Christian Galliker aus Beromünster ist Jurypräsident des Neuheiten- und Innovationswettbewerbs von Suisse Tier und der Schweizer Agrarmedien AG. Im Interview spricht er über bäuerliche Innovationen und den Nutzen der Teilnahme.
Sie sind gerade am Blackenstechen, welche Art von Innovation wäre da vonnöten?
Christian Galliker: Ich habe auch schon eine Vorführmaschine getestet, die mit Dampf Blacken abtötet. Die hat aber weder bezüglich Arbeitseffizienz noch in Sachen Wirtschaftlichkeit überzeugt und verursachte auch mehr Kollateralschaden als Handarbeit. Technische Innovation ist gut, sie muss aber einen handfesten Nutzen bringen. Bei der Blackenbekämpfung braucht es eher noch mehr Innovation beim Anbausystem, damit die Blacke vor allem auf Biobetrieben mit grosser Nährstoffverfügbarkeit nicht zum Problem wird. Bei ÖLN-Betrieben ist es aktuell spannend zu beobachten, ob sich der kommerzialisierte Einsatz von künstlicher Intelligenz (Ecorobotix) durchsetzt.
«Es winken 5000 Franken und eine Plattform, um die Innovation zu präsentieren.»
Christian Galliker, Jurypräsident Innovations- und Neuheitenwettbewerb
Die Landtechnik-Branche umfasst Tausende von Firmen, die alljährlich zahlreiche Innovationen auf den Markt bringen. Wie wichtig sind bäuerliche Innovationen?
Die Bauern wollen möglichst direkt und einfach ein Problem lösen und müssen kein Produkt verkaufen. Deshalb ist die bäuerliche Innovation oft simpler und praktischer, oder statt der technischen Problemlösung wird das System innovativ angepasst, damit das Problem gar nicht mehr entsteht.
In welchem Bereich stellen Sie den grössten bäuerlichen Erfindungsreichtum fest?
Ich beobachte, wie z. B. im Bio-Pflanzenbau viel getüftelt wird. Alternative Anbausysteme wie «Regenerative Landwirtschaft», «Permakultur» oder «Agroforst» brauchen auch neue technische Hilfsmittel zur Bewirtschaftung. Auf Youtube findet man die kurligsten Maschinen der Marke Eigenbau. Auch in der Tierhaltung gibt es solche Tummelfelder für Innovationsfreudige, ich denke dabei etwa an neuartige, besonders artgerechte Ställe, an Mobilställe oder an die Hofdüngeraufbereitung.
Wo sehen Sie im Alltag das grösste Innovationsdefizit?
Viele technische Entwicklungen, die uns effizienter und wirtschaftlicher machten, führten zu schwereren Radlasten auf den Feldern und verminderter zeitlicher Flexibilität. Das aktuelle Wetter zeigt uns hier wieder einmal die Grenzen auf. Da spezialisierte Tierhaltungsbetriebe Feldarbeiten vermehrt an Lohnunternehmen auslagern, sind gerade auch diese stark betroffen. Hier muss etwas gehen hin zu grosser Schlagkraft bei gleichzeitig tieferen Radlasten. Sorry, aber eine Reifendruckregelanlage genügt hier nicht.
Fast auf jedem Betrieb sind Innovationen zu besichtigen, die meisten Innovatoren scheuen sich aber, damit an die Öffentlichkeit zu treten, woran liegt das?
Der innovative Bauer entwickelt seine Lösung für sich. Oft gibt es zwar keine Hemmungen, die Erkenntnisse zu teilen, aber man scheut den Zeitaufwand und sucht nicht aktiv die Öffentlichkeit. Der Innovationspreis der Suisse Tier will hier Gegensteuer geben, denn für die Branche ist es wertvoll, diese neuen Lösungen kennenzulernen.
Welche Art von Innovation ist im Wettbewerb gesucht?
Jede selbst entwickelte Neuheit im Stall oder auf dem Feld rund um die Schweizer Tierhaltung, von einem neuartigen Haltungssystem über eine effizientere Fütterung bis hin zu einer ganz einfachen, aber neuartigen Stallfliegenabwehr. Auch eine Verbesserung bei der Futtergewinnung auf dem Feld darf gerne angemeldet werden. Wer unsicher ist, ob sich die eigene Neuheit für eine Anmeldung eignet, kann von uns übers Internet mit einem kurzen Beschrieb und allenfalls einem passenden Bild eine «Kurzprüfung» machen lassen und bekommt schnell eine Rückmeldung.
Welchen Nutzen bringt die Wettbewerbsteilnahme?
Einerseits winkt ein Preisgeld von bis insgesamt 5000 Franken. Andererseits bietet eine Teilnahme auch interessante Kontakte und eine Plattform, um seine Innovation bekannt zu machen. Einige bisherige Gewinner des Innovationspreises haben später ihre Neuerung auch vermarktet.
Mit welcher Innovation würden Sie sich bewerben?
Ich bin weder ein Maschinenfreak noch ein besonders gewiefter Tüftler und Bastler. Wenn mich technische Lösungen aber überzeugen, investiere ich gerne in sie. Zum Beispiel habe ich mir einen arbeitswirtschaftlich sehr effizienten Futtertransporter geleistet, um die Futterautomaten in meinen mobilen Poulet-Weideställen aufzufüllen, der von einem Landwirt und einem Landmaschinenmechaniker gemeinsam entwickelt und mehrfach verkauft wurde. Auch um die Hühnerkisten von den mobilen Ställen auf den Lastwagen zu führen, arbeite ich mit einem von einem Bauer selbst entwickelten Transportgestell. Beides wären super Beispiele, die ich sofort anmelden würde, wäre ich der Erfinder.
Ende Juli ist Anmeldeschluss
Am 30. Juli 2023 ist Anmeldeschluss für den Innovations- und Neuheitenwettbewerb. Beurteilt werden die Projekte von der Jury unter der Leitung von Präsident Christian Galliker. Weitere Mitglieder: Benedikt Gisler, BBZN Hohenrain LU; Danja Wiederkehr, HAFL Zollikofen BE; Markus Sax, Agroscope Tänikon TG; Markus Rombach, Agridea Lindau ZH; David Zumkehr, Aviforum Zollikofen BE; Hugo Heller, Suisseporcs Zentralschweiz, Sempach LU, Beat Burkhalter, BUL, Schöftland AG; Susanne Betscher-Bättig, Wiggerhof, Altishofen LU; Christian Schönbächler, Barto, Einsiedeln SZ; und Deborah Rentsch, «die grüne», Münchenbuchsee BE.[IMG 2]