Das Bundesamt für Landwirtschaft scheint nicht unbedingt begeistert zu sein von Agro-Photovoltaik. Was stört Sie daran?
Johnny Fleury: Ich sehe durchaus das Potenzial. Aber wir befürchten, dass dabei die Lebensmittelproduktion zugunsten der Stromproduktion reduziert wird. Sobald solche Anlagen eine Rendite abwerfen, ist die Gefahr gross, dass sich das Investoren zu Nutze machen – insbesondere bei Pachtflächen.
Befürchten Sie Spekulation?
Der Anteil von Pachtland an der LN ist mit 50 % heute schon sehr hoch. Investoren werden wahrscheinlich Flächen pachten, darauf eine PV-Anlage bauen und sich damit Eigentum und Nutzen an der Anlage sichern. Die Pachtzinsen und Bodenpreise steigen, die Flächenmobilität sinkt. Und nebenbei kämpft der Bewirtschafter mit Mindererträgen und Bewirtschaftungserschwernissen.
Also, dass über kurz oder lang die landwirtschaftliche Produktion durch die Energieproduktion verdrängt würde?
Genau. Wir befürchten, dass die landwirtschaftliche Produktion auf diesen Flächen zweitrangig wird und nur noch eine extensive Produktion auf ansonsten produktiven Flächen stattfinden würde. PV-Anlagen auf Dächern würden diesen Konflikt nicht schaffen. Es kann nicht sein, dass die PV-Module nur dazu dienen, den darunter weidenden Schafen, Schatten zu spenden.
Wie wollen Sie eine solche Entwicklung aufhalten?
Die kantonalen Bewilligungsbehörden müssen bei der Gesuchsbehandlung genau prüfen, welche Vorteile eine Agro-PV-Anlage für die Landwirtschaft bringt, und dass die landwirtschaftlichen und raumplanerischen Vorgaben auch über die Jahre eingehalten werden. Das Umgehungspotenzial ist gross. Gemäss Erläuterungsbericht zur Teilrevision der Raumplanungsverordnung müssen auf Fruchtfolgeflächen die PV-Anlagen zu einem höheren Naturalertrag im Pflanzenbau führen.
Bewilligung: 26 verschiedene Auslegungspraxen
Lange waren PV-Anlagen in der Landschaft kein Thema. Nun aber gibt es Bewegung bei den rechtlichen Vorschriften. Die Revision der Raumplanungsverordnung (RPV) lockerte die Bedingungen für den Bau von PV-Anlagen ausserhalb der Bauzone. Dazu gehören Frei-flächen in der Landwirtschafts-zone.
Optisch eine Einheit
Die Änderungen sind am 1. Juli 2022 in Kraft getreten. Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen sind laut Art. 32 c RPV standortgebunden, wenn sie «optisch eine Einheit bilden mit Bauten oder Anlagen, die voraussichtlich längerfristig bestehen bleiben». Das könnten Fassaden an Scheunen oder Silos, Hagelschutznetze oder Stützkonstruktionen für den landwirtschaftlichen Bedarf sein, erläuterte Christoph de Quervain vom Bundesamt für Raumentwicklung. «Optisch eine Einheit» sei ein unbestimmter Rechts-begriff. Es müssten praxisnahe Beispiele zusammengetragen werden, um aufzuzeigen, wo die Grenze zwischen dem Zulässigen und dem Unzulässigen verlaufe, heisst es dazu im Erläuterungsbericht zur RPV.
Vorteile für die Produktion
Standortgebunden können Anlagen auch sein, wenn sie «in wenig empfindlichen Gebieten Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirken oder entsprechenden Versuchs- und Forschungszwecken dienen.» Wenig empfindliche Gebiete könnten angrenzend an Bauzonen oder Restflächen oder in Speziallandwirtschafts-zonen sein. Auf Fruchtfolge-flächen müssten solche Anlagen zu einem höheren Naturalertrag führen oder eine Reduktion des Sach- und Personalaufwandes bewirken, um als «Vorteil für die Produktion» anerkannt zu werden, meinte de Quervain.
Wenn später die landwirtschaftliche Nutzung unter Solaranlagen aber geändert würde, so dass sie keinen Vorteil für die landwirtschaftliche Produktion mehr bewirken, müssten sie zurückgebaut werden. Da der Vollzug durch die Kantone erfolgt, sei zum Start schweizweit wohl mit 26 verschiedenen Auslegungspraxen der neuen Gesetzesartikel zu rechnen.
Noch keine Direktzahlungen
Ungeregelt ist die Situation bezüglich Direktzahlungsberechtigung von Agro-PV-Flächen. Eine rechtliche Auslegeordnung machte Beatrix Schibli. Weder im Landwirtschaftsgesetz noch in der Direktzahlungsverordnung seien Agro-PV-Flächen aufgeführt. Gemäss landwirtschaftlicher Begriffsverordnung Art. 16 gelten solche Flächen derzeit aber nicht als LN. «Unter heutiger Rechtslage müssten aber solche Flächen direktzahlungsberechtigt sein, wenn die landwirtschaftliche Nutzung nicht stark eingeschränkt sei», findet Schibli. Nötig sei eine Anpassung der Direktzahlungsverordnung. Josef Scherer