Martin Nussbaumer ist einer, der geradeaus sagt, was er denkt. So findet er klare Worte für das Ressourcenprojekt zielorientierte Biodiversitätsförderung (ZiBiF) des Kantons Zürich: «Das ist eine Geldmaschine für die Planungsbüros.» Um zu verstehen, wie er zu diesem Schluss kommt, muss man etwas ausholen.

Naturschützer fordern noch mehr Ökologie

Martin Nussbaumer führt am südöstlichen Rand von Winterthur einen Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb. Der Hof und ein Teil des Landes sind von der Stadt Winterthur gepachtet, weitere Flächen sind Pachtland von Privaten. Nussbaumer macht bei verschiedenen Vernetzungsprojekten mit. Zwölf Hektaren Biodiversitätsförderfläche (BFF) hat er 2021 ausgeschieden. Hinzu kommen 300 Hochstammobstbäume und weitere Elemente, davon etliche mit Qualitätsstufe II sowie diverse Kleinstrukturen-Elemente.

Aber dem Natur- und Vogelschutzverein Winterthur-Wülflingen ist das nicht genug. Sie prangerten an, dass die städtischen Betriebe zu wenig für die Ökologie machen würden und gelangten 2019 mit ihren Forderungen an die städtischen Kommissionen. Nussbaumer lud die Natur- und Freiraumkommission (NFK), in der er sowie Vertreter des Natur- und Vogelschutzvereins Mitglied sind, ein, seine Flächen und Ökoelemente zu besichtigen. «Zwei Stunden waren sie auf dem Betrieb, in diesem kurzen Zeitraum erhält man nur einen kleinen Einblick. Aber diejenigen, die am lautesten geschrien haben, sind gar nicht erst gekommen», sagt Nussbaumer.

In der NFK sei auch ein ­Mitglied des Natur- und Vogelschutzvereins, das ein selbstständiges Planungs- und Beratungsbüro für Naturschutz betreibe, Nutzungsplanungen für Naturschutzobjekte erstelle und diese im Auftrag der Stadt und der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich kontrolliere, fährt der Landwirt fort. Einen Namen nennt er nicht, meint aber weiter: «In einer NFK-Sitzung habe ich erwähnt, dass ich mich am ZiBiF beteilige, falls ich aufgenommen würde. Die Frau des Planers, die bei der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich arbeitet, wird mich sicher nicht für das Projekt empfohlen haben.»

Grosses Interesse an ZiBiF

Im Sommer 2020 lancierte der Kanton Zürich das Ressourcenprojekt «zielorientierte Biodiversitätsförderung». Auch Martin Nussbaumer bewarb sich als Pilotbetrieb. «Der Ansatz, dass der Bauer selber entscheiden kann, wo eine ökologische Aufwertung der Flächen Sinn macht, war mir sehr sympathisch», führt er aus. Auch dass man nicht mehr fix an einen Schnittzeitpunkt gebunden ist, begrüsst er.

An zwei Veranstaltungen letzten November informierten die Projektverantwortlichen. Das Interesse war riesig: knapp 180 Personen von 151 Betrieben nahmen an den beiden Anlässen teil. 57 Betriebe bewarben sich für eine Teilnahme, fast doppelt so viel wie die 30 Betriebe, die mitmachen können. Nussbaumer war nicht unter den ausgewählten. Eine E-Mail, in der er sich nach den Gründen erkundigte, blieb unbeantwortet.

 

ZiBiF: Mehr Spielraum für die Bauern

Die zielorientierte Biodiversitätsförderung, kurz ZiBiF, wird vom Kanton Zürich, dem Zürcher Bauernverband und Agridea getragen und vom Bundesamt für Landwirtschaft kofinanziert. Mit dem Projekt soll die Biodiversität auf Betriebsebene zielorientiert, standortspezifisch und leistungsabhängig gefördert werden.

Die teilnehmenden Betriebe sind frei in der Auswahl der Massnahmen, mit denen sie eine höhere Biodiversität erreichen wollen. Damit erhalten die Betriebe mehr Spielraum als beim bestehenden System, tragen aber auch eine höhere Verantwortung.

Nach Schulungen im Frühjahr 2021 sollen die Massnahmenumsetzung schon in diesem Jahr beginnen sowie die einzelbetrieblichen Flächen und Ziele vertraglich geregelt werden. Das Projekt dauert bis 2028.

 

«Beratungsbüros profitieren»

Martin Nussbaumer glaubt, dass man ihn gezielt ausgebootet hat, weil er das Projekt kritisch unter die Lupe nahm und die Geldverteilung hinterfragte. «Von den Fördergeldern landet nur ein kleiner Teil bei den Bauern. Der Grossteil bleibt bei den Beratungsbüros», regt er sich auf. «Ich fragte den Projektleiter Martin Graf, ob sie sich bewusst sind, dass es die Umweltplanungsbüros nach einer Umsetzung des Projekts nicht mehr bräuchte. Der Landwirt kann ja dann selber entscheiden, was er wo machen kann, die Qualität muss einfach stimmen. Die Planungsbüros würden überflüssig.»

Seine Kritik sowie sein Wille und Fachwissen, um nachzuweisen, dass man ohne Vorschriften und Planer viel effizienter Erfolge für die Biodiversität erreichen kann, hätten dazu geführt, dass man ihn von einer Teilnahme ausgeschlossen habe, ist Nussbaumer überzeugt. Für ihn steht fest, dass das Projekt nur dazu dient, die Kontrollen auszubauen. Nussbaumer sagt: «Es zählt nicht die Sache. Es geht allein darum, die Umweltplanungsbüros, die ebenfalls in der Projektleitung vertreten sind, zu beschäftigen.»

ALN widerspricht

Von Seiten der Medienstelle des Kantons Zürich heisst es, man habe bei der Auswahl der Betriebe auf eine gute Durchmischung geachtet. Kriterien waren: Landwirtschaftliche Nutzfläche, Grösse und Ausrichtung des Betriebes, Standardarbeitskräfte, Jahrgang der Bewirtschaftenden, Bio-/ÖLN-Betriebe, geografische Lage.

Martin Graf, Fachstelle Naturschutz beim Amt für Landschaft und Natur (ALN) und Mitglied der ZiBiF-Projektleitung, äussert sich auf Nachfrage der BauernZeitung wie folgt zu Martin Nussbaumers Anschuldigungen: «Die Auswahl der Betriebe erfolgte durch die Projektleitung des ALN und der Trägerschaft, Agridea und Zürcher Bauernverband. Planungsbüros waren an diesem Entscheid nicht beteiligt.»

Nussbaumers Behauptung in Sachen Geldverteilung hält Graf entgegen: «Drei Viertel des Geldes kommt direkt oder indirekt den Bauern zugute. Nur ein Viertel wird fürs Aufgleisen, Begleiten und Auswerten des Projekts benötigt.» Dass man die Rückfrage von Martin Nussbaumer nicht beantwortet habe, bedauere er. Diese habe sich aufgrund der Festtage leicht verzögert.