In mehreren Schweizer Gemeinden wurden zu hohe Chlorothalonil-Werte festgestellt. Der Bund erwägt daher, die Bewilligung von Pflanzenschutzprodukten mit diesem Wirkstoff zu widerrufen. Vorerst wird ein Vernehmlassungsverfahren eröffnet, damit Pflanzenschutzmittelhersteller und Umweltorganisationen die Möglichkeit erhalten, sich zu äussern, so das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

Gesundheit evtl. gefährdet

Seit den 1970er-Jahren wird der Wirkstoff Chlorothalonil in diversen Fungiziden im Getreide-, Gemüse-, Wein- und Obstbau eingesetzt. Seither haben sich die Zulassungsbestimmungen geändert. Sie sind strenger geworden. Insbesondere bei der Bewertung der Abbauprodukte eines Wirkstoffs werden mehr Daten und Nachweise zur Unbedenklichkeit eingefordert.

Im Rahmen einer Neubeurteilung durch die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) – verantwortlich für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln innerhalb der EU – wurde im März festgestellt, dass für die Abbauprodukte von Chlorothalonil wie z. B. Chlorothalonil-Sulfonsäure keine ausreichenden Daten vorliegen, um deren Unbedenklichkeit zu belegen. Die EFSA stufte daraufhin den Wirkstoff als relevant ein, das heisst «eine Gesundheitsgefährdung kann nicht ausgeschlossen werden». Laut dem Kantonalen Laboratorium Bern handle es sich dabei um eine Vorsichtsmassnahme: «Solange die Ungefährlichkeit dieser Stoffe nicht erwiesen ist, geht man davon aus, dass sie gefährlich sind.»

Grenzwert überschritten

Die EU reagierte bereits mit einem Verbot des Pflanzenschutzmittels ab 2020. In der Schweiz wurden im Rahmen der Nationalen Grundwasserbeobachtung Naqua kantonale Gewässeruntersuchungen an rund 600 Messstellen angeordnet. Erste Ergebnisse zeigten, dass der offizielle Höchstwert (0,1 μg/l) des Metabolits Chlorothalonil-Sulfonsäure insbesondere im Mittelland an rund 20 Prozent der Messstellen im Grundwasser überschritten wurde, berichtet das Bundesamt für Umwelt auf Nachfrage. Betroffen seien hauptsächlich Messstellen mit ackerbaulich genutzten Einzugsgebieten in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Tessin, Thurgau, Waadt und Zürich. Es habe sich gezeigt, dass sowohl Grundwasserfassungen kleinerer lokaler Wasserversorgungen wie auch regional wichtige Fassungen mit hohen Entnahmemengen betroffen sind.

Die Anforderungen für die Zulassung Chlorothalonil-haltiger Pflanzenschutzmittel seien damit nicht mehr erfüllt. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) wurde deshalb von den Kantonen beauftragt, die Bewilligung dieser Pflanzenschutzmittel zu widerrufen. Die Kantone selbst müssten laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) risikomindernde Massnahmen einleiten, um eine Verunreinigung des Trinkwassers zu verhindern – beispielsweise könne Wasser aus zwei Quellen zusammengemischt und so verdünnt oder eine andere, sauberere Trinkwasserquelle genutzt werden.

Verbot ab Herbst

Die Zulassungsstelle des BLW hat die Widerrufung der Zulassung für Chlorothalonil-haltige Pflanzenschutzmittel eingeleitet. Gehen innerhalb von 30 Tagen keine Einsprachen von den Pflanzenschutzmittelherstellern oder von Umweltorganisationen ein, dürfen bereits ab Anfang Herbst 2019 keine Chlorothalonil-haltige Produkte mehr eingesetzt werden. Eine Aufbrauchsfrist von Lagerbeständen gäbe es dabei nicht. Für Landwirte entstünden mit einem Verbot des Wirkstoffs aber keine Einschränkungen, äussert sich das BLW: Chlorothalonil sei im Feld- und Obstbau durch andere Wirkstoffe gut ersetzbar. Im Gemüsebau werde es relativ wenig eingesetzt.

Verzögerung bei Einsprache

Würden allerdings Einsprachen eingereicht, landet der Fall vor dem Verwaltungsgericht. Ein Entscheid könne sich bis zu einem Jahr hinziehen, sagt das BLW. In dieser Zeit bliebe die Bewilligung für den Wirkstoff Chlorothalonil aber weiterhin gültig.

Chlorothalonil ist ein nicht-systemisches Blattfungizid mit präventiver Wirkung gegen verschiedenste Pilzkrankheiten (Bspw. Septoria an Weizen, Kraut- und Knollenfäule an Kartoffeln). In der Schweiz werden jährlich über 30 Tonnen Chlorothalonil-haltige Produkte vor allem im Getreide-, Wein- und Obstbau eingesetzt. Im belebten Boden liegt die Halbwertszeit des Metaboliten Chlorothalonil-Sulfonsäure bei rund einem Jahr. Sobald die Substanz ins Grundwasser gelangt ist, findet allerdings kaum noch ein Abbau statt. Grundwasser erneuert sich zudem nur sehr langsam. Daher muss damit gerechnet werden, dass Rückstände von Chlorothalonil während Jahren bis Jahrzehnten im Grundwasser verbleiben.