Das Jahr 2022 rückt langsam aber sicher näher und damit die Umsetzung der Agrarpolitik (AP) 22+. Zwar dauert es noch 25 Monate bis zum Inkrafttreten der neuen AP, aber es gibt auch noch einiges zu tun: Die Botschaft muss vom Bundesrat verabschiedet (voraussichtlich im Januar) und dann im Parlament diskutiert werden. An der Tagung Update Agrarpolitik, die am 15. November am Strickhof Lindau stattfand, berichteten Mitarbeiter des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) über den Stand der Arbeiten und die neuen Instrumente.
Teilantwort auf Initiativen
Bernard Belk, Vize-Direktor des BLW, betonte, dass man sich nicht mehr auf der strategischen Ebene befinde: "Jetzt geht es um die konkrete Ausgestaltung der Massnahmen." Die Vision der AP 22+ ist, so Belk, eine nachhaltige Landwirtschaft, die Mehrwert auf Markt- und Betriebsebene generiert, aber auch den ökologischen Fussabdruck verringert. "Die AP 22+ soll auch eine Antwort auf die Trinkwasserinitiative und weitere Initiativen sein", so Belk.
Im Interview gibt Bernard Belk weitere Informationen zur AP 22+. Er spricht unter anderem über die Hauptstossrichtung der neuen Agrarpolitik, die Reduktion des administrativen Aufwands und den politischen Druck auf die Rindviehhaltung. Weiterlesen
Eine Reaktion auf die Initiativen ist zum Beispiel die Absenkung der Nährstoffverluste, sprich die Reduktion von Stickstoff- und Phosphorüberschüssen um 10 Prozent bis 2025 resp. 20 Prozent bis 2030. Bei der Suisse-Bilanz soll die Toleranzgrenze von 10 Prozent abgeschafft werden (wir berichteten). Ein weiterer Punkt ist, dass künftig bei Verstössen im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) die Direktzahlungen ohne Wartefristen gekürzt werden können.
Umlagerung der Beiträge
Auf die vom Bundesrat in der Vernehmlassung vorgeschlagene Einführung eines Betriebsbeitrags wird verzichtet. Die dafür vorgesehenen Mittel (150 bis 250 Mio Franken) sollen stattdessen als Zonenbeiträge ausgerichtet werden. Aus dem Topf der Versorgungssicherheitsbeiträge werden 280 Mio Franken in Produktionssystembeiträge (PSB) umgelagert. Bernard Belk erklärte: "Eine Studie hat gezeigt, dass die Landwirtschaft mit 250 bis 300 Millionen Franken weniger gleich viele Kalorien produzieren kann. Darum kamen wir zum Schluss, dass dieses Geld besser in Form von Produktionssystembeiträgen investiert ist."
Belk bezeichnete die PSB als "Hauptachse der AP 22+". Diese Beiträge – unterteilt in die Bereiche Ackerbau, Spezialkulturen und Nutztierhaltung – sollen helfen, den Mehrwert und die Nachhaltigkeit zu verbessern. "Es geht nicht um Extensivierung, sondern um die Schaffung von Anreizen für eine bessere Erreichung der Umweltziele", so Belk. Die vorgesehenen 500 Mio sollen mit der Zeit auf 780 Mio Franken aufgestockt werden.
Einteilung in Module
Im Rahmen der PSB soll es im Pflanzenbau vier Module geben: Pflanzenschutz, Biodiversität, Boden und Klima. Innerhalb jedes Moduls werden Massnahmen definiert. Beim Pflanzenschutz wird es eine restriktivere Liste von PSM geben. Produkte mit hohem Risikopotenzial könnten vom ÖLN ausgeschlossen werden. Wie Laurent Nyffenegger, Fachbereich Direktzahlungen beim BLW, ausführte, wird es neben den bestehenden auch neue Massnahmen geben, und zwar dort, wo Handlungsbedarf besteht. So soll der Bodenfruchtbarkeit mehr Bedeutung zugemessen werden. Dazu ist ein Tool Humusrechner vorgesehen oder als Alternative Massnahmen der konservierenden Landwirtschaft.
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Das gleiche Prinzip gilt für die Nutztierhaltung. Dort gibt es die Module Ressourcen, Ammoniak, Tiergesundheit und Klima. Bewährtes wird beibehalten (RAUS, BTS). Es kommen aber auch neue Massnahmen hinzu, zum Beispiel die Begrenzung der Rohproteinzufuhr oder die Erhöhung der durchschnittlichen Nutzungsdauer bei den Kühen.
Weniger Kontrollen
Eine weitere Neuerung sind die risikobasierten Kontrollen. Ein neues Kontrollsystem soll ab dem 1. Januar 2020 administrative Entlastung für die Bauern und Kontrolleure bringen. Das System basiert auf den bereits bestehenden Pfeilern Grundkontrollen und zusätzliche Kontrollen. Bei den Grundkontrollen soll der Kontrollrhythmus von heute vier auf acht Jahre ausgedehnt werden. "Damit ein Betrieb nicht einfach acht Jahre nicht mehr kontrolliert wird, müssen innerhalb dieser Zeit zwingend zwei Kontrollpakete durchgeführt werden", sagte Rahel Schelbert vom BLW.
Bei den Grundkontrollen werden nur noch sogenannte Fokuskontrollpunkte kontrolliert, die vom BLW jährlich festgelegt werden. Das sind Kontrollpunkte aus dem ÖLN- und Direktzahlungsprogramm. Risikobasierte Kontrollen sollen dazu dienen, risikoreiche Betriebe gezielter anzuschauen. "Wobei risikoreich nicht bedeutet, dass der Betrieb schlecht geführt ist", hielt Schelbert fest.
Das Fuder nicht überladen
Beim Schweizer Bauernverband (SBV) begrüsst man das risikobasierte Kontrollsystem, wie Vorstandsmitglied Joseph Murer festhielt. "Wir erhoffen uns Entlastung für die gut geführten Betriebe und mehr Zeit für den Betriebsrundgang." Aber gerade dieser Punkt liess in der Präsentation von Rahel Schelbert aufhorchen. Zwar erfolgt der Stallrundgang bei jeder ÖLN-Kontrolle, auch wenn keine Tierschutzkontrolle vorgesehen ist. Schweine- und Geflügelställe sind davon allerdings ausgenommen.
Ein Teilnehmer meldete sich zu Wort und sagte, er könne es nicht nachvollziehen, dass nur Rindvieh und Schafe kontrolliert werden: "Ist ein Huhn denn weniger wert als eine Kuh oder ein Kalb?" Schelbert entgegnete, dass man die Schweine und das Geflügel bewusst ausgeklammert habe. "Rindvieh ist nun mal einfacher zu kontrollieren und wir wollten das Fuder im ersten Jahr nicht überladen." Das bedeute aber nicht, dass ein Geflügel- oder Schweinehalter nicht mehr kontrolliert werde. Er soll künftig von Spezialisten im Rahmen der risikobasierten Kontrolle kontrolliert werden.
Aufwand wird nicht weniger
Administrative Vereinfachung und Transparenz waren Stichworte, die an der Tagung oft fielen. Wie stark der einzelne Landwirt profitieren wird, war nicht immer klar ersichtlich. Beispielhaft dazu war ein Votum von einem Teilnehmer, der fragte, ob denn die Aufzeichnungspflicht entfalle, wenn die Kontrollpunkte weniger werden. Er habe Verständnis für die Aufzeichnungspflicht, "das ist auch eine Absicherung für uns Produzenten, um zu zeigen, dass wir es richtig machen". Aber dann solle man nicht von weniger Aufwand sprechen. Denn auch wenn die Kontrollen weniger oder kürzer würden, der Aufwand fürs Aufschreiben bleibe unverändert und werde mit grösster Wahrscheinlichkeit sogar noch zunehmen.