Was wir als Chicorée kennen und essen, ist eigentlich das zweite Leben der Zichorienwurzel. Dieses spielt sich im Dunkeln in sogenannten Treibereien ab. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Auch beim Chicorée beginnt alles auf dem Feld. 

Erstes Leben im Licht

Der kleine, hellgelbe Chicorée-Samen wird im Mai auf kleinen Dämmen ausgesät. Damit sich eine Wurzel von 3,5 bis 5,5 Zentimeter Durchmesser bildet, braucht es regelmässig Feuchtigkeit. «Wenn man das Unkraut im Griff hat, ist sie eine unkomplizierte, extensive Kultur», erklärt ein Bauer. In der Schweiz wird das Gemüse vom Aargau bis an den Bodensee, im Berner Seeland und in der Westschweiz angebaut. 

Im Spätherbst wird durch einen Vollernter das löwenzahnartig aussehende Kraut bis auf einige Zentimeter abgeschnitten, die Wurzeln werden ausgegraben. Auf einer Hektare sind es bis zu 130 00 Wurzeln. In der Treiberei werden die Wurzeln sortiert und grob gereinigt. Bei Temperaturen leicht unter dem Gefrierpunkt werden sie bis zu elf Monate eingelagert. Eine dünne Eisschicht schützt sie dabei vor dem Erfrieren, bevor sie zum «zweiten Leben» erweckt werden.

Das zweite Leben als Wurzel

Bei der Gamper Chicorée AG in Stettfurt TG werden rund 500 aufgetaute Wurzeln mit dem Krautansatz nach oben von Hand jeweils in eine Wanne gestellt. Meterhoch werden diese Becken aufeinandergestapelt. Das Weitere passiert in absoluter Dunkelheit. Nur das Licht einer Taschenlampe weist den Weg zwischen den hohen Regalen. Es ist rund 15 Grad, leicht feucht, ohne auffallenden Geruch. Im Lichtkegel der Lampe offenbart sich die Pracht, die sich während dreier Wochen aus braunen Wurzeln bildet: Ein Chicoréespross neben dem anderen steht da. Das Weiss des Blattes leuchtet samtig strahlend. Das Zartgelbe an den Spitzen und Rändern rahmt jeden Zapfen ein. Teun Nijkamp, der Chef der Treiberei, bricht ein abstehendes Blatt ab und knabbert genüsslich daran. Seine Augen leuchten, es ist sein Reich.

Immer wieder kontrolliert er die Zapfen, ob die Blätter oben geschlossen sind und ob sie nicht zu schnell wachsen. Die braunen Wurzeln stehen zwei bis drei Zentimeter im Wasser. Die weissen Saugwurzeln, die sich schon ab dem ersten Tag im Dunkeln bilden, nehmen die Feuchtigkeit und den Dünger auf. Wenn nötig korrigiert Nijkamp Temperatur und Nährlösung. «Mir hilft die Erfahrung. Kein Computer kann das ersetzen», meint der Holländer, der auch lange in Frankreich gearbeitet hat – neben Holland, Belgien und Italien ein wichtiges Anbaugebiet für Chicorée. 

Je mehr Licht, desto bitterer

Nach 21 Tagen ist der Zapfen fest, makellos weiss und oben gut geschlossen. Nun kann er geerntet werden. Der Spross wird maschinell von der Wurzel getrennt, von Hand werden unschöne Blätter entfernt, die Zapfen einzeln gewogen, maschinell abgepackt und in schwarz ausgekleideten Harassen sorgfältig gestapelt. Dieser Prozess darf nicht mehr als eine Viertelstunde in Anspruch nehmen. Je mehr Licht der Chicorée hat, desto bitterer werden seine Blätter. Entsprechend sollte man auch beim Kauf und bei der kühlen Lagerung zu Hause daran denken, dass er möglichst wenig dem Licht ausgesetzt ist.

 

Fakten zu Chicorée

Lagerung: kühl und dunkel. Chicorée ist problemlos einige Tage im Kühlschrank haltbar. Durch Licht wird er bitter, Druckstellen und Schläge meiden.

Rüsten: Um die Bitterkeit des Chicorées zu mildern, aus dem Strunk ein kegelartiges Stück von ein bis zwei Zentimetern herausschneiden.

Nährwert: Der Zapfen ist reich an Vitamin A, B1, B2, C und Betacarotin, dazu kommen Folsäure, Kalium, Kalzium und Magnesium. Mit 17 Kilokalorien pro 100 Gramm ist er sehr kalorienarm.

Hauptsaison: von November bis Ende April. Chicorée wird jedoch ganzjährig aus der Schweiz angeboten.

Zweit-Name: Er heisst auch Brüsseler, weil er im 19. Jahrhundert in Belgien entdeckt wurde.