Wie wir berichteten, hat das Bundesamt für Landwirtschaft die Notzulassung für zwei Blattbehandlungsmittel gegen den Überträger der Virösen Vergilbung, die Grüne Pfirsichblattlaus, erteilt. Das Neonicotinoid Gaucho bleibt verboten. Die gute Nachricht: «Wenn die Viruslast noch auf einem tiefen Niveau ist, können Spritzungen mit diesen Produkten gut helfen. Das wissen wir aus dem Nachbarland Deutschland», sagt Samuel Jenni von der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenanbau. Bis zu diesem Zeitpunkt offen ist die Frage, wie die beiden Mittel Movento SC und Gazelle SG zukünftig zur Anwendung kommen sollen. Die BauernZeitung hat recherchiert und stellt Ihnen ein paar nützliche Informationen zur Verfügung.

Gazelle ist ein Neonicotinoid

Die beiden Insektizide sind in der Schweiz bereits im Feld-, Obst-, Beeren-, Gemüse- und Zierpflanzenbau zur Bekämpfung von saugenden Insekten zugelassen. Movento SC (Bayer AG) enthält den Wirkstoff Spirotetramat, der bei Applikation die Blattlauseier zerstört und die Entwicklung und Fruchtbarkeit der jungen Larven behindert. Durch seine lang anhaltende systemische Wirkung ermöglicht er den Schutz des Neuzuwachses.

Gazelle SG aus dem Hause Stähler Suisse SA beinhaltet den Wirkstoff Acetamiprid, ein Neonicotinoid, was an den Nervenzellen der Insekten wirkt und sie innerhalb von nur acht Stunden tötet. Richtig gelesen – Gazelle ist wie das verbotene Gaucho ein Neonicotinoid. «Nur ist es 100-mal weniger giftig als Gaucho, und seine Persistenz im Boden sehr viel kürzer», erklärt Simon Gasser, Leiter Feldversuche bei Stähler Suisse.

Applikation vermutlich nur mit Sondergenehmigung

Gaucho verlor seine Zulassung wegen seiner Bienentoxizität und seiner langen Abbauzeit im Boden. Spuren des Mittels waren noch lange nach der Saat in der Kultur z. B. in den Blüten von Raps nachweisbar, erzählt Simon Gasser. Gazelle hingegen würde im Vergleich relativ schnell abgebaut und wäre rasch nicht mehr feststellbar. Allerdings wirkt das Produkt nicht nur systemisch, sondern auch über Kontakt und ist somit nur beschränkt nützlingsschonend: «Wir gehen davon aus, dass die Applikation aufgrund dessen nur mit Sondergenehmigung erlaubt sein wird», so Gasser. Movento hingegen wird nützlingsschonender eingestuft und wirkt nur systemisch, d. h. das Insekt muss am Pflanzensaft saugen, um in Kontakt mit dem tödlichen Wirkstoff zu kommen. Gründe, die für eine Applikation ohne Sonderbewilligung sprechen, hält Simon Gasser fest. Die Kantone werden genauere Informationen dazu aber erst im Januar bekannt geben.

Applikation sobald Einflug der grünen Pfirsichblattlaus

Die kantonalen Pflanzenschutzfachstellen haben eine Schadschwelle für die Grüne Pfirsichblattlaus ausgearbeitet. «Diese ist sehr tief, anders als beispielsweise für die Schwarze Bohnenblattlaus, die das Vergilbungsvirus weniger stark übertragen kann», erklärt Samuel Jenni. Sobald der Einflug der grünen, geflügelten Mutterläuse stattgefunden hat – die Kantone werden dazu ab Ende April ein Monitoring durchführen – und die sehr niedrig angesetzte Schadschwelle erreicht wird, werden die Zuckerrübenpflanzer informiert und die erste Applikation kann erfolgen. Eine weitere muss dann innerhalb von etwa zwölf Tagen stattfinden. Gemäss Jenni wird in den nächsten Monaten entschieden, wie und wer informieren wird,d.h. ob per SMS, Whats-app, Newsletter, E-Mail oder über die Presse der Zeitpunkt der Applikation bekannt gegeben wird.

Mindestens zwei Behandlungen notwendig

Um die Virusübertragung zu unterbinden, werden laut Jenni mindestens zwei Behandlungen notwendig sein. Je nach Blattlausdruck und Flugzeit ist es möglich, dass darauf noch ein bis zwei weitere Spritzungen folgen werden. «Das wird dann das Monitoring der Fachstellen zeigen, welches für jeden grösseren Kanton separat geplant ist», sagt er. Die Viruslast und damit das Infektionsrisiko werden sicher in den westlichen Anbaugebieten höher ausfallen, weshalb dort dann auch früher und wahrscheinlich intensiver behandelt werden müsste.

Bis zu drei Wochen Wirkung

Gemäss Simon Gasser haben beide Produkte eine Wirkungsdauer von etwa zwei bis drei Wochen. In den Zuckerrüben sind maximal pro Parzelle und Jahr erlaubt:

  • 1 Behandlung mit Gazelle SG
  • 2 Behandlungen mit Movento SC

Zudem ist nach wie vor das nützlingsschonende und wasserlösliche Granulat mit dem Wirkstoff Pirimicarb zur Bekämpfung der Schwarzen Bohnenblattläuse, die trotzdem noch zu einem späteren Zeitpunkt einfliegen könnten, in den Zuckerrüben zugelassen (zwei Behandlungen pro Parzelle und Jahr). Pirimicarb ist auf der Liste 9.1 gelistet und darf in REB nicht eingesetzt werden. Movento und Gazelle sind nur für diejenigen zugelassen, die nicht an einer REB-Massnahme ohne Insektizid und Fungizid sowie am IP-Suisse-Programm teilnehmen.

Feldhygiene reduziert die Viruslast

In welcher Reihenfolge die Applikation der Produkte 2021 erfolgen soll, wird von den kantonalen Pflanzenschutzfachstellen noch ausgearbeitet und später kommuniziert. Wichtig sei es, in Zukunft nach der Ernte möglichst alle Rübenparzellen zu pflügen, damit das Virus, das in Blatt- und Kopfresten überwintert, möglichst tief vergraben wird, empfiehlt Samuel Jenni.