Pflanzenschutzmittel (PSM) kommen im Moment kaum mehr aus den Negativschlagzeilen raus. Die Bauern würden sich zurecht fragen, was eigentlich die Forschenden von Agroscope und anderen Institutionen machen, um sie zu unterstützen, sagte Andreas Neff, Agroscope, in seiner Eröffnungsrede zur Güttinger-Tagung vom 17. August. An zwei Posten wurden letzten Samstag Projekte zur Reduktion von PSM vorgestellt, ein dritter Posten befasste sich mit dem Umgang von PSM auf dem Hof.
Aufwendige Züchtung
Die Entwicklung neuer, robuster Obstsorten ist eine Möglichkeit, um den PSM-Einsatz zu reduzieren. "Darum kommen wir nicht herum", ist Giovanni Broggini überzeugt. Er arbeitet an der ETH Zürich im Bereich molekulare Pflanzenzüchtung. "Nur aus einem von 30'000 Apfelsamen entsteht eine neue Handelssorte", schilderte er den aufwendigen Prozess. Bis die Sämlinge erste Früchte tragen, dauert es vier bis fünf Jahre. Das macht die Züchtung langwierig und teuer.
Heute gibt es Methoden, mit denen dieser Züchtungsprozess beschleunigt werden kann, zum Beispiel die Frühverblühung. Dank Einbringen des Birkengens werden die Züchtungszyklen beim Apfel auf wenige Monate reduziert. Das ermöglicht das rasche Einbringen von Resistenzen aus Wildäpfeln und das sukzessive Entfernen von negativen Eigenschaften.
Gentechnik als Chance?
Eine weitere neue Züchtungstechnologie ist die Cisgenetik. Mit ihr können einzelne Gene in bestehende Apfelsorten eingebracht werden. "Diese Methode wurde zum Beispiel angewendet, um Gala resistent gegen Schorf und Feuerbrand zu machen", berichtete Broggini und betonte: "Bei Cisgenetik werden keine Gene von artenfremden Organismen eingepflanzt. Die Pflanzen enthalten nur Apfelgene." Der Molekularbiologe findet, dass die Gentechnologie die Züchtung unterstützen kann, indem sie wichtige Erkenntnisse für die Züchtung und das Resistenzmanagement liefert.
Eine Effizienzsteigerung in der Züchtung verspricht sich Broggini von der Entschlüsselung des Erbguts mit Hilfe von Computersoftware. Mit den genetischen Profilen können gewisse Eigenschaften bereits an frisch ausgekeimten Sämlingen vorhergesagt werden. Zum Beispiel Prognosen über die Schorfresistenz. Diese Vorhersage funktioniert gut, wenn ein einzelner Ort im Genom für die Resistenz zuständig ist. Komplexere Eigenschaften lassen sich schlechter vorhersagen.
So wenig Chemie wie möglich
Der nächste Posten war etwas praxisnaher. Anja Ackermann, BBZ Arenenberg, und Diana Zwahlen, Agroscope Wädenswil, berichteten über die Ergebnisse von Nützlingsförderung und Folienabdeckung in der Obstanlage. In der 1,3 ha grossen Obstanlage in Sommeri, die mit einem Hagelnetz komplett eingenetzt ist, wurden Blühstreifen angelegt und verschiedene Begleitsträucher gepflanzt, um Nützlinge gezielt zu fördern. Sogar Rebstöcke wurden gepflanzt, um die Raubmilbe anzusiedeln. "Wir stellten eine viel höhere Aktivität fest, besonders auf den Sträuchern und zwar sowohl bei den Nützlingen als auch bei den Schädlingen", sagte Ackermann.
Die regelmässigen Schädlingserhebungen und Beurteilungen der Früchte zeigen, dass die Strategie aus Volleinnetzung, Verwirrung, weniger Insektiziden und Nützlingsförderung grundsätzlich gut funktioniert. Den Apfelwickler habe man im Griff, so Ackermann. Auch der Blattlausbestand sei mit einer Ölbehandlung vor der Blüte und anschliessender Regulation durch Nützlinge unterhalb der Schadschwelle geblieben. Beim Schalen- und Fruchtwickler war der Druck hingegen so hoch, dass Insektizide gespritzt werden mussten. Bis auf diese Ausnahmen funktionieren die Reduktion von Insektiziden und die Low-Residue-Fungizid-Strategie gut.
Folien gegen Schorf
In Wädenswil hat man untersucht, ob durch den Einsatz einer Folienabdeckung Pilzkrankheiten reduziert werden können. Dazu wurde die im Frühjahr 2018 fertiggestellte Apfelanlage zur Hälfte mit einer Plastikfolie abgedeckt. "Die ersten Resultate sind positiv. Unter Folie konnten keine mit Schorf infizierten Blätter gefunden werden", berichtete Diana Zwahlen. Die Medaille hat allerdings eine Kehrseite. Unter der Folie gab es viel mehr Mehltaubefall. Laut Zwahlen sind für den weiteren Versuchsverlauf der Langzeiteffekt der Beschattung auf die Baumentwicklung, der Einfluss auf die Entwicklung von Schädlingen und Nützlingen und die Ökobilanz (wegen der Beschattung muss mehr bewässert werden) zu berücksichtigen.
Alle müssen mithelfen
Ralph Gilg, Präsident des Thurgauer Obstverbands, informierte darüber, dass der Schweizer Obstverband (SOV) eine Task Force Pflanzenschutz Obst und Beeren ins Leben gerufen hat. Zudem wandte er sich mit der Bitte an die Obstbauern, dass diese bei der Aufklärung über den Einsatz von PSM mithelfen. Sei es durch das Aufhängen von Plakaten, Verteilen von Flyern oder im persönlichen Gespräch mit den Konsumenten. "Wir haben so viel zu kommunizieren, das können wir als Verband nicht alleine und da sind wir auf eure Hilfe angewiesen", so Gilgs Appell an die Obstproduzenten.