Christoph Böbner ist seit einem Jahr Direktor des Genetikunternehmens Swissgenetics in Zollikofen BE. Wie er selber sagt, habe er sich in der Zwischenzeit sehr gut eingelebt, die Herausforderungen bleiben aber gross. Die BauernZeitung wollte es genau wissen und hat ihn mit Fragen konfrontiert, welche die Branche derzeit beschäftigen.

Sie sind seit einem Jahr Direktor bei Swissgenetics. Wie haben Sie sich eingelebt?

Christoph Böbner: Sehr gut. Aufgrund meiner früheren Tätigkeit bei einem Zuchtverband war mir das Geschäftsfeld von Swissgenetics recht vertraut. Das Geschäft rund um die Zucht und Besamung ist allerdings sehr schnelllebig und noch schnelllebiger geworden, so dass ich mich in viele neue Bereiche einarbeiten musste. Einige Faktoren haben aber wesentlich dazu beigetragen, dass wir Swissgenetics auf Erfolgskurs halten können. So etwa die sehr erfahrenen Mitarbeitenden, der Vorstand und unser Kader, aber auch die treuen Kunden und die guten Partnerschaften mit Zuchtverbänden und internationalen Partnerfirmen.

Und persönlich?

Ich geniesse es, wieder etwas näher bei der produzierenden Landwirtschaft zu sein, weil ich in diesem Umfeld aufgewachsen bin. Der Schritt zu Swissgenetics war daher auch ein Stück weit ein Schritt zurück zu den Wurzeln.

 

Zur Person

Seit einem Jahr ist Christoph Böbner Direktor bei Swissgenetics. Der berufliche Werdegang des 56-jährigen Ingenieur Agronom ETH ist sehr vielfältig. Von 1991 bis 1994 war er Assistent an der ETH in Zürich und doktorierte im Bereich Rindviehzucht. Von 1994 bis 1998 war Böbner Adjunkt beim Schweizer Braunviehzuchtverband in Zug. Von 1998 bis 2004 hatte er die Stelle als Direktor des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums in Schüpfheim LU inne. Von 2004 bis 2009 war er Vizedirektor am Bundesamt für Landwirtschaft. 2009 bis 2018 war Böbner Leiter der Dienststelle Landwirtschaft und Wald im Kanton Luzern. Seit dem 1. Januar 2019 ist er Direktor von Swissgenetics.

 

Die Anzahl Kühe in der Schweiz sinkt, die Mastbesamungen nehmen zu. Was bedeutet das für Swissgenetics?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Rindviehhaltung in der Schweiz eine zwingende und folglich auch die wichtigste Produktionsform ist und bleiben soll. Die Besamung von inzwischen knapp 50 Prozent mit Fleischrassestieren ist quasi eine schweizerische Erfindung, welche inzwischen weltweit Nachahmer findet. Diese ist in enger Abhängigkeit mit dem Einsatz von gesextem Samen zu sehen. Diese Besamungsstrategie unserer Betriebe kann effektiv als eine Win-win-win-Situation betrachtet werden. Ich denke, dass sich der Anteil von Fleischrassebesamungen etwa auf dem aktuellen Niveau einpendeln wird.

Wie wichtig ist das Exportgeschäft für Swissgenetics?

Seit ein paar Jahren exportieren wir jede dritte produzierte Dose ins Ausland. Wenn wir international erfolgreich unterwegs sind, beweist dies die Stärke unserer eigenen Zuchtprogramme, was sich letztendlich im Vertrauen der Schweizer Züchter wiederfindet. Zudem werden wir international als wichtiger Partner respektiert. Schliesslich kommt hinzu, dass wir als Schweiz eine Genetik anbieten, die sich in vielen Ländern bewähren kann. Die Schweizer Zuchtprogramme fördern die Raufutterkuh mit guten Fitnesseigenschaften und einer guten Nutzungsdauer. Das macht auch in anderen Ländern Sinn und wird von immer mehr Kunden erkannt.

Wie viele Gelder vom Bund im Bereich Absatzförderung fliessen genau in den Samenexport?

Das Bundesamt unterstützt Marktabklärungen oder fördert Exportinitiativen. In den vergangenen Jahren war es immer aufwendiger, an solche Unterstützungsmittel zu gelangen. Letztendlich streben wir in der Marktbearbeitung den Aufbau von Distributoren und Wiederverkäufern an, welche nachhaltig und langfristig Schweizer Genetik in den jeweiligen Ländern vermarkten wollen.

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Seit der Gründung des damaligen KB-Verbands hat sich in den letzten 60 Jahren bei Swissgenetics viel verändert. (Tabelle Swissgenetics)

Swissgenetics hat ein Riesenangebot an Stieren. Wäre halb so viel nicht rentabler für das Unternehmen?

Effektiv haben wir für jeden Betriebstyp und jedes Zuchtziel eine Vielzahl an Stieren im Angebot. Im vergangenen Jahr haben wir von 51 Rassen Samendosen von über 1600 verschiedenen Stieren in der Schweiz verkauft. Gut 80 Prozent der verkauften Samendosen stammt aus eigener Produktion, die anderen importieren wir. In der Tat stellt diese Breite an Stieren einen Kostenfaktor dar. Allerdings gilt es zu beachten, dass wir einen genossenschaftlichen Auftrag erfüllen.

Was für einen Auftrag hat Swissgenetics gegenüber den Rindviehhaltern genau?

In der Schweiz zählen wir knapp 35 000 Rindviehhalter, welche sich bezüglich der Rasse, aber auch bezüglich der betrieblichen Bedingungen und der Betriebsstrategie unterscheiden. Zudem müssen wir auch die zuchthygienischen Rahmenbedingungen beachten, also Produkte im Angebot haben, welche auf die Blutbreite einer Rasse fokussieren. Unser genossenschaftlicher Auftrag sieht genau diese Versorgung unserer Züchter vor. Diesen Auftrag nehmen wir als Marktleader im Sinne unserer Rindviehhalter sehr ernst, auch wenn daraus nicht immer die höchste Rentabilität resultiert. Solange wir, dank rigidem Kostenverhalten, unternehmerisch erfolgreich unterwegs sind, leisten wir uns dieses sehr breite Angebot. Damit können wir alle Bedürfnisse unserer heterogenen Kundschaft befriedigen. Dies wirkt nicht zuletzt auch motivierend für unseren kundennahen Aussendienst.

Es gibt Stiere wie Odyssey oder Isor, die haben eine miserable Lebendgeburtenrate bei ihren Töchtern. Warum bleiben diese Stiere weiterhin im Angebot?

Es sind ein paar wenige, einzelne Stiere mit stark negativen ZW im Angebot. Neben den Zuchtwerten beurteilen wir jeweils die Daten der Tierverkehrsdatenbank. Daraus sehen wir, dass eine überwiegende Anzahl Kälber lebend geboren werden. Die Ursachen für die tiefen Zuchtwerte Lebendgeburten Töchter werden zusammen mit dem Zuchtverband und der Wissenschaft genetisch abgeklärt. Hinzu kommt, dass beide Stiere relativ alt sind, Isor wird gar nicht mehr im Standardangebot geführt und auch die Nachfrage nach Odyssey hat stark abgenommen.

Im Ausland werden Methoden angewendet, die bei uns verboten sind. Ist das ein Nachteil für Swissgenetics?

Wir verzichten effektiv auf Techniken wie Klonen oder Gen-editing, welche in einigen anderen Ländern praktiziert werden. Diese Techniken können effektiv zu einem rascheren Zuchtfortschritt beitragen. Wir dürfen bei diesen Entscheiden aber nicht vergessen, dass in der Schweiz auch die Gesellschaft stark auf die Landwirtschaft Einfluss nimmt. Wenn wir entgegen diesen gesellschaftlichen Vorbehalten auf diese Techniken setzen würden, so würden wir allfällige Rückwirkungen von Konsumenten auf Produkte unserer Landwirtschaftsbetriebe in Kauf nehmen. Damit würden wir unseren Rindviehhaltern möglicherweise einen Bärendienst erweisen.

Das Holsteinzuchtprogramm in der Schweiz ist sehr klein, die meisten Holsteinstiere stammen aus dem Ausland. Macht es Sinn, dass man hierzulande das Holsteinzuchtprogramm noch aufrecht erhält?

Als sehr klein würde ich das nicht bezeichnen. Knapp 45% der Besamungen stammen bei Holstein aus dem eigenen Zuchtprogramm, was angesichts der internationalen Population als Erfolg bezeichnet werden kann. Ich bin daher überzeugt, dass wir auch in Zukunft ein eigenes HO-Programm führen können. Denn wie bereits erwähnt, hat auch das Schweizer Holsteinzuchtprogramm eine gewisse Swissness, eine schweizerische Eigenart also. Wenn wir für unsere Züchter Stiere importieren, so schauen wir auch beim Holsteinprogramm sehr genau, dass die Stiere den schweizerischen Anforderungen gerecht werden. Unsere Züchter und Holsteinrindviehhalter erwarten dies von uns.

Jüngst kam es zu Kündigungen. Einerseits beim Kader, andererseits verlassen einige Besamer das Unternehmen. Was ist los bei Swissgenetics? Haben die Abgänge mit dem neuen Chef zu tun?

Ich hoffe nicht, dass dies mit dem Direktionswechsel zu tun hat. Trotzdem kann ein Direktionswechsel immer auch zu gewissen Verunsicherungen führen. Einige Wechsel, welche nun anstehen, standen aber bereits vor meinem Antritt fest, speziell auch beim Kader. Die Abgänge bei den Besamungstechnikern sind nicht aussergewöhnlich. Tatsache ist, dass Swissgenetics rund 370 Mitarbeitende zählt. Wenn diese im Schnitt zehn Jahre bleiben, was überdurchschnittlich ist, dann sprechen wir von 37 Personen, welche pro Jahr ersetzt werden müssen. Trotzdem bedaure ich natürlich jeden Weggang, weil damit auch Kompetenz und Erfahrung weggeht. Wechsel können aber durchaus auch Chancen bieten.

Immer mehr Betriebe wollen eine problemlose Kuh, die zu ihrem Betrieb passt. Im Gegenzug wird an Ausstellungen eine Kuh präsentiert, von der eine Vielzahl an Fachleuten behauptet, sie sei weder rentabel noch funktionell. Wie beurteilen Sie das?

Ich sehe das ganz anders, und meine Sicht ergibt sich diesbezüglich aus rund 30 Jahren Erfahrung. Die Zucht auf Exterieur wird nicht um die Schönheit der Tiere Willen gemacht. Vielmehr werden in der Schweiz beim Exterieur Merkmale weiterentwickelt, welche viele Fitnesskriterien umfassen, ein hohes Raufutteraufnahmevermögen einschliessen oder eine gute Gesundheit garantieren sollen. Weshalb sollten wir sonst das Fundament der Tiere beurteilen, die Beckenneigung, die Flankentiefe oder die Euteraufhängung? Diese Merkmale zielen allesamt auf eine funktionale, langlebige Kuh ab, welche auf unseren Weiden und Alpen Futter veredelt, möglichst problemlose Abkalbungen hinter sich bringt, gesunde Milch produziert und schliesslich eine hohe Nutzungsdauer aufweist. Sie kaufen ja auch nicht ein teures Auto, welches sie dann möglichst rasch wieder wegwerfen müssen. Unsere Nutztierhalter haben eine hohe ethische Verantwortung gegenüber der Kuh. Die Kühe sind auf diesen Betrieben wichtige Mitarbeiterinnen, und ihr Wohlbefinden ist ein Schlüssel zum betrieblichen Erfolg.