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Pro: Ein Zeichen im Wandel der Zeit

Als wir vor sieben Jahren einen Hof übernahmen und zum Lebenshof umgestalteten, wäre uns nicht im Traum in den Sinn gekommen, dass sich Landwirte melden könnten, die unsere Beratung für eine ähnliche Umgestaltung erfragen. Rückblickend ist es eine logische Folge davon, dass die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten mit immer grösseren Herausforderungen konfrontiert wurde. Der Druck ist von zwei Seiten spürbar: Auf der einen Seite das Wirtschaftssystem, das auf grösser, billiger, spezialisierter, massentauglicher aufbaute, auf der anderen Seite drückte die öffentliche Meinung gegen die landwirtschaftliche Praxis.

Vegane Landwirtschaft ist eine Alternative

Diese Kritik hat heute ihren Höhepunkt erreicht, indem Konsumenten den Landwirten ökologisches Fehlverhalten vorwerfen, während sie ihr Kaufverhalten nur bedingt hinterfragen und der Detailhandel diese Krise durch falsche Anreize noch verschärft. Dies konnte jedoch die Entwicklung hin zu mehr Tierwohl nicht aufhalten und mit der Nachfrage nach tierproduktfreien Alternativen, drang der Impuls der veganen Landwirtschaft in die Nahrungsmittelproduktion ein. Als wirtschaftlich gut funktionierende Höfe auf rein pflanzliche Produkte zu bauen begannen, wurde aus der belächelten veganen Landwirtschaft plötzlich eine reale Alternative. Heute erleben wir eine Welle der Begeisterung für die Möglichkeit, innerhalb eines Betriebs umzustellen und dem idyllischen Bild der Schweizer Landwirtschaft wieder gerecht zu werden. Einfach gesagt sind es vier Faktoren, die die Landwirte zu einem Umstieg bewegen:

  • Das Bedürfnis, keine Tiere mehr auszubeuten.
  • Die Sorge um das Klima und das ökologische Gleichgewicht.
  • Die Freude am Entdecken von neuen, zukunftsfähigen Modellen.
  • Die steigende Nachfrage nach klima- und tierfreundlichen Produkten.

Nach der Umstellung kehr die Freude zurück

Besonders erfreulich zu sehen ist, wie mit der Umstellung wieder Freude am Beruf aufkommt. Das ist vielleicht der grösste Pluspunkt: Im Einklang zu sein mit dem, was man tut. Beispiele neuer Produkte sind die Erbsenproduktion zur Herstellung von Eiweissprodukten, oder der Haferanbau zur Herstellung von Haferdrinks. Der Markt dafür ist wachsend, und die Chance, sich in einem Lebenshof neu zu definieren, ist grösser denn je. Sie löst ausserdem einen guten Teil der Schwierigkeiten, mit denen die Landwirt(innen) von heute konfrontiert sind.

Text: Sarah Heiligtag, Umweltethikerin und Landwirtin.

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Contra: Nutzlose Tiere sind ethisch fragwürdig

Im Zusammenhang mit dem DOK-Film «Vegane Bauern», der Mitte November 2020 im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist die Diskussion um den Begriff «Lebenshof» neu entfacht worden. 

Früher nannte man diese Haltung ein Altersasyl für Tiere, welches vor allem
für Pferde genutzt wurde. In diesem Beitrag wurde die Haltung von Nutztieren als ethisch fragwürdig und gegen die Würde der Tiere eingestuft.

Man glaubt zu wissen, was ein Tierleben lebenswert macht

Ethisch fragwürdig aus meiner Sicht ist eher die Haltung von Nutztieren ohne Nutzen. Handelt es sich hier doch um das Stillen eines subjektiven Bedürfnisses von Menschen, die glauben zu wissen, was ein Tierleben lebenswert macht. Im Einen wird die Nutztierhaltung verurteilt, da sie anscheinend umweltrelevant ist. Unermüdlich werden von diesen Kreisen der Fleischkonsum und die Fleischproduktion verdammt. Ein weltweites Umstellen auf vegane Ernährung wird als Allheilmittel gegen die Umweltzerstörungen propagiert. Im Andern werden nun Tiere gehalten und gefüttert über Jahre und am Ende ihres natürlichen Lebens werden sie schlicht und einfach entsorgt in der Kadaververbrennung. Dies ist mit Food Waste gleich zu setzen.

Tiergerecht als Wurst enden

Persönlich betrachte ich diese Haltung als eine falsche Tierliebe. Auch ich liebe Tiere, vor allem Kühe. Ich halte, pflege und füttere sie nach bestem Wissen und Gewissen und dies mit der Erfahrung meines ganzen Berufslebens. Dabei bedanken sie sich bei mir mit einer tollen Leistung. Und wenn dann eines der Tiere, welches ich jahrelang in meinem Stall halten durfte, den Hof für immer verlässt, kann dies durchaus auch mit einem mulmigen Gefühl in meiner Bauchgegend geschehen. Doch dann wird es tiergerecht seinem letzten Zweck zugeführt und endet als Wurst oder Hamburger in unserem Magen.

Die Bestimmung der Nutztiere ist der Nutzen

Trotzdem unterscheide ich klar zwischen Mensch und Tier. Ich versuche nicht, das Tier auf den Level des Menschen zu stellen, übrigens auch nicht unseren treuen und kinderliebenden Hund Chipsy. Eine Differenzierung, die anscheinend bei vielen Mitgliedern unserer Wohlstandsgesellschaft abhandengekommen ist. Hier liegt die Ursache begraben. Die Bestimmung der Nutztiere ist seit Anbeginn klar, sie sollen dem Menschen zum Nutzen sein und nicht umgekehrt.

Text: Martin Haab, Meisterlandwirt, SVP-Nationalrat und Präsident des Zürcher Bauernverbands.