Laut Christof Rüfenacht, Geschäftsführer von Swisssem, war 2021 das schlechteste Erntejahr von Kartoffelpflanzgut der letzten zehn Jahre. Der Importbedarf sei heuer demzufolge gross: zirka 1300 t für Vermehrungspflanzgut und rund 4600 t für Pflanzgut der Klasse A. Bei einigen Sorten hätte es Engpässe gegeben. «Die frühe Sorte Lady Christl zum Beispiel ist seit Herbst ausverkauft.»
Der Virusbefall entscheidet über die Qualität
Nicht klagen kann hingegen Landwirt Martin Wüthrich. Der Produzent von Pflanzkartoffeln hatte letztes Jahr eine gute Vermehrungssaison. «Obwohl ich die anspruchsvollen Sorten Princesse Celtiane und Amandine für Coop bzw. Migros anbaue, lag ich bei beiden über dem langjährigen Durchschnittsertrag.»
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Die Herausforderung für den Produzenten ist es, den Virusbefall tiefzuhalten. Die Toleranzschwelle liegt bei 1,1 % Virusbefall für Basispflanzgut (Vermehrungsmaterial) und 10 % für zertifiziertes Pflanzgut der Klasse A. Bei einem Befall über 10 % werden die Kartoffeln deklassiert. Der Pflanzgutproduzent weiss jeweils erst kurz nach der Ernte, wie die Qualität ausfällt. Mittels eines PCR-Tests wird eine bestimmte Anzahl Knollen pro Hektare in einem Labor der Agroscope auf Virenbefall geprüft.
Da die Vermehrungsorganisation den Zeitpunkt der Krautvernichtung vorgibt, können die deklassierten Kartoffeln nur bedingt in den Speisekanal geleitet werden. «Meistens sind sie zu klein», so Wüthrich.
Abgewiesene Felder wegen schlechtem Wetter
Cécile Thomas, Verantwortliche für die Zertifizierung der Pflanzkartoffeln in der Schweiz, bestätigt Christof Rüfenachts Aussage zum letztjährigen schlechten Erntejahr: «Wir mussten 5 % der konventionellen Flächen bzw. 10 % der Bioflächen bei Feldbesichtigungen abweisen.» Wegen des schlechten Wetters war der Befall durch bakterielle Erkrankungen und Krautfäule höher als 2020. Dafür sei der Virusbefall tiefer als im Vorjahr gewesen, meint Thomas.
«Die grosse Kunst ist, das Virus zu sehen. Man erkennt es an den Blattveränderungen», erklärt Martin Wüthrich. Bei der Sorte Agria sei das einfach: «Dort sieht man diese aus fast 100 m Entfernung.» Bei Celtiane oder Amandine hingegen dürfe es beim Säubern nicht grell sein, am besten sei es leicht bewölkt.
«Die grosse Kunst ist,die Blattveränderungen zu erkennen.»
Martin Wüthrich, Kartoffelpflanzgut-Produzent aus Häusernmoos im Emmental.
Der hohe Aufwand lohnt sich für die Produzenten
Sobald die Kartoffeln zwischen Ende Mai und Anfang Juni auflaufen, kontrolliert und säubert Wüthrich andauernd. «Es ist gut investierte Zeit», meint er. Je nach Sorte und Kaliber bekommt er Fr. 40.– bis Fr. 90.–/100 kg. Für die gleiche Menge Pflanzgut muss er Fr. 120.– bezahlen. Interessant wird es für ihn deshalb, wenn er eigene Kartoffeln nachnehmen kann: «Pflanzgut, das nicht der geforderten Grössen entspricht, aber unter 1 % Virusbefall liegt, kann ich selber wieder anpflanzen, das rechnet sich.»
Letzte Saison hat Martin Wüthrich ein spezielles Vlies ausprobiert. Mit diesem hat er einen Teil seiner Kartoffeln gedeckt, nicht gegen die Kälte, sondern gegen die Blattläuse, die das Virus übertragen. «Das war zwar ein grosser Aufwand, aber das Resultat war gut.»
Schweizer Kartoffelpflanzgut stammt vor allem aus der Westschweiz
Der durchschnittliche Kartoffelpflanzgutbedarf der Schweiz beträgt 26 500 t. Im Inland werden auf zirka 1500 ha Pflanzkartoffeln angebaut. Im Durchschnitt lag die Produktionsmenge in den letzten zehn Jahren bei 24 000 t. Das entspricht ungefähr 83 % des Inlandbedarfs. Die Anbaugebiete sind wie folgt verteilt: Bern und Solothurn (40 %), Waadt (25 %), Freiburg (25 %), Zentral- und Ostschweiz (10 %).
Zur Erneuerung der Sorten werden jedes Jahr zusätzlich zirka 1100 t Vermehrungspflanzkartoffeln importiert, diese stammen aus Deutschland, Frankreich, Holland oder Österreich.
Beim Bio-Kartoffelpflanzgut liegt die Inlandproduktion bei zirka 60 % des Bedarfs. Da nur 14 Sorten in Bioqualität erhältlich sind, können Biobetriebe eine Bewilligung für konventionelle Pflanzkartoffeln beantragen. Auf das bewilligte Pflanzgut wird eine Lenkungsabgabe erhoben, die dem Preisunterschied zwischen konventionellem und biologischem Saatgut entspricht. 2022 beträgt diese im Schnitt Fr. 45.–/100 kg.
Lauf dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) darf auf europäischer Ebene ab 2036 nur noch biozertifiziertes Vermehrungspflanzgut eingesetzt werden. Wie die Schweiz das handhaben werde, sei zurzeit noch nicht klar.
Weitere Infos: www.swisssem.ch
