren, durch Schulungen bei verschiedenen Firmen besser kennen.» Weiter verbrachte der Landtechnik-Fan einen Monat in einer Werkstatt in England und büffelte auch danach regelmässig Vokabeln. «Die Euroskills fanden auf Englisch statt. Es ist wichtig, dass man die Fachwörter kennt.»
«Ich konnte es zuerst gar nicht glauben»
Die fachliche Vorbereitung war das eine, die Nerven das andere. «Wir bekamen im Vorfeld Tipps von einem Mentaltrainer, wie wir zum Beispiel mit der richtigen Atemtechnik unsere Nervosität während des Wettkampfs unter Kontrolle halten können.» Wenn Sandro Weber mit seiner ruhigen, eher zurückhaltenden und zugleich lockeren Art erzählt, glaubt man ihm gerne, dass seine Neven auch ohne dieses Training standgehalten hätten. Sieben verschiedene Posten à je zwei Stundenabsolvierte er in den drei Wettkampf-Tagen. «Am allerwichtigsten ist, dass man die Fragestellungen genau durchliest», rät er allen, die mit einer Euroskills-Teil-nahme liebäugeln. Das absolute Maximum an Punkten könne man eigentlich nicht erreichen, da enormer Zeitdruck herrsche.
Bis Sandro Weber realisierte, dass er der neue Europameister ist, dauerte es etwas länger. «Ich rechnete im Vorfeld eigentlich schon mit einer Medaille», gibt er zu. Dass es gleich Gold sein würde, überraschte ihn dann trotzdem: «Ich konnte es zuerst gar nicht glauben.» Auf den Erfolg gönnte er sich ein Bier und feierte zusammen mit allen Euroskills-Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Party, die im Anschluss stattfand.
Berufswahl zwischen Bauer und Landmaschinenmechaniker
Das tönt nach einer intensiven Zeit. Für Sandro Weber war es nie ein Muss, denn Landtechnik fasziniert ihn. Sich Wissen darüber anzueignen, treibt ihn an. Fragt man ihn, ob Landmaschinenmechaniker schon immer sein Berufswunsch gewesen sei, kommt ein klares Ja. Er wuchs auf einem Bauernhof im sankt-gallischen Zuzwil auf und überlegte sich natürlich schon, ob er nicht Landwirt werden wolle. Oft hilft er nach Feierabend auf dem elterlichen Betrieb mit. Weniger im Stall bei den Milchkühen, sondern mehr beim Heuen oder anderen futterbaulichen Tätigkeiten.
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«Ich wollte einfach wissen, wie alles genau funktioniert.»
Am Ende obsiegten bei der Berufswahl die Faszination und die Freude an der Technik. Besonders mag er, dass sein Beruf so vielseitig ist. «Ich muss einerseits elektronische Probleme lösen, andererseits kann ich meine Hände brauchen, wenn ich zum Beispiel eine Schweisskonstruktion anfertigen muss.» Seine Liebe zum «Mechen» hat er schon früh entdeckt. Es begann mit dem Flicken seines Velos, etwas später kam das Töffli dran. «Ich wollte einfach wissen, wie alles genau funktioniert.»
Er ist ein Vorbild für die Lernenden im Betrieb
Im Traber Landmaschinenbetrieb in Algetshausen, wo Sandro Weber arbeitet, hat Chef Thomas Traber Freude am Erfolg seines Mitarbeiters. Eine grosse Plane mit dem Konterfei des Europameisters prangt an der Fassade. «Ich hatte vorher bereits Angestellte, die an den Swissskills teilnahmen, darum war mir der Wettbewerb nicht ganz unbekannt», sagt Traber. Natürlich bringe so ein Europameistertitel auch das eigene Geschäft ins Gespräch. Es gäbe mehr Anfragen für Schnupperlehren als auch schon. «Obwohl, Sandro hat seine Lehre nicht bei mir absolviert. Ich bin also nur zu einem gewissen Teil für das Spitzenergebnis verantwortlich.» Traber hat ein junges Team, das für ihn arbeitet. «Ich sorge für die Unterhaltung, sie machen einen guten Job», meint er scherzend. Man spürt auch bei ihm die Begeisterung für den Beruf.
«Es wäre schon spannend, ebenfalls an Berufsmeisterschaften teilzunehmen. Unglaublich, was Sandro alles machen konnte; zum Beispiel Schulungen bei Liebherr, Pöttinger oder Bucher Landtechnik. Das würde mich auch interessieren», meint Rouven Frick, einer der Lernenden des Traber Landmaschinenbetriebs. In erster Linie stehe bei ihm aber vorerst der Berufsabschluss im Fokus. Betreffend Notendurchschnitt sehe es schon mal nicht schlecht aus. Livio Keller, ebenfalls in Ausbildung, ist vom Fachwissen seines Arbeitskollegenbeeindruckt. Letzthin hätten Sandro und er ein Getriebe aus-einandergenommen. «Statt die Zahnräder schön der Reihe nach anzuordnen, legte er sie wild durcheinander vor uns auf den Tisch. Trotzdem hat er am Ende alles wieder problemlos zusammenbauen können», meint er bewundernd.
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Er will sich nicht auf dem Erfolg ausruhen
Sich auf dem Erfolg des Europameistertitels auszuruhen, ist nicht die Art von Sandro Weber. Er will noch mehr über Landtechnik wissen, alles noch besser verstehen und komplexen Problemen noch mehr auf den Grund gehen. Zurzeit macht er in Winterthur eine Weiterbildung zum Diagnosetechniker Landmaschinen. «Das hiess früher Werkstattleiter», fügt er erklärend an. Eine leitende Funktion strebe er zurzeit nicht an. Er will einfach noch besser werden. Die Frage, ob ihn vielleicht ein Auslandjob reize, verneint er ebenfalls. Es macht den Eindruck, als ob er hier in der Ostschweiz ganz zufrieden ist.
Weil Sandro Weber bereits zwei Meistertitel hat, kann er nicht an den Berufsweltmeisterschaften teilnehmen. Grund dafür ist, dass im Beruf Landmaschinenmechaniker nur eine Teilnahme an einem internationalen Wettkampf möglich ist, also entweder Euro-skills oder Worldskills. Dies gebe jemandem anderem die Chance, sich zu beweisen. Zu wurmen scheint dies Weber nicht und es dünkt einen, dass er nach all dem Rummel gerne zur Normalität zurückkehren will.
Mit viel Geduld posiert Sandro Weber für die Bilder für diesen Bericht. Er fährt den Traktor vor, stellt ihn zigmal um wegen des Lichts, oder er zieht sich schnell einen Pullover über, damit er mit Schweissgerät und Trennscheibe hantieren kann. Auch wenn ihm die Bekanntheit wegen seines Europameistertitels auf seine bescheidene Art Spass zu machen scheint, glaubt man ihm gerne, wenn er sagt: «Am liebsten bin ich einfach bei der Arbeit.» Fast hat man das Gefühl, das Dauerlächeln sei anstrengender als ein Tag in der Werkstatt. Dorthin kehrt er am Ende wieder zurück und macht dort weiter, wo er durch den Pressebesuch unterbrochen wurde.
Euroskills 2021 in Graz
Die Euroskills sind die europäischen Berufsmeisterschaften. Sie fanden dieses Jahr vom 22. bis 26. September in Graz, Österreich, statt. Dabei wetteiferten rund400 Fachkräfte im Alter bis maximal 25 Jahre in 48 Berufsfeldern um Medaillen.
Die schweizerischen Euro-skills-Teilnehmer(innen) qualifizieren sich in der Regel über ihre Teilnahme an den Swissskills. Die Schweizer Delegation 2021 umfasste 17 Teilnehmer(innen). Davon brachten 14 eine Medaille nach Hause, sechs davon gar eine goldene.
Weitere Informationen: www.swiss-skills.ch
