Seit 20 Jahren betreue ich das Alpofon, eine Hotline von Älpler(innen) für Älpler. Die Idee dieses Telefons für Notsituationen ist damals in der IG-Alp entstanden, von Alpleuten, die selber erlebt hatten, wie verheerend es ist, wenn auf der Alp plötzlich eine Arbeitskraft ausfällt.

Als ehemalige Kuhälplerin ist für mich das Betreuen des Alpofons immer noch eine interessante Möglichkeit, mit der Alpwirtschaft vom Tal aus in Kontakt zu sein. Ich höre so manche Geschichten, versuche als neutrale Person einen Rat zu geben und vermittle Adressen von Ersatzälplern. Das klappt manchmal sehr gut, manchmal gar nicht.

Frohgemut miteinander in den Sommer, aber dann...

Seit Jahren führe ich Statistik darüber, warum Ersatzpersonal gesucht wird und was für Leute sich für einen spontanen Alpeinsatz zur Verfügung stellen. Es sind immer etwa dieselben Gründe: Nach Unfall und Krankheit führt Konflikt oder Überforderung dazu, dass Älpler(innen) weglaufen, künden oder weggeschickt werden. Ich frage mich, wie das vermieden werden könnte, starten doch Alpmeister und Mitälpler oft frohgemut miteinander in den Sommer.

Aber dann ist der Alpmeister schlecht gelaunt, der Angestellte unzuverlässig, das Wetter trüb, die Tiere krank, der Schlaf zu kurz, die Kleidung nass, der Käse gebläht, die Hütte feucht, die Mistgabel zerbrochen, der Hütehund unfolgsam … Die Liste liesse sich noch lange fortsetzen. Wohin ist da die vermeintliche Alpidylle verschwunden?

Fehlendes Einfühlungsvermögen und Verständnis für Alppersonal

Ich denke, es fehlt oft an gegenseitigem Einfühlungsvermögen und Verständnis, sowie an mangelnder Organisation der Arbeitsabläufe. Ein Alpbetrieb mit wechselndem Personal sollte so eingerichtet sein, dass dieses sich rasch zurechtfinden und möglichst selbstständig arbeiten kann. Z. B. gelingt das Einstallen der Kühe, wenn jedes Tier mit einem farbigen Band um die Glocke für den entsprechenden Stalleingang und mit einer Nummer auf dem Rücken für den richtigen Stallplatz markiert wird.

Ein Weideplan gibt Übersicht und hilft erklären

Ein Weideplan mit Toren, Viehhüter und Brunnen gibt Übersicht und hilft zu erklären, wo was gezäunt und kontrolliert werden muss. In der Käserei sind Bürsten und Schürzen klar zu beschriften, welche für Milchgeschirr, Käserei, Keller oder Schmutz verwendet werden. Geht ein Älpler schon sein Leben lang z Alp und kennt seinen Betrieb und seine Tiere in- und auswendig, findet er solche Kennzeichnungen vielleicht überflüssig. Zudem ist es für ihn schwer vorstellbar, was Neulinge alles wissen oder eben nicht wissen können.

Ein Alpchef muss gut erklären können und Geduld haben, wenn nicht alles auf Anhieb richtig gemacht wird. Denn es ist enorm viel, was ein neuer Angestellter in kürzester Zeit lernen muss. Aufmunternde Worte helfen dabei oft viel mehr als tadelnde. Oft höre ich am Alpofon von abgesprungenen Älplern: «Man konnte es dem Chef nie recht machen». Dass sowas sehr frustrierend ist, besonders wenn man sich mit ganzer Kraft einsetzt, verwundert nicht. Summiert mit zu wenig Schlaf und schlechtem Lohn führt das dann oft zum Abbruch.

Sich dem Alpchef erst einmal unterordnen

Jeder auch erfahrene Älpler ist auf einer neuen Alp zuerst ein Anfänger. Jede Alp funktioniert anders, hat ein anderes Melksystem, eine andere Kessifeuerung, ein anderes Kellerklima, dem man das Schmieren anpassen muss – und hat vor allem andere Gepflogenheiten. Diesen muss man sich als Angestellter oder Ersatzälpler zuerst einfach mal unterordnen und es so machen, wie der Chef will.

Später darf man sicher versuchen, eigene Ideen einzubringen. Aber bitte nicht als Besserwisser, das verträgt Chef nicht. Bauern sind manchmal etwas wortkarg und eher sparsam mit Lob. Diesen Charakterzug soll man zur Kenntnis nehmen und nicht als persönliche Ab-neigung empfinden.

Respekt, Toleranz und Ungerades mal stehen lassen

Sind Alpmeister oder Sennerin manchmal mürrisch, versucht man sich in ihre Lage zu versetzen. Vielleicht liegt ihnen die grosse Verantwortung auf dem Magen, oder sie haben zu wenig Schlaf und sind gestresst mit der vielen Arbeit. Alpchefs sind keine Personalmanager, sollten das jedoch zu allem anderen auch noch sein.

Als Alpneuling ist es darum wichtig, sich zuerst alles genau erklären zu lassen und dies zu notieren (auf Papier oder im Handy), damit man es schon beim ersten Mal richtig macht. (Ich brauchte bei meiner letzten Alpaushilfe ein ganzes A4-Blatt, um das Waschen der Rohrmelkanlage zu notieren.) Zur Vorbeugung von Konflikten tut sicher gut, wenn man ab und zu den anderen ernsthaft fragt, wie es ihm geht, einander mit Respekt und Toleranz begegnet, Ungerades mal stehen lässt und versucht, alles mit etwas Humor zu nehmen. Dann kann der Alpsommer für alle zum schönen Erlebnis werden.