Die Schweiz war im Juni Gastgeberin des Symposiums von EGF-Eucarpia. Die Tagung widmete sich dem Thema «Verbesserung von Kunstwiesen». Nachfolgend eine Bilanz mit Fokus auf dem Klima mit Olivier Huguenin-Elie von Agroscope. Er war Co-Präsident des wissenschaftlichen Ausschusses des Symposiums.
Welche Herausforderungen bringen der Klimawandel und die Trockenheit für die Forschung im Futterbau?
Olivier Huguenin-Elie: Die Herausforderungen sind vielfältig. Einerseits kennen wir bereits Arten, die gegenüber Trockenheit resistenter sind als die aktuell in der Schweiz angebauten Futterpflanzen. Sie werden in Ländern, die bereits regelmässig von schweren Dürren betroffen sind, im Futterbau eingesetzt. Doch dieser Ansatz allein reicht nicht, da solche Arten in der Regel auch grosse Nachteile haben. Sie sind zum Beispiel schlechter verdaulich. Zudem müssen wir in den nächsten Jahrzehnten damit rechnen, dass die Niederschläge von Jahr zu Jahr stark variieren. Deshalb müssen neue Systeme nicht nur trockenheitsresistent sein, sondern auch widerstandsfähig gegenüber Niederschlagsschwankungen.
Welche Züchtungsstrategie verfolgen Sie in diesem Fall?
Wir bemühen uns, unter den besten Futterpflanzenarten auch Sorten zu züchten, die trockenheitsresistenter sind. Auch arbeiten wir daran, die Artenzusammensetzung von Mischungen weiter zu verbessern.
Sind bereits Anwendungen für die Landwirtschaftsbetriebe in Sicht?
Die am Symposium präsentierten Fortschritte in der Züchtung wecken die Hoffnung, dass in den nächsten Jahren trockenheitsresistentere Sorten schneller gezüchtet werden können. Was die Kunstwiesen betrifft, bestätigen neue Ergebnisse: Die Futtermittelproduktion kann in Trockenperioden besser sichergestellt werden, wenn eine gewisse Diversität bei den Futterpflanzenarten gegeben ist. Artenmischungen sind also besser. Die Strategie der Schweiz, Mischungen für Kunstwiesen zu verwenden, ist somit nicht nur aus Sicht der Produktivität und der Futterqualität positiv zu werten. Sie ist auch ein Schlüsselelement im Hinblick auf den Klimawandel und die Stabilität der Produktion.
Warum verfolgt Agroscope ein umfassendes Forschungsprogramm im Bereich Grasland?
Agroscope leistet einen Beitrag, um die Effizienz beim Ressourceneinsatz sowohl im Flachland als auch in den Bergregionen zu verbessern. Unsere Versuche zur Trockenheitsproblematik haben gezeigt, dass Leguminosen bei der Anpassung an den Klimawandel eine wichtige Rolle spielen werden. Auch die folgenden Anpassungen erwiesen sich für den Futterbau als interessant:
- Unterschiedliche Graslandtypen nutzen zur Risikoverteilung.
- Einsatz von trockenheitsangepassten Mischungen (In Regionen, die regelmässig auch genügend regenreiche Jahre haben aber nicht auf allen Flächen).
- Nutzung des Graslands im optimalen Stadium, solange kein Wassermangel besteht, um von guten Wachstumsphasen zu profitieren. Dafür das Grasland in Trockenperioden schonen.
Sind diese Anpassungen in der ganzen Schweiz nutzbar?
Bestimmte Grundsätze wie die Mischungen schon. Wir müssen aber auch spezifische regionale Lösungen finden, weil die Auswirkungen des Klimawandels in den verschiedenen Landesregionen unterschiedlich sein werden. Unsere Ertragsmessungen im Grasland von 2017 und 2018 zeigen Unterschiede: Der trockene Sommer 2018 brachte im Westschweizer Jura gegenüber 2017 deutlich geringere Ernten, in der Region Luzern dagegen nicht einmal 10% Einbussen. Eine Wiese in 1000 Metern Höhe nördlich des Pilatus profitierte sogar klar von den Wetterbedingungen 2018.
Wie sehen Sie die Zukunft des Graslands in der Schweiz?
Schwierig in gewissen Regionen, aber grün und produktiv in anderen. Wir haben in mehreren Versuchen beobachtet, dass Grasland relativ widerstandsfähig ist. Zudem zeigten die Ergebnisse der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich am Symposium, dass Grasland je nach Bewirtschaftung wichtig sein kann zur Verminderung negativer Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Klima. An diese Verminderung zu denken, ist in der Klimadiskussion ebenfalls unerlässlich. Grasland wird somit sicherlich auch künftig ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Landwirtschaft bleiben.
Am Symposium war häufig die Rede von Fortschritten in der Genetik. Gibt es in diesem Bereich nennens-werte Änderungen?
Methoden zur genomischen Vorhersage und für beschleunigte Testverfahren waren tatsächlich wichtige Themen. Weiter wichtig war auch die Genomstabilität bei Hybriden. Die Genomstabilität ist zentral bei Festulolium-Hybriden (Anm. D. Red.: Kreuzungen von Schwingel- mit Raigras-Arten). Diese Kreuzungen könnten in Europa an Bedeutung gewinnen, falls das Klima für Raigräser weniger günstig wird. Es scheint, dass man mit der Sequenzierung und deren Anwendung für die Vorhersage der Leistung verschiedener Genotypen an einem wichtigen Punkt angelangt ist; Diese neuen Technologien werden jetzt schrittweise in der Züchtungspraxis eingesetzt. Wichtige Durchbrüche werden zum Beispiel beim Verständnis der genetischen Kontrolle von Merkmalen der Genotypen erzielt.
Können Sie zwei Ansätze nennen, die Sie an diesem Symposium besonders beeindruckt haben?
Der erste besonders interessante Punkt war meines Erachtens die Sicht über ein sehr breites Grössenspektrum – vom Gen bis zur Anbauregion. Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach zentral bei der Bewältigung komplexer Probleme wie der Anpassung an den Klimawandel. Ein anderer Punkt waren neue Erkenntnisse zum besseren Verständnis der zahlreichen positiven Auswirkungen von Interaktionen zwischen Arten und Sorten beim Anbau von Futterpflanzenmischungen. Neben der Produktivität der Mischungen, wurden auch deren ökologische Auswirkungen, deren Stabilität oder deren Tritttoleranz in neuen Studien untersucht.
Das ungekürzte Interview finden Sie unter: www.agroscope.ch Grasland Schweiz