In vielen Regionen der Schweiz zeigen sich in den Wäldern auffallend viele geschädigte oder abgestorbene Bäume. Nach dem aussergewöhnlich heissen und trockenen Sommerhalbjahr 2018 waren die ersten Schäden unmittelbar sichtbar, als einige Laubbäume bereits im Spätsommer das Laub verfärbt und abgeworfen haben. Folgeschäden haben sich nun in die Jahre 2019 und 2020 hingezogen, da sich unterdessen auch die Borkenkäfer stark vermehrt haben. In Graubünden waren die ­direkten Trockenheitsschäden zunächst noch auf die tieferen Lagen beschränkt.

Die Borkenkäfer sind auf dem Vormarsch

Nun verbreiten sich in mittleren Lagen auch die Borkenkäfer stärker, befallen gesunde Bäume und bringen grössere Baumgruppen zum Absterben. Die jetzige Situation bei der Fichte (Rottanne) zeigt exemplarisch auf, wohin die Entwicklung in vielen Wäldern gehen kann. Aufgrund der längeren Trockenperioden sind die Bäume geschwächt und somit anfälliger auf Schädlinge. Gleichzeitig führen höhere Temperaturen zu einer schnelleren und häufigeren Entwicklung des Buchdruckers (die häufigste Borkenkäfer-Art), der sich bis zu drei Mal jährlich paaren und vermehren kann.

Andere Baumarten übernehmen

Allgemein steigt die Anfälligkeit auf Störungen unter dem Aspekt des Klimawandels an, und es stellen sich vermehrt auch andere Baumarten ein. In Graubünden wird die Fichte in den tieferen Lagen zukünftig eine weit geringere Rolle spielen als heute, dafür dürfte sie in höheren Lagen deutlich besser wachsen. In den tieferen Lagen werden zunehmend Laubbäume aufwachsen (vor allem Buche, Eiche oder Bergahorn) und das Landschaftsbild nachhaltig verändern. In den mittleren und höheren Lagen Graubündens werden jedoch auch zukünftig die Nadelbäume wie die Fichte, Weisstanne, Lärche oder Arve dominieren. Auch diese Arten weisen aber Risiken auf. Bei der Weisstanne etwa ist das einheimische Schalenwild (Rothirsch, Reh und Gämse) heute vielerorts ein entscheidender Faktor für fehlende Verjüngung, so dass trotz einer intensiven Bejagung auch Wildschutzzäune erstellt und unterhalten werden müssen.

Projekt zur Zukunftsfähigkeit verschiedener Bäume

Ein wichtiges neues Projekt für die Forschung und die Praxis, die Testpflanzungen von zukunftsfähigen Baumarten, ist kürzlich gestartet. In Koordination durch die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) werden verteilt über die ganze Schweiz mehrere Baumarten verschiedener Herkunft angepflanzt und ihr Aufwachsen über die kommenden Jahre und Jahrzehnte beobachtet. Damit werden die theoretischen Überlegungen direkt im Wald überprüft, damit auch die Baumartenempfehlungen laufend verbessert werden können. Der Schutzwald wird auch zukünftig den Schutz vor Naturgefahren sicherstellen, aber dazu braucht er Pflegeeingriffe und Holzschläge. Heute übersteigen die Kosten für die Arbeiten im Wald insbesondere in den schlecht erschlossenen Gebirgslagen den erwirtschafteten Ertrag aus dem Holzverkauf aufgrund des niedrigen Holzerlöses aber deutlich. Nur dank der jährlichen Beiträge von Bund, Kanton und den Waldeigentümern in zweistelliger Millionenhöhe ist es in Graubünden heute möglich, dass die nötigen Arbeiten im Wald erfolgen können. Denn wo sie es heute noch nicht sind, müssen die Wälder «klimafit» gemacht werden. Dazu ist eine möglichst grosse Baumartenvielfalt nötig, damit der Wald auch zukünftig stabil bleibt und sich nach Störungen besser und schneller erholen kann.

In den meisten Fällen ist es die beste Lösung, wenn sich der Wald durch natürliche Verjüngung von selbst erneuert. Es gibt aber auch Wälder, in denen die zukünftig wichtigen Baumarten heute noch vollständig fehlen, so dass mit Pflanzungen von Jungbäumen nachgeholfen werden muss. Nicht nur das Klima verändert sich, auch der Wald wird sich also in den kommenden Jahrzehnten wandeln.

Marco Vanoni arbeitet als Bereichsleiter Schutzwald & Waldökologie beim Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden