Wenn Andrea Hochuli auf dem Hofplatz steht und nach unten schaut, sieht sie das Häusermeer der Stadt Aarau und ihrer Agglomeration. Dreht sie den Kopf auf die andere Seite, hat sie die wild-schönen Hänge der Staffelegg vor sich. So viel Natur, dass kürzlich am Morgen ein Reh vor dem Stall lag, das ein Luchs gerissen hatte.
Schöne Lage mit Tücken
Andrea und ihr Mann Samuel Hochuli, Eltern von zwei Kindern im Alter von sieben und elf Jahren, führen einen Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb in Küttigen. Der Langacherhof steht sozusagen zwischen Stadt und Land. Eine schöne Lage, die aber auch ihre Tücken hat. Oben aus dem Wald rücken die Wildschweine in die Wiesen vor, vom Wohngebiet unten markieren erholungssuchende Menschen das Revier.
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Da gehört es beispielsweise zur Arbeit der Bäuerin, dass sich Passanten bei ihr über den Geruch der Kompostmiete am Feldrand beklagen, während sie Plastikteile herausliest. «Das ist euer eigener Grünabfall», erklärt sie den Menschen dann – falls diese überhaupt zuhören. Viele seien in solchen Situationen gar nicht an Aufklärung interessiert, berichtet sie. Davon lässt sie sich nicht frustrieren, denn sie erlebt auch viel Anderes.
Oft Gäste auf dem Hof
Sie strahlt schon wieder, wenn sie vom 1.-August-Brunch erzählt, den die Familie nach zwei Jahren Pause jetzt wieder durchführen kann. An diesem Anlass hat der Betriebsleiter jeweils keine andere Aufgabe, als mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. «Da gibt es so viele gute Begegnungen und Wertschätzung», erzählt die Bäuerin. Ebenso beim Tag der offenen Stalltüre, und wenn in Zusammenarbeit mit der Schule Küttigen Spielgruppen, Kindergarten- und Schulklassen den Hof besuchen.
«Wir haben schnell gespürt, dass es passt.»
Andrea Hochuli über den Moment, als sie für das ALFV-Präsidium von Lotti Baumann angefragt wurde.
Andrea Hochuli hat gerne Gäste. Sie ist als Servicefachangestellte ins Berufsleben gestartet und hat sich bis zum Wirtepatent weitergebildet. Auf dem Hof bietet sie ein Bed & Breakfast an. Brücken zu bauen über den Stadt-Land-Graben, das ist eine Herzensangelegenheit von ihr. In diesem Bereich möchte sie sich auch als künftige Präsidentin der Aargauer Landfrauen stark machen. An der Delegiertenversammlung vom kommenden Mittwoch ist sie als Nachfolgerin von Lotti Baumann nominiert. «Als sie mich angefragt hat, haben wir eine Stunde zusammen gesprochen und schnell gespürt, dass es passt», erinnert sich Andrea Hochuli.
Fliessender Übergang zwischen den beiden Präsidentinnen
Wegen der Corona-Situation wurde die Delegiertenversammlung der Aargauer Landfrauen vom März in den April geschoben. Die Amtsübergabe läuft darum fliessend; mittlerweile war Andrea Hochuli schon an einigen Sitzungen, zum Beispiel an der Präsidentinnenkonferenz des Dachverbands.
Die unterschiedlichen Frauen an einem Tisch haben sie beeindruckt: «Jede hat ihre Stärken, und das wird im Verband gezielt genutzt.» Die künftige Kantonalpräsidentin hat schon eine Liste mit Themen erhalten, in die sie sich einarbeiten muss, von Neophyten über die Ausbildung der Landwirt(innen) bis zur Massentierhaltungs-Initiative.
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Dass sie im Vorjahr die Höhere Fachprüfung als Bäuerin abgeschlossen hat, kommt ihr zugute: «So bin ich bei vielen Dingen auf dem aktuellen Stand.» Bäuerinnen besuchen für diese Weiterbildung die landwirtschaftliche Betriebsleiterschule. Sie habe sehr viel Stoff aufarbeiten müssen, den die Landwirt(innen) aus der Grundbildung schon mitbrachten. «Einzusteigen hat am meisten Mut gebraucht.» Aber auch nachher habe es Schweiss und Tränen gegeben. Gelernt und an ihrer Projektarbeit geschrieben hat sie nachts, am Tag fehlte die Ruhe dafür. Das Diplom bringt ihr nicht mehr Lohn und doch habe sich für sie die Weiterbildung absolut gelohnt: «Ich kann jetzt ganz anders mitdiskutieren und werde auch anderes wahrgenommen.»
Offen für Traditionen und für Neues
An der Delegiertenversammlung der Aargauer Landfrauen wird sich Andrea Hochuli in der Tracht vorstellen. «Traditionen sind etwas Schönes, ich pflege sie gerne», sagt die 42-Jährige. Aber nicht alles um jeden Preis, ergänzt sie, auch Neues müsse Platz haben. Auf die Kleidung übertragen heisst das: «Schnallenschuhe, Gummistiefel oder High Heels – wir Landfrauen tragen das, was gerade passt.»
Auch der Betrieb von Familie Hochuli hat verschiedene Facetten. Samuel Hochuli führt seinen Bestand von 90 leistungsstarken Holsteinkühen intensiv und auf hohem Niveau; er wurde schon als nationaler und kantonaler Meisterzüchter ausgezeichnet. Auf der anderen Seite pflegt er 13 Hektaren Ökoflächen, darunter Trockenstandorte von nationaler Bedeutung.
Andrea Hochulis Pensum als ALFV-Präsidentin beträgt theoretisch 20 Prozent, mit saisonalen Spitzen. Den Freiraum dafür schafft sie sich, indem sie ihre externe Arbeit im Service reduziert. Nicht zurückstecken möchte sie bei der Zeit, die sie mit ihrer geliebten Warmblutstute Chenoa verbringt. Das müsse auch Platz haben im Leben einer Bäuerin, findet sie.